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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.4216#0010
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Abb. 8. Hans Baidung, Apostel Bar-
tholomäus. Holzschnitt, um 1504—05.

beiden Zyklen nicht Dürer, wie Pauli annahm, sondern ein Werkstattgenosse, Freund
oder Schüler desselben, der dem Meister nahesteht, aber dessen Kunst gerade damals
sich aus dem Bann Dürers zu lösen begann und ihre eigene Sprache fand. Doch das
soll der weiteren Untersuchung vorbehalten bleiben. Kompositionen ist diese Kreuz-
erhöhung ziemlich unabhängig von dem älteren Vorbild, dem sie eigentlich nur die
Schrägstellung des Kreuzes im Bildrechteck entnimmt, ein Motiv, das sich nicht selten auch
auf anderen graphischen Blättern und Miniaturen des XV. Jahrhunderts feststellen läf3t.1

Eine genaue Datierung dieser Passionsfolge Baidungs auf die Zeit kurz vor dem
Drucke des »Speculum« (1507) läßt sich nicht festlegen, weil wir in dem 1505, also
zwei Jahre zuvor, gedruckten »Rosenkranz« eine Reihe von Holzschnitten finden, die
formell und stilistisch derselben sehr nahe stehen. Nur das eine läßt sich mit aller Sicher-
heit aussprechen, daß der Künstler etwa von Ende 1504 an diese stattliche Reihe von
Zeichnungen für den Holzschnitt geschaffen hat. Einige derselben kommen noch in
beiden Bänden vor, andere erscheinen im Drucke vor 1507 nicht mehr, während endlich
eine kleine Anzahl, zu denen auch die »Sieben Schmerzen Maria« gehören, erst im
»Speculum« nachweisbar sind.

Es würde hier zu weit führen, alle die zahlreichen Holzschnitte in Pinders
beiden Nürnberger Drucken von 1505 und 1507 anzuführen, die auf Baidungs Vorzeichnungen zurückgehen; Vollmer
hat hier im großen und ganzen richtig gesehen. Eine genauere Untersuchung soll einer größeren Studie über die Anfänge
der Baldungschen Kunst vorbehalten bleiben. Hier genüge es, einige besonders bezeichnende Blätter herauszugreifen und
zu erläutern. Sicher ist es, daß die Apostelserie im XL Band des »Rosenkranzes« von Baidung gezeichnet worden ist.
Schon Wilhelm Schmidt hat sich mit Recht gegen die Zuschreibung derselben an Kulmbach, die Rieffei vorschlug, ge-
wendet, und Hans Vollmer schließt sich Schmidt an. Die interessante Folge, die uns wieder Baidungs reiche grüble-
rische Natur enthüllt, zeigt in der Zeichnung, den Typen, im Stil und in der Haltung der Gestalten ganz seine Art. Auch
sonst ist dieselbe mit anderen Werken des jungen Meisters fest verbunden. So geht zum Beispiel der Bartholomäus, den
ich hier abbilde (Abb. 8), auf die 1504 datierte Basler Handzeichnung desselben Apostels2 zurück, die man direkt als
eine Art von Studie zu dem Holzschnitte bezeichnen kann; besonders schlagend ist die Übereinstimmung des bärtigen
Kopfes mit dem gekräuselten Haupt- und Barthaar, dem etwas schiefen Mund, den wir ja so häufig auch bei Schäuffelein
finden, und dem schrägen Blick der Augen.

In dieselbe Zeit fällt auch die Dresdner Handzeichnung (Terey, I. T. 80) des Apostels Paulus, der allerdings in der
Folge des »Rosenkranzes« nicht vorkommt, aber stilistisch mit derselben zusammengeht. Wir werden uns übrigens im
weiteren Verlaufe dieser Untersuchung nochmals mit der Apostelserie zu beschäftigen haben.

Gleichfalls aus dem »Rosenkranz« (VII fol. 94R) stammt das Blatt mit der Nachfolge Christi (Abb. 9), das the-
matisch und kompositioneil mit den sieben Fällen Christi zusammengeht und uns mit einem echt Baldungschen Motiv
bekannt macht, dem weiten energischen Ausschreiten, wie es hier Christus unter dem Kreuze und der ihm Folgende
zeigen. Auch Letzterer mit dem geteilten, herabhängenden Spitzbart und den hohlen ekstatischen Augen ist eine typisch
Baldungsche Figur, zu der sich in späteren Werken des Meisters genug Analogien nachweisen lassen. Sehr interessant
ist ein weiterer, hier wiedergegebener Holzschnitt aus dem »Rosenkranz« (IX fol. 183 R) eine Illustration (Abb. 10) zu
dem Kapitel »von den ganben (= Gaben) des heyligen geistes«. »Ascendisti in altum / cepisti captivitatem, dedisti dona
hominibus — Dise wort werden gesprochen von Christo Jhesu / wann er stig auff jn die oberste stat des brinnenden
himmels. Vel in altum crucis. Oder jn die höhe des crewtz / an dem du begriffen haust di gefangnus / dz ist di file der
heiligen die der tewfel beschlossen hielt in der vorhell / vmb der erbsünd willen / die noch nit bezalt«. Aus dieser ab-
strakten theologischen Darstellung erwuchs der Phantasie Baidungs eine wohl noch jugendlich kühne, aber reiche Kom-
position, die seltsam anziehend auf den Beschauer wirkt. Vor dem Kreuze steht der Herr über dem »brennenden Himmel«
und hält den Teufel und den unerlösten Manschen der Vorhölle, beide mit dem Kopf nach unten hängend, an den Beinen
mit ausgebreiteten Armen, sie gewissermaßen an den Kreuzesarmen festnagelnd, und oben zaubert sein Stift eine reiz-
volle kleine einfache Landschaft als menschlich versöhnenden Abschluß.

Ebenso blühend an Phantasie und Schönheit sind die beiden meisterhaften Blätter aus dem »Rosenkranz«, die
Adam und David in Limbus zeigt, wo sie einer Reihe von nackten Gestalten, die sich um sie gruppieren, den Trost der
Erlösung verkünden (Abb. 11), kompositioneil wie im Formalen gleich gelungen. Besonders schön ist die Zeichnung der
nackten schwellenden Körper ausgefallen.

Das folgende Blatt, ein Querbild mit einer typologischen Gegenüberstellung des Sündenfalls und des »hoch-
würdigen sacraments von der heylige mess des altars« (Abb. 12) kommt im »Rosenkranz« (fol. 229 R) vor. Es ist

1 Man vergleiche die > Kreuzerhöhung« in der mit Miniaturen aus der Passion geschmückten und 1456 datierten Pilgerreise des Jörg Pfintzing
zum heiligen Grabe, in der Nürnberger Stadtbibliothek (abg. Katalog der Nürnberger Ausstellung 1906, S. 438).

2 Terey, Handzeichnungen Baidungs, T. 8.
 
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