um einige äußerliche Anregungen — den Elch oder
Hirsch zwischen den Stämmen, die beiden botanischen
Phänomene des Drachen- und Palmbaumes — und
auch bei diesen ist es zweifelhaft, ob Dürer sie dem
Stich entnommen hat und nicht dabei den Holzschnitt
Adam und Eva aus der Schedeischen Weltchronik
von 1494 in Erinnerung hatte, der ihm gewiß geläufig
war: es stehen die beiden exotischen Bäume ähnlich
aufrecht darin wie auf Dürers »Flucht nach Ägyp-
ten« ... und außer diesen ganz äußerlichen Anklängen
zeigt DürersBlatt mit dem desSchongauer keine engere
Berührung als irgend ein anderes der Frühzeit Dürers
mit dem Werk des verehrten Vorläufers. Ist es doch
auch ein anderes Thema, das Dürer behandelt, die
Flucht nach Ägypten und nicht wie Schongauer: die
Ruhe auf der Flucht; bei Dürer trottet der Esel, wandert
der Nährvater, stehen die Bäume — bei Schongauer
grast der Esel und Engel biegen die Palme nieder,
deren Früchte dann der Nährvater pflücken kann.
Da steht der Holzschnitt Dürers der Komposition des
Monogrammisten viel näher — aber wie er auch hier
die wesentlicheren Anregungen umwandelt, beweist
wieder die selbstherrliche Freiheit seines Genies.
Beim Monogrammisten war der Ochse nur ein
gegenständliches Motiv, Dürer schöpft aus diesem ge-
genständlichenMotiv allen Ausdruck, den seine formale
Erscheinung ermöglicht. Wenn auf dem Stich die Sil-
houette des Ochsen zum Beispiel abgedeckt wird, so
macht es kaum einen Unterschied in der Gesamt-
haltung der Gruppe; wenn man es aber beim Holz-
schnitt Dürers versucht, so wird es augenscheinlich,
wie notwendig diese Silhouette für die Komposition ist,
wie durch sie erst das federnde Sitzen der Madonna
ermöglicht wird, das ohne diese beruhigende Kulisse
Schwindel erregen würde. Das Schreitmotiv des Josef
und seine Kleidung nützt Dürer aus, um die breitspurige, biederschwerfällige Rolle des Nährvaters zu charakterisieren.
Endlich die dunkle Bodenwelle rechts auf dem Stich, mit dem leicht ansteigenden Weg dahinter, hat Dürer zum
dunklen Wasser, über das die Brücke führt, determiniert und dadurch die Stimmung von Wald und Wandern verstärkt.
Was ist da noch von der älteren Vorlage übriggeblieben?1 Trotz allen kompositioneilen Übereinstimmungen doch nur
— wie der Steinbock auf dem Sündenfall — der kleine Rest einer ikonographischen Anregung — ein so kleiner Rest,
daß der Zusammenhang des Holzschnittes mit dem Stich so lange Zeit unerkannt bleiben konnte. E. Tietze-Conrat.
Albrecht Dürer, Die Flucht nach Ägypten. iAus dem
Xach dem Holzschnitt.
»Marienleben« B.
Beiträge zur Nürnberger Buchillustration.
Im Anschluß an H. Röttinger, ».Erhard Schön und Niklas Stör, der Pseudo-Schön. Zwei Untersuchungen zur Geschichte
des alten Nürnberger Holzschnittes« (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 229, Straßburg 1925, J. H. Ed. Heitz).
Röttingers Werk, das ich an anderer Stelle in seiner Gesamtheit würdigen konnte, gibt für die Geschichte der
Nürnberger Buchillustration neue wichtige Grundlagen. Es ist Röttinger zu danken, daß er sich entschlossen hat, sein
1 Man könnte dieselbe Frage vor dem Holzschnitt des Boldrini (Baseggio, p. 37, Nr. 23) stellen, der wieder ein halbes Jahrhundert später Dürers
Figurengruppe aus dem Märchemvald herausgehoben und sie (linksverkehrt) in eine weite Landschaft von dem ausgewogenen Wohlklang Tizians
eingesetzt hat. Der ikonographisch seltsame Ochse wurde bei dieser Verallgemeinerung wieder abgestoßen . . .
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Hirsch zwischen den Stämmen, die beiden botanischen
Phänomene des Drachen- und Palmbaumes — und
auch bei diesen ist es zweifelhaft, ob Dürer sie dem
Stich entnommen hat und nicht dabei den Holzschnitt
Adam und Eva aus der Schedeischen Weltchronik
von 1494 in Erinnerung hatte, der ihm gewiß geläufig
war: es stehen die beiden exotischen Bäume ähnlich
aufrecht darin wie auf Dürers »Flucht nach Ägyp-
ten« ... und außer diesen ganz äußerlichen Anklängen
zeigt DürersBlatt mit dem desSchongauer keine engere
Berührung als irgend ein anderes der Frühzeit Dürers
mit dem Werk des verehrten Vorläufers. Ist es doch
auch ein anderes Thema, das Dürer behandelt, die
Flucht nach Ägypten und nicht wie Schongauer: die
Ruhe auf der Flucht; bei Dürer trottet der Esel, wandert
der Nährvater, stehen die Bäume — bei Schongauer
grast der Esel und Engel biegen die Palme nieder,
deren Früchte dann der Nährvater pflücken kann.
Da steht der Holzschnitt Dürers der Komposition des
Monogrammisten viel näher — aber wie er auch hier
die wesentlicheren Anregungen umwandelt, beweist
wieder die selbstherrliche Freiheit seines Genies.
Beim Monogrammisten war der Ochse nur ein
gegenständliches Motiv, Dürer schöpft aus diesem ge-
genständlichenMotiv allen Ausdruck, den seine formale
Erscheinung ermöglicht. Wenn auf dem Stich die Sil-
houette des Ochsen zum Beispiel abgedeckt wird, so
macht es kaum einen Unterschied in der Gesamt-
haltung der Gruppe; wenn man es aber beim Holz-
schnitt Dürers versucht, so wird es augenscheinlich,
wie notwendig diese Silhouette für die Komposition ist,
wie durch sie erst das federnde Sitzen der Madonna
ermöglicht wird, das ohne diese beruhigende Kulisse
Schwindel erregen würde. Das Schreitmotiv des Josef
und seine Kleidung nützt Dürer aus, um die breitspurige, biederschwerfällige Rolle des Nährvaters zu charakterisieren.
Endlich die dunkle Bodenwelle rechts auf dem Stich, mit dem leicht ansteigenden Weg dahinter, hat Dürer zum
dunklen Wasser, über das die Brücke führt, determiniert und dadurch die Stimmung von Wald und Wandern verstärkt.
Was ist da noch von der älteren Vorlage übriggeblieben?1 Trotz allen kompositioneilen Übereinstimmungen doch nur
— wie der Steinbock auf dem Sündenfall — der kleine Rest einer ikonographischen Anregung — ein so kleiner Rest,
daß der Zusammenhang des Holzschnittes mit dem Stich so lange Zeit unerkannt bleiben konnte. E. Tietze-Conrat.
Albrecht Dürer, Die Flucht nach Ägypten. iAus dem
Xach dem Holzschnitt.
»Marienleben« B.
Beiträge zur Nürnberger Buchillustration.
Im Anschluß an H. Röttinger, ».Erhard Schön und Niklas Stör, der Pseudo-Schön. Zwei Untersuchungen zur Geschichte
des alten Nürnberger Holzschnittes« (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 229, Straßburg 1925, J. H. Ed. Heitz).
Röttingers Werk, das ich an anderer Stelle in seiner Gesamtheit würdigen konnte, gibt für die Geschichte der
Nürnberger Buchillustration neue wichtige Grundlagen. Es ist Röttinger zu danken, daß er sich entschlossen hat, sein
1 Man könnte dieselbe Frage vor dem Holzschnitt des Boldrini (Baseggio, p. 37, Nr. 23) stellen, der wieder ein halbes Jahrhundert später Dürers
Figurengruppe aus dem Märchemvald herausgehoben und sie (linksverkehrt) in eine weite Landschaft von dem ausgewogenen Wohlklang Tizians
eingesetzt hat. Der ikonographisch seltsame Ochse wurde bei dieser Verallgemeinerung wieder abgestoßen . . .
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