Offenbarung einzurangieren. Eine Untersuchung, die sich derartig in die
blutleere Luft des Nur-Spirituellen verflüchtigt, läuft Gefahr, den Boden
sinnlicher Gegebenheit unter sich zu verlieren und in einen scholastischen
Konstruktivismus zu münden, bei dem alle Beweisbarkeit aufhört. Gerade
dies wirkt bei der anschauungserfüllten und, bei allem strengen Form-
willen, doch so wirklichkeitsnahen Kunst eines Pietcr Bruegel ganz
besonders peinlich.
Die Ergebnisse der eigentlichen kunstwissenschaftlichen
Bearbeitung des Themas sind im kritischen Teil des Anhangs niedergelegt.
In diesem hat Tolnai, trotz seiner Fehdeansage an die Fachwissenschaft
im Vorwort, doch selber zeigen müssen, daß ein noch so kühnerGedanken-
flug bei Untersuchung künstlerischer Werke der soliden Untermauerung
durch scharfe Seharbeit und Methodik nicht entraten kann. Dem Fach-
mann ist es willkommen, das Corpus dereinwandfreienBruegelzeichnungen
in einem handlichen Format und in sehr guten Abbildungen in Autotypie
vereinigt zu haben und überblicken zu können. Der ganze Exkurs führt
zu beachtlichen Ergebnissen in der Sichtung der Zeichnungen und bringt
auch Neues. Das Verzeichnis von Bastelaer wird durch eine Reihe
prächtiger, neu in die Literatur eingeführter und erstmals abgebildeter
Zeichnungen bereichert. Es sind dies die Tafeln 5, S, 13 (die grandiose
Gebirgswallung im Haager Bredius-Museum) 29, 30, 40, 40 a, 48 (der
Frühling, neuerworben von der Albertina), 53 a, 73, ferner unter den nach
Tolnai auf die Eigenhändigkeit hin zweifelhaften die Blätter der Tafeln
§5—88 (in österreichischem Besitz und in Besancon). Mehrere der bei
Bastelaer nur erwähnten Zeichnungen reproduziert Tolnai zum ersten
Male. Sehr begrüßenswert ist, daß es Verlag und Verfasser ermöglicht
haben, die Zeichnungen in Brüssel, die vor kurzem an nur schwer erreich-
barer Stelle erstmals veröffentlicht wurden, mit unter die Abbildungen auf-
zunehmen. In den Landschaften Tafeln 5—8 sieht der Autor Vorlagen zu
einer geplanten, aber nie zur Ausführung gekommenen ersten gestochenen
Landschaftsfolge. Hiebei wird das bisher ais Kopie nach dem Pariser
Original geltende Londoner Blatt (Tafel 6) in seiner Stellung zu jenem
ausgetauscht und als Original genommen. Von den Vorzeichnungen zur
großen Landschaftsfolge, die chronologisch geordnet wird, erscheint
Tolnai nur die Pariser Zeichnung (Tafel 14 des Werks als Vorlage zu dem
Stich Bastelaer 9) würdig zu sein, als Original zu gelten. Von den Land-
schaftszeichnungen in Dresden wild die in der alten Wocrmann-Publika-
tion unbegreiflicherweise als Domenichino abgebildete erstmals offiziell
ihrem wahren Schöpfer gegeben (Tafel 11). In der Entthronung einer
großen Reihe von Blättern, die in der weitverzweigten Abbildungsliteratur
als Originale gelten, ist der Autor sehr radikal vorgegangen, indem sie sich
ihm im Laufe seiner Studien und durch Autopsie als apokryph erwiesen
haben. Auch hier gibt eine sorgfältige Einzelzusammenstellung genaue
Auskunft. Thematisch werden diese zahlreichen Blätter gesichtet je nach
ihrer engeren oder freieren Anlehnung an die zweifellos echten Zeichnungen
Bruegcls der verschiedenen LandschaftsfoIgen und von Einzelfiguren.
Einiges weitere wird völlig verworfen.
Dies bedingt beträchtliche Streichungen aus den Reihen der bei
Friedländer (in seiner »Propylaenmonographie«) und Bastelaer als Originale
aufgeführten und teils abgebildeten Zeichnungen. Mag auch in manchen
dabei eine Hyperkritik gewaltet haben (meines Erachtens gilt das z. B. für
die Berliner Zeichnung von 1554, abgebildet in der Marees-Mappe > Bruegel«,
Tafel 3), so scheint die »Säuberungsaktion« in ihren Resultaten mehrfach
doch zu Recht zu bestehen und hat zu erwünschter Klärung über den
Zeichner Bruegel geführt. Die umfangreiche Stichfolge der kleinen Land-
schaften, deren Vorlagen Fricdländer, Bastclaer und Romdahl als von
Bruegel stammend erklärten, L. Burchard und Baldass dem Comelis Cort
zuwiesen, setzt Tolnai in den Kreis des Cornelis Massys und kann zu den
vier bisher, wenn auch mit anderen Zuschreibungen bekannten Vorzeich-
nungen zu dieser Serie noch zwei weitere in Frankfurt und Dresden
nachweisen. Thomas Muchall-Vtebrook.
Detlev Freiherr von Hadeln: Zeichnungen des
Giacomo Tintoretto. Zeichnungen des Tizian. Vene-
zianische Zeichnungen des Quattrocento. 3 Bande. Bei Paul
Cassirer. Berlin MCMXXII, MCMXXIV, MCMXXV.
Drei stattliche Bände in handlichem Jahrbuchformat, die 72, bzw.
44 und 91 große Lichtdrucktafeln mit vorzüglichen Zeichnungsreproduk-
tionen enthalten, liegen vor uns. Sie bilden jeder ein geschlossenes Ganzes
und doch wieder den Teil eines größeren Unternehmens, das abgeschlossen
ein neues größeres Ganzes bilden wird, und bedeuten eine der wenigen
wirklichen und wesentlichen Bereicherungen unserer neueren kunst-
geschichtlichen Materialliteratur.
Venezianische Zeichnungen haben bisher in der Kunstgeschichte
eine sehr untergeordnete Rolle gespielt. Die Ursache lag erstens in dem
Umstand, daß sich von den meisten Künstlern Venedigs mit Ausnahme
vom alten Jacopo Bellini und von Tintoretto nur verhältnismäßig wenige
Blätter erhalten haben, die zum Teil sogar unerkannt in Kabinetten
schlummerten, und zweitens in dem Umstand, daß, diese beiden
Meister ausgenommen, die Zeichnung für die venezianische Kunst lange
nicht dieselbe Bedeutung zu haben schien wie für die anderen ita-
lienischen Schulen, vor allem die von Florenz, aber auch für die von
Umbrien, von Mailand und Parma. Nun hat Detlev von Hadeln zuerst eine
Auswahl der schönsten gesicherten Zeichnungen Tintorettos heraus-
gegeben, dann gesammelt, was sich an Zeichnungen Tizian zuschreiben
ließ und schließlich was an Zeichnungen derQuattrocentisten nach Jacopo
Bellini, von dessen beiden großen Skizzenbüchern ja Publikationen vor-
liegen, aufzutreiben war. Es erscheint geboten, diese Bände nach der
Zeit ihres Entstehens und Erscheinens, also in umgekehrter chronologischer
Reihenfolge, zu besprechen.
Welch ungemein wichtige Bedeutung die Zeichnung im Werke
Tintorettos hat und wie sie im Werdeprozeß seiner großen Komposi-
tionen eine führende Rolle spielt und also einen Schlüssel zum Ver-
ständnis seines Schaffens bietet, ist eine ganz junge Erkenntnis, die
wir Hadeln verdanken, der in einem seiner knappen, streng sachlichen
Aufsätze über den Meister, J dessen Studium er sich zur Lebensaufgabe
gemacht hat, gestützt auf die Berichte der Quellenschriftsteller Ridolfi
und Boschini, die noch durch eine enge Werkstatttradition mit der Arbeits-
manier Tintorettos vertraut waren, dies uns auseinandersetzte. Danach
hat Tintoretto, der als erster in Venedig mit dem alten Flächenstil brach
und seine figurenreichen Kompositionen in vollplastischer Körperlichkeit
in die Raumtiefe entwickelte, diese Kompositionen zuerst mit Wachs-
figürchen auf eine Bühne gestellt und das so gewonnene räumliche Bild
dann gestützt durch ein vor der- Bühne aufgespanntes Fadennetz auf
die rastrierte Leinwand übertragen. Hadeln hat nun festgestellt, daß die
Zeichnungen Tintorettos in zwei Gruppen zerfallen, in Zeichnungen nach
Gipsabgüssen antiker und moderner (Michelangelo) Plastiken, an denen
der Meister sich immer wieder schulte, und in Zeichnungen, die als Vor-
bereitung der Gemälde dienten. Von diesen nun sind nur einige wenige,
und zwar frühe, Kompositionszeichnungen, die übrigen sind Einzel-
figuren, und zwar Bewegungsstudien, zum größten Teil Akte, zum
kleineren Gewandfiguren, die gleichfalls rastriert sind. Hadeln hat bei
einer ganzen Anzahl dieser Zeichnungen ihre Verwendung auf Gemälden
des Tintoretto nachweisen können und daraus mit Recht geschlossen,
daß der Meister sich vor dem nackten männlichen Körper eine Rechen-
schaft über die einzelne Bewegung gab, bevor er die auf der Bühne
gestellte Komposition auf die rastrierte Leinwand übertrug. Die Ent-
deckung, die man bei der Rentoilierung der großen Kreuzigung im
Albergo der Scuola di San Rocco machte, daß nämlich Tintoretto die
Komposition zuerst mit Aktfiguren auf die Leinwand gezeichnet und
die Gestalten erst nachher bekleidet hatte, schloß die Kette des Beweises.
Nur ganz wenige Zeichnungen offenbaren sich als detaillierte, durchge-
bildete Naturstudien, die nicht zur Verwendung im Bilde gedacht sind.
Der vorliegende Band gewährt nun eine recht wohlgelungene
Auswahl der Zeichnungen, die nach Hadeln als gesicherte Blätter
Tintorettos angesehen werden können, vermehrt um eine Schüler-
zeichnung und einen Entwurf Domenicos, die den gewaltigen Abstand
der Schulmache von dem eigenhändigen Material klarlegen sollen. Nach
i Zeichnungen des Tintoretto, Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen. XL1I. Berlin 1921, S. 82 ff. und 169 ff.
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dies wirkt bei der anschauungserfüllten und, bei allem strengen Form-
willen, doch so wirklichkeitsnahen Kunst eines Pietcr Bruegel ganz
besonders peinlich.
Die Ergebnisse der eigentlichen kunstwissenschaftlichen
Bearbeitung des Themas sind im kritischen Teil des Anhangs niedergelegt.
In diesem hat Tolnai, trotz seiner Fehdeansage an die Fachwissenschaft
im Vorwort, doch selber zeigen müssen, daß ein noch so kühnerGedanken-
flug bei Untersuchung künstlerischer Werke der soliden Untermauerung
durch scharfe Seharbeit und Methodik nicht entraten kann. Dem Fach-
mann ist es willkommen, das Corpus dereinwandfreienBruegelzeichnungen
in einem handlichen Format und in sehr guten Abbildungen in Autotypie
vereinigt zu haben und überblicken zu können. Der ganze Exkurs führt
zu beachtlichen Ergebnissen in der Sichtung der Zeichnungen und bringt
auch Neues. Das Verzeichnis von Bastelaer wird durch eine Reihe
prächtiger, neu in die Literatur eingeführter und erstmals abgebildeter
Zeichnungen bereichert. Es sind dies die Tafeln 5, S, 13 (die grandiose
Gebirgswallung im Haager Bredius-Museum) 29, 30, 40, 40 a, 48 (der
Frühling, neuerworben von der Albertina), 53 a, 73, ferner unter den nach
Tolnai auf die Eigenhändigkeit hin zweifelhaften die Blätter der Tafeln
§5—88 (in österreichischem Besitz und in Besancon). Mehrere der bei
Bastelaer nur erwähnten Zeichnungen reproduziert Tolnai zum ersten
Male. Sehr begrüßenswert ist, daß es Verlag und Verfasser ermöglicht
haben, die Zeichnungen in Brüssel, die vor kurzem an nur schwer erreich-
barer Stelle erstmals veröffentlicht wurden, mit unter die Abbildungen auf-
zunehmen. In den Landschaften Tafeln 5—8 sieht der Autor Vorlagen zu
einer geplanten, aber nie zur Ausführung gekommenen ersten gestochenen
Landschaftsfolge. Hiebei wird das bisher ais Kopie nach dem Pariser
Original geltende Londoner Blatt (Tafel 6) in seiner Stellung zu jenem
ausgetauscht und als Original genommen. Von den Vorzeichnungen zur
großen Landschaftsfolge, die chronologisch geordnet wird, erscheint
Tolnai nur die Pariser Zeichnung (Tafel 14 des Werks als Vorlage zu dem
Stich Bastelaer 9) würdig zu sein, als Original zu gelten. Von den Land-
schaftszeichnungen in Dresden wild die in der alten Wocrmann-Publika-
tion unbegreiflicherweise als Domenichino abgebildete erstmals offiziell
ihrem wahren Schöpfer gegeben (Tafel 11). In der Entthronung einer
großen Reihe von Blättern, die in der weitverzweigten Abbildungsliteratur
als Originale gelten, ist der Autor sehr radikal vorgegangen, indem sie sich
ihm im Laufe seiner Studien und durch Autopsie als apokryph erwiesen
haben. Auch hier gibt eine sorgfältige Einzelzusammenstellung genaue
Auskunft. Thematisch werden diese zahlreichen Blätter gesichtet je nach
ihrer engeren oder freieren Anlehnung an die zweifellos echten Zeichnungen
Bruegcls der verschiedenen LandschaftsfoIgen und von Einzelfiguren.
Einiges weitere wird völlig verworfen.
Dies bedingt beträchtliche Streichungen aus den Reihen der bei
Friedländer (in seiner »Propylaenmonographie«) und Bastelaer als Originale
aufgeführten und teils abgebildeten Zeichnungen. Mag auch in manchen
dabei eine Hyperkritik gewaltet haben (meines Erachtens gilt das z. B. für
die Berliner Zeichnung von 1554, abgebildet in der Marees-Mappe > Bruegel«,
Tafel 3), so scheint die »Säuberungsaktion« in ihren Resultaten mehrfach
doch zu Recht zu bestehen und hat zu erwünschter Klärung über den
Zeichner Bruegel geführt. Die umfangreiche Stichfolge der kleinen Land-
schaften, deren Vorlagen Fricdländer, Bastclaer und Romdahl als von
Bruegel stammend erklärten, L. Burchard und Baldass dem Comelis Cort
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vier bisher, wenn auch mit anderen Zuschreibungen bekannten Vorzeich-
nungen zu dieser Serie noch zwei weitere in Frankfurt und Dresden
nachweisen. Thomas Muchall-Vtebrook.
Detlev Freiherr von Hadeln: Zeichnungen des
Giacomo Tintoretto. Zeichnungen des Tizian. Vene-
zianische Zeichnungen des Quattrocento. 3 Bande. Bei Paul
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