Gleichnissprache an und sind als traditionelle Sinnbilder des eitlen Reichtums anzusprechen. So finden wir sie in der
damals allvertrauten »Ars moriendi« angewendet, wo sich meist auf der neunten Tafel dieser Andachtsbücher der
Teufel mit dem Hohnwort an sein Opfer wendet: »Betracht dinen schätz« — »Intende thesauro«, hindeutend auf den
wohlbestellten Stall und vollen Keller, die für den reichen Sterbenden nicht mehr von Nutzen sind (Abb. 5).
Daß Weiditz die »Ars moriendi« kannte und deren Lehrzeichen bewußt verwertete, stünde auch ohne die aus-
drückliche Bestätigung ganz außer Zweifel, welche uns in der Tatsache gegeben ist, daß er zu dem Traktat-Kapitel »Von
einem sorgfeltigen sterbenden menschen« eine vollkommene Ars moriendi-Illustration geschaffen hat (II, Kap. 127,
Abb. 6): Zwei Teufel stehen an dem Bett des Sterbenden. Der eine deckt das Andachtsbild der Kreuzigung mit einem
Tuche zu, um dessen stumme Mahnung abzublenden. Der zweite Teufel deutet auf die Hinterlassenschaft des Sterben-
den: auf Freunde und Verwandtschaft, Stall und Keller, Kornsäcke, Weinfässer und Prunkgeschirre, also auf
das gesamte Inventar der lehrbildlichen Reichtumsattribute, wie es der »Sterbekunst« geläufig war.
Ließ sich das Streitgespräch jenes Traktatkapitels, worin die falsche Hoffnung auf die Erdengüter durch die »Ver-
nunft« zurückgewiesen wird, die ihre Hoffnung aut die unwandelbaren Jenseitsgüter setzt, auch leicht genug in die
Gedankenbahnen der überlieferten »Ars moriendi« einbeziehen, scheint es mir doch, daß noch ein zweiter Stoff in jenen
Abb. 6. Hans Weiditz, Von einem sorgfältigen Sterbenden. Nach dem Holzschnitt im Petrarka.
Holzschnitt eingewoben wurde: Das Thema »Von dem guten und dem schlechten Beter«, in dessen bilderbogen-
hafter Darstellung die alten Lehrsymbole wiederkehren, und zwar in auszugsweiser Kombination mit dem Motiv der
sogenannten »Lasten-Bilder1 (Abb. 7).
Dies volkstümliche Blatt des 15. Jahrhunderts weist uns in seiner linken Hälfte ein Kruzifix, zu dessen beiden
Seiten Beter knien. Links mit dem Rosenkranz ein Ordensmann, von einem Engel überflogen. Rechts drüben eitel auf-
geputzt ein Weltmann, über dessen Kopf ein Teufel flattert. Wendet der gute sich mit dienender Ausschließlichkeit dem
Kruzifixus zu, so spuken in dem Kopf des bösen Beters die Erinnerungen an seinen irdischen Besitz, der auf der rechten
Bildesfläche in einer doppelspaltigen Registratur von sechs Vignetten aufgezählt erscheint. Als fibelhafte Fingerzeige
strahlen von seiner Stirne lange Striche aus, die in das sechsfache Gehäuse seines Reichtums zielen. Die beiden oberen
Felder zeigen links eine Frau, die in den Spiegel schaut (Luxuria), und rechts ein Schlafgemach (Pigritia). Im Mittelstock
steht links ein Tisch mit Kannen und Geschirren (Gula), rechts eine schwere Truhe für die Schätze (Avaritia).
Unten ein Pferdeknecht mit Roß, davor zwei große Fässer und rechts ein schloßartiges Haus (Superbia).
Mit diesem volkstümlichen Bilderbogen stimmt unsere Illustration nicht nur in ihren Einzelattributen überein —
dem ansehnlichen Haus, den Weinfässern, dem Knecht und Pferd, den üppigen Geschirren — sondern auch in der
Lehridee im allgemeinen, welche der Gottergebenheit des frommen Glaubens die Gottvergessenheit des Weltmanns
1 Vgl. Münchner Jahrbuch für bildende Kunst (1921) XII, 1-24, Ph. M. Halm: Ikonographische Studien zum Annen-Seelenkultus.
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damals allvertrauten »Ars moriendi« angewendet, wo sich meist auf der neunten Tafel dieser Andachtsbücher der
Teufel mit dem Hohnwort an sein Opfer wendet: »Betracht dinen schätz« — »Intende thesauro«, hindeutend auf den
wohlbestellten Stall und vollen Keller, die für den reichen Sterbenden nicht mehr von Nutzen sind (Abb. 5).
Daß Weiditz die »Ars moriendi« kannte und deren Lehrzeichen bewußt verwertete, stünde auch ohne die aus-
drückliche Bestätigung ganz außer Zweifel, welche uns in der Tatsache gegeben ist, daß er zu dem Traktat-Kapitel »Von
einem sorgfeltigen sterbenden menschen« eine vollkommene Ars moriendi-Illustration geschaffen hat (II, Kap. 127,
Abb. 6): Zwei Teufel stehen an dem Bett des Sterbenden. Der eine deckt das Andachtsbild der Kreuzigung mit einem
Tuche zu, um dessen stumme Mahnung abzublenden. Der zweite Teufel deutet auf die Hinterlassenschaft des Sterben-
den: auf Freunde und Verwandtschaft, Stall und Keller, Kornsäcke, Weinfässer und Prunkgeschirre, also auf
das gesamte Inventar der lehrbildlichen Reichtumsattribute, wie es der »Sterbekunst« geläufig war.
Ließ sich das Streitgespräch jenes Traktatkapitels, worin die falsche Hoffnung auf die Erdengüter durch die »Ver-
nunft« zurückgewiesen wird, die ihre Hoffnung aut die unwandelbaren Jenseitsgüter setzt, auch leicht genug in die
Gedankenbahnen der überlieferten »Ars moriendi« einbeziehen, scheint es mir doch, daß noch ein zweiter Stoff in jenen
Abb. 6. Hans Weiditz, Von einem sorgfältigen Sterbenden. Nach dem Holzschnitt im Petrarka.
Holzschnitt eingewoben wurde: Das Thema »Von dem guten und dem schlechten Beter«, in dessen bilderbogen-
hafter Darstellung die alten Lehrsymbole wiederkehren, und zwar in auszugsweiser Kombination mit dem Motiv der
sogenannten »Lasten-Bilder1 (Abb. 7).
Dies volkstümliche Blatt des 15. Jahrhunderts weist uns in seiner linken Hälfte ein Kruzifix, zu dessen beiden
Seiten Beter knien. Links mit dem Rosenkranz ein Ordensmann, von einem Engel überflogen. Rechts drüben eitel auf-
geputzt ein Weltmann, über dessen Kopf ein Teufel flattert. Wendet der gute sich mit dienender Ausschließlichkeit dem
Kruzifixus zu, so spuken in dem Kopf des bösen Beters die Erinnerungen an seinen irdischen Besitz, der auf der rechten
Bildesfläche in einer doppelspaltigen Registratur von sechs Vignetten aufgezählt erscheint. Als fibelhafte Fingerzeige
strahlen von seiner Stirne lange Striche aus, die in das sechsfache Gehäuse seines Reichtums zielen. Die beiden oberen
Felder zeigen links eine Frau, die in den Spiegel schaut (Luxuria), und rechts ein Schlafgemach (Pigritia). Im Mittelstock
steht links ein Tisch mit Kannen und Geschirren (Gula), rechts eine schwere Truhe für die Schätze (Avaritia).
Unten ein Pferdeknecht mit Roß, davor zwei große Fässer und rechts ein schloßartiges Haus (Superbia).
Mit diesem volkstümlichen Bilderbogen stimmt unsere Illustration nicht nur in ihren Einzelattributen überein —
dem ansehnlichen Haus, den Weinfässern, dem Knecht und Pferd, den üppigen Geschirren — sondern auch in der
Lehridee im allgemeinen, welche der Gottergebenheit des frommen Glaubens die Gottvergessenheit des Weltmanns
1 Vgl. Münchner Jahrbuch für bildende Kunst (1921) XII, 1-24, Ph. M. Halm: Ikonographische Studien zum Annen-Seelenkultus.
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