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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.6492#0044
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verschiedenartigsten Schilde, Wappen, Fürstenkronen, Sprüche, Devisen und Embleme,1 verbunden mit reichem Orna-
mentschmuck. Angefangen von dem primitivsten ältesten Zeichen, dem monogrammartigen »Signum personae«, welches
von dem ursprünglichen Gebrauch des Chrismon abgeleitet wird und schon vor dem X. Jahrhundert bei notariellen
Akten allgemein Verwendung fand, bis zu den komplizierteren und der künstlerischen Entwicklung entsprechend voll-
kommener ausgebildeten Formen des XV. und XVI. Jahrhunderts, sind alle diese Merkmale gerade für die typographi-
schen Zeichen besonders charakteristisch.

Allerdings ist die Tatsache sehr bemerkenswert, daß von den genannten Holzschnitten kein einziges Blatt mit
einem bereits bekannten Exemplar dieser Art übereinstimmt und daß sich keiner der erwähnten Xamen mit einer der
altberühmten und in der reichhaltigen Literatur über dieses Thema bereits erwähnten Firmen oder Druckereien identifi-
zieren läßt.2 Übrigens braucht man nur die Maße der vorliegenden Holzschnitte in Betracht zu ziehen, um einzusehen, daß
sie nicht als typographische Zeichen im üblichen Sinne gedient haben können. Es gibt allerdings Beispiele solcher Art,
deren Dimensionen sehr beträchtlich sind, da die Blätter dazu bestimmt waren, eine ganze oder nahezu eine ganze Seite
einzunehmen. Ich erwähne nur das prachtvolle Blatt des Sieneser Buchhändlers Simione di Nicola, welches in der Aus-
gabe des Palladio Rutilio von 1526 enthalten ist und das Wappen mit den Emblemen der Stadt Siena inmitten einer
reichen und geschmackvollen ornamentalen Komposition darstellt. Aber auch in solchen sehr seltenen Fällen kommen
die Größenverhältnisse dieser Blätter nicht annähernd den überraschenden Dimensionen unserer Holzschnitte gleich, von
denen nur die wenigsten auf einer einzelnen Buchseite selbst bei denkbar größtem Format entsprechend Platz fänden.
Aus demselben Grunde erscheint auch die Verwendung der vorliegenden Holzschnitte als Exlibris, wie sie allmählich
in Deutschland und anderwärts gleichzeitig und im Zusammenhang mit der Entwicklung der Buchdruckerkunst ent-
standen und von den ersten primitiven Buchzeichen inspiriert wurden, so gut wie ausgeschlossen. Ebensowenig
begründet wäre die Annahme, daß hier etwa Firmenzeichen einer italienischen Papiermanufaktur vorliegen könnten. Es
fehlt hiezu jeder Anhaltspunkt und überdies sind die Firmenzeichen unserer italienischen Papiermühlen sowie derjenigen
des Auslandes alle hinlänglich bekannt und stimmen durchaus nicht mit den figürlichen Darstellungen der vorliegenden
Holzschnitte überein. Ebensowenig kann es sich um mit Holzschnitten verzierte Buchumschläge handeln, die im XV.
und XVI. Jahrhundert sowohl in Italien als auch in Deutschland sehr selten nachzuweisen sind. Außerdem haben gerade
diese Buchumschläge, die Baer gewissenhaft beschrieben und dem allgemeinen Studium zugänglich gemacht hat,3 mit
den vorliegenden Blättern nicht die geringste Verwandtschaft.

Aber wenn auch alle genannten Gründe gegen die Verwendung der vorliegenden Holzschnitte als typographische
Firmenzeichen, Exlibris oder illustrierte Buchumschläge sprechen, so ist doch andererseits ihre Bestimmung als »Signum

1 Paul Delalaine verficht in seinem Werk »Inventaires des marques d'imprimeurs et de libraires« (fasc. 3°) eine neue geistreiche Hypothese,
um für diese Buchzeichen eine entsprechende Erklärung zu linden, indem er ihnen die Bedeutung von Talismanen oder mystischen Symbolen
irgendwelcher geheimen Gesellschaften zuschreibt, wonach die Anzahl der Vertikal- oder Grundstriche dem Grade oder der Rangstufe der betreffenden
Korporation entsprechen sollte. Aber es ist wohl unnötig, zu so heiklen Konjekturen seine Zuflucht zu nehmen, da die Bedeutung dieser Zeichen sich
gewiß einfacher erklären Läßt und offenbar mit einer weitverbreiteten handwerklichen und geschäftlichen Gepflogenheit der Zeit zusammenhängt.

»Der erste Buchdrucker,« — so schreiben Bertar elli und Pri or in ihrem ausgezeichneten Werke -Gli ex-libris [taliani« (Milano, Hoepli, 1902) —
»der seine Bücher anzeigen wollte, folgte in der Tat nur dem Vorbild der anderen zeitgenössischen Industrien. Nach einem alten Zunftgesetz, das
bereits aus dem XIII. Jahrhundert stammte, durften sogenannte Firmenstempel (Zeichen) nur in ganz bestimmten Fällen zur Anwendung kommen.
Ursprünglich waren sie wohl als Firmenschilder in Gebrauch, einesteils um die Lage des Geschäftes in Ermanglung einer regelrechten Straßen-
numerierung zu bezeichnen, und andererseits, um das Interesse der Vorübergehenden anzulocken. Später mußte jeder Meister oder Inhaber einer
Firma in einem zu diesem Zwecke eigens beim Zunftgerichte aufbewahrten Buche sein Firmenzeichen angeben und einschreiben lassen. Diese Firmen-
zeichen, die auch die einzelnen Objekte kennzeichnen sollten und mitunter auf dem Einband oder Umschlag selbst angebracht wurden, waren ursprünglich
in sehr einfachen Formen gehalten, damit sie sich dem Publikum leichter einprägten und überall bequem angebracht oder angeheftet werden konnten.
Gewöhnlich bestanden sie aus Monogrammen, verschlungenen Initialen oder aber aus verschiedenartigen figürlichen Darstellungen, teils der Heraldik,
teils der Tierornamentik entnommen. Ein charakteristisches Symbol, das schon zu Beginn dieses neuen Kunstzweiges bei vielen Druckereien Ver-
wendung fand, war die Darstellung der Weltkugel mit dem Kreuze. So wurde für das typographische Zeichen anfänglich dieses primitive geometrische
Symbol gebräuchlich, aber entsprechend der Vervollkommnung der Holzschnittechnik begegnet man später diesem Zeichen bald im Verein mit ver-
schiedenen Exlibris und Firmenzeichen, die reich mit Ornamenten, Emblemen, Wappen usw. verziert wurden, ohne daß eine dieser sekundären
Formen in irgendwelchem ursächlichen Zusammenhang mit dem ursprünglichen typographischen Zeichen gestanden hätte. Sie bildeten sich vielmehr
ganz von selbst, gleichzeitig mit der allgemeinen Entwicklung des Ornamentschnittes und des Buchschmuckes aus«.

2 Es erübrigt sich, die hinlänglich bekannten einschlägigen Werke von Kristeller, Prince d'Essling, Bouchot usw. zu zitieren. Zur
Ergänzung dienen die zahlreichen Monographien, welche die Lokalgeschichte der italienischen Buchdruckerkunst in den einzelnen Provinzen,
Städten und Städtchen, wo das Buchgewerbe besonders in Blüte stand, detailliert beschreiben. Für die Geschichte des Holzschnittes kommen ferner
vor allem die Werke von Schreiber, Muther, Hirt, Bracquemond, Delaborde, Duplessis, Dutuit, Lionello Venturi etc. in Betracht.

Ziemlich reichhaltig ist die Literatur über Wasserzeichen sowie über die Firmenzeichen der keramischen Manufakturen, Schmiedewerkstätten usw.

Es ist überdies von großem Interesse für unser spezielles Thema, daß auf verschiedenen Wasserzeichen die Darstellung der Weltkugel mit
dem Kreuze wiederkehrt. Scheinbar übernahmen die ältesten Druckereien von hier dieses Symbol. Dasselbe Zeichen erscheint auch als Marke der
keramischen Werkstätten von Cafaggiolo und Castel Durante und auf den Arbeiten des sogenannten Mastro Giorgio.

» Leo Baer, »Mit Holzschnitten verzierte Buchumschläge des XV. und XVI. Jahrhunderts; Frankfurt am Main, 1923«. Diese hoch-
interessante Monographie enthält wertvolles bibliographisches Material für das Studium dieser seltenen und geschmackvollen Buchumschläge, die
zu den meistgeschätzten und geradezu einzigartigen Kunstwerken ihrer Art zählen.

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