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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.4216#0075
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Umschlage zur Taschensausgabe durch die lithographische Übertragung gediehen ist. Schwind ist nur mit Mühe noch
zu erkennen. In dem Umschlage sind auch in besonders reichem Maße Sinnbilder verwendet, die Schwind aus denTodes-
gedanken geläufig waren: Mond, Stundenglas und Hippe, Lorbeer und Lorbeerkranz, Rosen, Wage, Lyra, Fackel, Maske
und Schlangenring. Auch die Blume des Lebens finden wir wieder und man erkennt sie als die gleiche, wenn man auf
die erwähnte bis zur Entstellung gehende Vergröberung Bedacht nimmt.

Ein Vergleich der umrahmenden Vignetten des Umschlags mit den Vignetten auf den Titelblättern macht den
Unterschied zwischen Schwind und den ihm bisher zugeschriebenen Vignetten vollends klar.

Die große Ausgabe der Werke in Lexikonformat1 ist eine gleichzeitige. Ihr Erscheinungsjahr 1826 ist durch
die notwendig vorangegangene Fertigstellung der Taschenausgabe zu erklären. Dies ist aus der zweiten oben an-
geführten Anzeige in der Wiener Zeitung zu ersehen: »Die P. T. Herren Subskribenten auf die Auflage in gr. 8 erhalten,
sobald 9 Bändchen der Taschenausgabe erschienen sind, die erste Lieferung von 9 Dramen in einem Hefte, und somit das
ganze Werk in 4 Abteilungen . . .«

Diese große Ausgabe trägt auf dem lithographierten Titelblatt eine Vignette im Formate 118:95 mm. Drei Genien
sieht man schweben. Die Mitte nimmt in langem, faltenreichem, mäandergesäumtem Gewände Melpomene selbst ein, die
Muse der Tragödie. Die rechte Hand hält einen Dolch, die linke die tragische Maske. Rechts von ihr schwebt ein Genius der

Abb. .). Moritz von Schwind, Vignette auf dem Titelblatt zur großen Wiener
Shakespeare-Ausgabe. Lithographie.

Geschichte, in Schuppenpanzer, den das englische Wappen ziert, gekrönt — die Krone trägt den britischen Löwen — und
in die Tuba blasend, die mit der rechten Hand gehalten wird, während die linke Hand einen Lorbeerzweig trägt. Rechts
schwebt die leichtbekleidete Thalia, den bacchischen Kranz im Haar, mit Lorbeerzweig und Stab, der in einen Narren-
kopf ausläuft. Die Lorbeerzweige der äußeren Genien werden nach innen gehalten, so daß sie die Muse der Tragödie
seitlich zu berühren scheinen, da sie nahe aneinander schweben (Abb. 5). Die Vignette rührt zweifellos von Schwind
her. Sie zeigt insbesondere in den zwei seitlichen Gestalten, und zwar sowohl in den Köpfen als in der Art des
Schwebens unverkennbar die Linienführung Schwinds. Der tubablasende Genius hat seinen Vorläufer in den Gräbern
(W. S. 17). Die Mittelfigur steht jener Gestalt auf der obenerwähnten Umschlagzeichnung zu Tausendundeiner Nacht
(W. S. 24) am nächsten.

Schwind war also nur zu jenen Arbeiten am Wiener Shakespeare herangezogen worden, für die man nicht ander-
wärts passende Vorlagen gefunden hatte. Wenn Bauernfeld in den späten Erinnerungen aus Alt- und Neu-Wien Schwind
ganz allgemein als Autor der Vignetten nennt, muß daraufhingewiesen werden, daß in seinen Tagebüchern,'2 die er nach-
her in die Feuilletons umgeschrieben hat, diese Mitteilung noch fehlt. Bauernfeld rühmt sich bezüglich seiner Freund-
schaft mit Schwind »seit unseren Jugendjahren ein beständiger Zeuge und Begleiter seines Strebens und Schaffens«
gewesen zu sein.-0' Diese Mitteilungen waren insgesamt Versuchung genug, die gesamte illustrative Ausstattung der

l William Shakspeare's saemmtliche Dramatische Werke übersetzt im Metrum des Originals in einem Bande. Wien 1826. Druck und Verlag von
J. P. .Sollinger. Titel und Vignetten lithographirt bei Jos. Trentsensky. 4°, 1 Bl. 908 S. (Wiener Stadtbibliothek.) Umschläge der Lieferungen sind mir
nicht zu Gesicht gekommen.

- Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft. Redigiert von Carl Glossy. V. Jahrg. Wien, Verlag von Carl Konegen, 1895.
3 Bauernfeld, Moritz Schwind zum Gedächtnis. In »Nord und Süd« 1877. III. Band.
 
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