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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.6494#0057
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durch einen geistvollen Entwurf einer Gefangennahme Christi zu dem
Cook-Gemälde in Richmond, zu dem noch anderweitige kompositionelle
Federskizzen sich als Vorarbeiten in der Albertina befinden (Meder, Hz.
a. M. 313 u. 696), durchaus temperamentvolle Arbeiten seiner Jugend-
zeit. — Ein dritter hervorragender Künstler flämischer Geburt, Adriaen
Brouwer, führt uns auf Tafel 17 seine unverkennbaren typischen
Skizzen vor, hier zu Zahnbrechern und Scharlatanen, Bewegungsmotive,
die mehr das Momentane der Aktion als die Formgebung beabsichtigen
und betonen. Brouwer will nie als Zeichner gelten, er ist immer Maler.
Darum müssen auch alle im Sinne Ostades gezeichneten Szenen, die
häufig Brouwers Namen tragen, allzeit aus seinem Zeichnungenbestand
ausgeschieden werden. Wir meinen hier jene echten Typen Adriaen
van Ostades wie auf Tafel 23, »Bauern in der Schenke«, die bald als
Brouwer. bald als Isaac van Ostade gingen, in Wahrheit aber Arbeiten
des Adriaen sind und seiner Jugendzeit entstammen. Pauli hat hier die
alte unrichtige Katalogsbestimmung auf Isaac mit Recht geändert und
zum Vergleich in Nr. 24 mit klugem Bedacht ein Original des letzteren
folgen lassen.

Eine der seltenen Zeichnungen in Sammlungen sowie im Handel
bildet eine Interieurstudie Willem Buytewechs, »Frauen am Kamin«
(Nr. 9), die, datiert mit 1617, für die Entwicklungsgeschichte des Genre-
bildes von Bedeutung ist. In einem zweiten Exemplar dieses Motivs
(Muller, Vente 11. VI. 1912, Nr. 52) finden wir noch alles Zufällige der
Lokalstudie, während das Hamburger Blatt die vollendete und geklärte
und darum auch signierte Bildkomposition darstellt.

Von den drei Originalen Rembrandts (Nr. 18—20) ist der
wuchtige Entwurf zu einem heiligen Hieronymus in der Wüste, und zwar
zur Radierung B. 104 aus der Zeit um 1653, wohl der bekannteste und
bedeutendste. Der Vergleich zwischen Entwurf und Verwendung läßt er-
kennen, wie das Figürliche in der Radierung standhielt, der landschaft-
liche Vorder- und Hintergrund aber durch die Einfügung des schräg-
gestellten Baumes wesentlich umgearbeitet wurde. Selbst die Beleuch-
tung erfuhr in ihren Effekten eine ganz entgegengesetzte Wirkung. Die
Bemerkung bei Seidlitz (Rembrandt, Radierungen), daß sich in Hamburg
»eine genau gegenseitige Zeichnung« befinde, entspricht somit nicht
den Tatsachen. Von den beiden folgenden Landschaften trägt nur jene
auf Tafel 19, »Allee«, das unzweifelhafte Gepräge der Meisterhand,
während die Baumgruppe am Eingang eines Gehöftes (Nr. 20) eine
abweichende Struktur zeigt, die aber doch nicht so ausgesprochen auf
einen anderen Namen, etwa auf Livens, Leupenius oder Fu rneri us hin-
weisen könnte. Gerade der letztere, dessen Zeichnungen gleich jenen
anderer Nachahmer erst durch eine strenge Stilkritik aus dem mit Schul-
gut überfüllten Werke Rembrandts ausgeschieden werden, eine Arbeit,
der sich seit einigen Jahren Gustav Falck in Kopenhagen unterzieht, ist
in der Prestel-Mappe durch ein Gehöft unter Bäumen repräsentiert
(Nr. 21), um seine Eigenart kennenzulernen. Ohne dieselbe anzweifeln
zu wollen, müssen wir doch an die Oxforder Landschaft >Ansicht von
Amsterdam« erinnern, die in alter Schrift die Signatur: a furnc rius
überliefert und einen überraschend keckeren Strich offenbart.

Die Landschafter sind entsprechend der holländischen Schule sonst
noch reich vertreten. Wir erwähnen zunächst den seltenen Cornelis
Vroom (Nr. 15), der uns nur wenige Zeugnisse seiner eigenartigen,
feingestrichelten Federzeichnungen in Braun und Grün hinterlassen hat.
Die Albertina rühmt sich, deren drei zu besitzen, von denen eine signiert ist.

Von Van Goyen wurden drei Zeichnungen publiziert, von denen
wir nur Nr. 13, eine brillant skizzierte »Dorfstraße« vom Jahre 1649, und
Nr. 11, »Kartenspielende Bauern« vom Jahre 1624, mit gutem Gewissen
als eigenhändig anerkennen dürfen. Letztere mit der ungewöhnlichen Sig-
natur J. V. GOIEN und der gröberen abweichenden Formgebung erweckt
zwar im ersten Anblick gewisse Bedenken, die sich aber aufhellen, wenn
man den Jugendstil des Künstlers, das ist die starke Beeinflussung durch
Esaias van de Velde in der Zeit von 1616-1618 und noch darüber hinaus,
als er wieder nach Leiden zurückgekehrt, in Betracht zieht. Zur weiteren
Bekräftigung läßt sich noch eine zweite Zeichnung, »Tanz um den Mai-
baum« (Auktion Muller, Amsterdam Ii./VI. 1912), heranziehen, die

gleiche Signatur, ein gleiches frühes Datum, 1625, und gleichen Stil auf-
weist.! Dagegen ist die Zeichnung auf Tafel 12. »Buden im Dorf«, die
ehemals A. v. d. Kabel zugeschrieben war, als Van Goyen unbedingt
abzulehnen. Ob die am unteren linken Rande deutlich geschriebene
Signatur: v. d. Kabel ihre Berechtigung hat oder nicht, jedenfalls liegt
hier eine strichmäßige Kopie nach Van Goyen vor. Das Schlappige in
jeder Linie, besonders in der Gruppe links vorne, das merkwürdige,
krummbeinige Pferd sind deutliche Hinweise, den Namen eines hervor-
ragenden Zeichners damit nicht in Verbindung zu bringen. — Ebenso
erweckt die Benennung von Nr. 10 mit Esaias van de Velde ein Be-
fremden. Die ziemlich häufigen, und zwar fast immer voll signierten,
weich gewischten Studien weichen von der vorliegenden gestrichelten und
punktierter. Behandlung wesentlich ab. — Esaias' zweiter Schüler, Pieter
Molyn, der uns in seinen Zeichnungen immer als der gleichbleibende
erscheint, immer sympathisch und ordentlich und etwas an Van Goyen
gemahnend, zeigt auch in dem Hamburger Blatt (Nr. 14) den gleichen Stil.
Die häufig auftauchenden Landschaften, alle signiert, entstammen wohl
gleichformatigen Skizzenbüchern.

Jakob van Ruisdael glänzt durch eine Ansicht des Schlosses
Kostverlooren an der Amstel und durch eine Neuerwerbung einer virtuos
gezeichneten und gewischten Dünenlandschaft (Nr. 30 und 31). Man
braucht nur zu dem letzteren Stück ein thematisch gleiches von A. Cuyp
aus derselben Mappe zum Vergleich heranzuziehen (Nr. 27), um
trotz der sich hier geltend machenden Qualität die Meisterschaft Ruisdaels
bewundernd festzustellen. Er ist von all den tüchtigen holländischen
Landschaftern der fortschrittlichste und — vom heutigen Standpunkt ge-
sprochen — der modernste. Von A. Cuyp befindet sich noch eine
Gebirgslandschaft (Nr. 28) in dieser Folge, die in Bezug auf die Tonwerte
die obengenannte allerdings weit übertrifft, aber trotzdem die Härte der
scharfumreißenden Kreide nicht vermissen läßt. Was für Ruisdael das
fließende Licht, ist für Cuyp die Festigkeit des Aufbaues und der Formen.

Aus der Amsterdamer Schule folgen noch Roeland Roghman,
eine Berglandschaft (Nr. 25), die unter dem Einfluß zweier Großen wie
alle seine vielen Naturausschnitte entstand, dem Rembrandts und Her-
kules Seghers', mit Beleuchtungsgegensätzen und kompositioneilen
Eigenheiten, die diese oft an Prospekte erinnernden Berg- und Felsmotive
kennzeichnen. — Aert van der Neer, eine seiner typischen Kanal-
landschaften bei Mondschein (Nr. 16), in flotter Pinselführung. All aert
van Everdingen. eine kalte, nordische Winterlandschaft (Nr. 29), ein
prächtiger Jan Hackaert, ein Berchem-Motiv (Nr. 32) und eine »Ideale
Landschaft« mit akademischem Charakter von JanvanHuysum (Nr. 35)
beenden den technisch immer individuellen Reigen holländischer Land-
schaftszeichner.

Weniger charakteristisch und zahlreich sind figurale Studien und
Porträte vertreten, die gerade in der holländischen Schule bedeutende
Zeichner aufweisen, und wir nehmen an, daß die nächste Mappe hiefür
die Ergänzungen bringen werde. Doch gibt ein stark skurzierter weib-
licher Liegeakt, dem Jakob Adriaensz Backer zugeschrieben, einen
guten Beleg ab (Nr. 22). Die Attribution steht nicht fest. Gut beglaubigte
Backer-Figuren in der Albertina, durch klare Schattierungsrichtungen,
scharf umfahrende Konturen und übertrieben plastische Gegensätze
charakterisiert, lassen sich mit diesen weich und üppig modellierten
Körperformen eines schlummernden Mädchens schwer vereinigen. (Vgl.
Meder, Hz. a. M., Nr. 518, 950, 1301.) Eine zweite Studie steht Gabriel
Metsu nahe, »Magd mit Staubwedel« (Nr. 33), die mit dem Berliner
Bilde einer Köchin einen gewissen Zusammenhang hat. Von Porträten hat
der Herausgeber nur eine fein ausgeführte Bildnisstudie zur Auswahl
gebracht, und zwar die Halbfigur des betagten Willem van Mieris, ge-
zeichnet von seinem Sohne Frans van Mieris d. J. (Nr. 36). Ein außer-
ordentlich sicherer Pinselentwurf zu kämpfenden Hähnen von Melchior
D'Hondecoeter (Nr. 34) und eine gute Rötelkomposition zu einem
Jagdstilleben von Jan Fyt (Nr. 8) beschließen in der Reihe der Bespre-
chung die interessante Folge.

Als besonders wünschenswert würden wir die Angabe der
Wasserzeichen, soweit dieselben festzustellen sind, betonen. So wie bei

i Ebenso sind auch die Bilder der zwanziger Jahre signiert, siehe Wurzbach >

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