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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.3633#0089
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Ab-

heischen, die ihnen in einem allgemeinen Zusammenhang nicht zukommen
würele, wahrend große Künstler mit bescheidenen Gelegenheitsarbeiten
beiseite stehen' l)ei Verfasser hat auf die Einbeziehung der reproduk-
tiven Graphik nahezu gänzlich verzichtet. So kommt es, daß die Kunst
dei Nazarener und deutschen Romantikci in diesem Buche eine viel
geringere Rolle spielen mußte, als ihnen in einer allgemeinen Kunst-
geschichte in ihrer Eigenschaft als Zeichner zufallen würde. Glaser wollte
sich nur tnit der Originalgraphik beschäftigen, weitet aber innerhalb der-
selben stets mit Recht die künstlerische Leistung höher als die technische
Meistei schaft.

Die Starke des Buches liegt voi allem im Analytischen. Glaser
geht vom einzelnen Kunstwerk und mehr noch vom einzelnen Künstler
aus, die klare Darstellung des Wesens einer Künstlcrpcrsonlichkeit ist
ihm Jas Wichtigste und ist uns das Wertvollste an seinem Buche. Seine
Kritik ist schalt und klar und vui allem ist sie positiv, was gegenüber
der Art so vieler moderner Kunstgcschichtsscbmber doppelt hervor-
gehoben zu werden verdient. Glaser verhehlt nie die Schwächen, er weiß
sich von jedei Überschätzung lern zu halten, aber er betrachtet es doch
als das Wesentliche seinei Aufgabe, die staikc und bleibende Seite jeder
künstlerischen Leistung hervorzuheben, statt wie so viele die Stärke im
Negieren zu ■-Liehen. So kann ei gerade problematischen Naturen wie
Klingel und Künstlern, die seinem eigenen modernen Kunstempfinden nur
wenig sagen können, wie manchen Engländern merkwürdig gerecht
iverden, ihnen die Stellung anweisen, che ihnen in der Geschichts-
schreibung der graphischen Kunst gebührt. Die besten Kapitel des
Buches sind diejenigen, die wirklich großen Meistern gewidmet sind und
hei denen offenbar auch die Liebe des Autors ruht. Was Glaser über
Goya, Übei Menzel, über die großen Franzosen des XIX. Jahrhunderts,
übei Munch Lind übe] die Berliner Künstler dei letzten dreißig Jahre uns
zu sagen hat. ist in seinei knappen, lebendigen und anschaulichen Art
der Charakterisier ung vielfach vollendet zu nennen. Man fühlt, daß der
ganzen Darstellung eine klare Erkenntnis von dem Werden des Künstlers
und seines Stils, von den Werten der einzelnen l^ntwieklungsphasen zu-
grunde liegt, die dei Verfasser klar vor uns auseinanderlegt, ohne sich
je in Einzelheiten zu verlieren. Bei einei Leistung wie der vorliegenden
erscheint es mir wenig fruchtbar, abweichende Ansichten im einzelnen,
in dei Wertung dieses oder jenes Werkes oder Künstlers, die notgedrungen
ebenfalls subjektiv sein müssen, auszusprechen oder zu unteisuchen, ob
nicht dieser oder jener Graphiker in einem LJuche, das selbst Otto Greiner
ein selbständiges Kapitel widmet, während die österreichische Graphik
von der Mitte des XIX. Jahrhundeits an überhaupt nicht mehr erwähnt
wird, noch hatte Aufnahme finden sollen, oder ob die Berliner Künstler
der letzten drei Jahrzehnte, zu denen Glaset auch Kokoschka zu zählen
scheint, nicht gegenübei den anderen allzusehr hervorgehoben sind.
Wesentliches für die Geschichte der neuzeitlichen Graphik wird kaum
ein Lesei in dem Buche vermissen. Die fühlenden Persönlichkeiten sind
alle klar herausgehoben und nach persönliche! Meinung des Referenten
würde das Buch im allgemeinen mehr durch Wegiassung von Namen
gewinnen als durch deren Hinzufügung. So liegt der grüßte Wert des
Buches in der Wertung nicht so sein der einzelnen Künstler als der
graphischen Leistung clci einzelnen Künstler, an der auch eine spätere,
aus weiterer Distanz urteilende Geschichtsschreibung kaum viel zu
andern haben wird. Auf jeden Fall wird das Buch aber bleibenden Wert
behalten als Dokument seiner Zeit, denn so persönlich es geschrieben
ist., so gibt es doch ein \ ollkommen klares Bild, wie die einzelne graphische
Kunstleistung des vergangenen Fahrhunderts sieh von der Warte der letzten
beiden Dezennien im Geiste des Kunstfreundes und des Historikers von
heute sich ausnimmt.

So sehr das Buch im Analytischen befriedigt, enttäuscht es doch
ein wenig im Synthetischen. Von den drei Faktoren, die jedes Kunstwerk
bestimmen, ist dei letzte, individuelle am klarsten und schärfsten, der
national bedingte last immei zuieichend herausgehoben, wahrend der
wichtige Faktoi der Zeitströraung, dei Faktor des Geistes des einzelnen
Jahrzehntes odei wenigstens der einzelnen Generation ein wenig ver-
nachlässigt erscheint, wodurch sich vielleicht auch die etwras ermüdende
Wirkung der Lektüre erklärt. Diese mangelnde Berücksichtigung des
Zeitfaktors zeigt sich schon in der Anordnung, Die oberste Gliederung ist

zwar eine zeitliche, das Buch zci fällt in zwei Hajptteilc, die die erste
und die zweite Hälfte des XIX. Jahrhundeits behandeln und denen ein
drittes naturgemäß kleineres Buch über den Anfang des XX. Jahrhunderts
angehängt ist. Innerhalb der beiden Hauptteile aber wechselt die Anord-
nung, sie folgt im ersten Teile den Techniken, im zweiten den Nationen.
Diese Anordnung erscheint wohl durch das Material bedingt, aber wir
vermissen zusammenfassende Kapitel, die Querschnitte über die Leistungen
der einzelnen Generationen geben, die herausheben, wie trotz der volkischen
und individuellen Bedingungen und Hemmungen in gleicher Zeit Verwandtes
in verschiedenen Kunstzentren entsteht, und die betonen, aus welchen
Gründen das Letzte, was eine Generation uns zu sagen hat, gerade von
diesem oder jenem Volke geleistet werden mußte. So bedauern wir es, daß
Glaser die kurze Anregung, die er auf wenig mehr als einer halben Seite
seines Vorwortes, auf der kurz die Stellung der einzelnen Jahrzehnte zu
den verschiedenen Techniken skizziert ist, nicht weiter ausgebaut hat und
zu dei er nach seiner Geschichte der altdeutschen Malerei prädcstinieit
gewesen wäre. Vielleicht hätten diese Ausfuhrungen den Rahmen des
Buches gesprengt, das sich vor allem mit der Wertung und Charak-
terisierung der einzelnen Künstlerpersönlichkeiten beschäftigen mußte,
und so erhoffen wir von ihm ein zweites Buch, das die Geschichte der
Graphik in die allgemeine Entwicklungsgeschichte der Kunst im XIX. Jahr-
hundert hineinstellt und sich infolgedessen auch, was das gestellte Pro-
blem in diesem Falle verbot, mit jenen Künstlern ausführlicher beschäftigen
kann, die selbst nicht graphisch tätig waren, aber durch ihre Zeichen-
kunst auf die Graphik einen starken Einfluß ausgeübt haben. Daß diese
Aufgabe auch heute schon lösbar ist, seheint mir gerade Glasers Buch zu
beweisen, das sich aus so naher Warte schon zu einer so durchaus
gerechten und wahrhaft historischen Würdigung der einzelnen Leistungen
aufschwingen konnte.

Zum Schlüsse drängt es mich noch, Woite uneingeschränkten
Lobes zu sagen über die vollendete Ausstattung des Buches, über die
ungemein geschickte Auswahl der Abbildungen und den voi trefflichen
Gedanken, den einzelnen Kapiteln Initialen aus besprochenen graphischen
Buchern voranzustellen, so daß uns schon die Illustrierung jedes einzelnen
Kapitels vom Bildchen des ersten Buchstaben an in die besprochene
Welt einfuhrt. Ludwig Baldaß.

Der Weltkrieg -- ein Totentanz. Eine Dichtung in
Radierungen von Ludwig Heßh aim er. Wien-Leipzig,
Wila. 1921.

Die (15) Drucke unter personlicher Aufsicht des Künstlers abge-
zogen von^ Franz Schönikle. Buchdruckarbeiten und Lithographie (Vor-
satz) von Christoph Reißers Söhnen. Klischees (die beiden Schrifttafeln
vorne und hinten) von Angcrer & Göschl. Einband von Karl Scheibe.
Geschöpftes Van Geldern-Zonen-Papier aus Amsterdam. Auf jedem Blatt
der Abdruck eines Stahlschnittstempels von Michael ßlümelhuber inSteyr.

420 Exemplare. I—V in Ganzledermappe mit Metall piakette
(Christus am Kreuz), enthaltend die Radierungen als Remarquedrucke,
ferner ein Selbstporträt des Künstlers. Mappe und sämtliche Radierungen
vom Kunstler handschriftlich signiert. VI—L Luxusausstattung in Halb-
ledermappe mit Metallplakette, enthaltend die Radierungen als Remarque-
drucke, ferner je einen Probedruck. Mappe und sämtliche Radierungen
vom Kunstler handschriftlich signiert. 1 —100 Vorzugsausstattung in
Leinenmappe mit Metallplakctte. Mappe und sämtliche Radierungen vom
Künstler handschriftlich signiert. 101—3.~>0 in Halhleinenmappe mit
Metallplakette. Mappe und Titclradierung vom Künstler handschriftlieh
signiert. Die Mappen A—T kommen nicht in den Handel. —

Ein schwieriger und peinliche!" Fall. Schon die übertriebene Kost-
spieligkeit der Ausstattung reizt zum Widerspruch, nimmt gegen den
Künstler ein. Ein Meistei der Radierung hätte sich, daran ist nicht zu
zweifeln, gegen eine solche allzu üppige »Aufmachung«, auch wenn sie
dem Verlcgei zweckdienlich erschienen wäre, erfolgreich zur Wehr zu
setzen gewußt. Also, was auch das Durchblättern der Mappe sofort
bestätigt, eine mittelmaßige Begabung, die aber über den eisernen Willen
verfügt, sich durchzusetzen und die günstige Gelegenheit, sich einem
zwar nicht verwöhnten, aber kaufkräftigen Publikum pomphaft vorzu-

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