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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.6492#0052
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II.

Dürers Typ der Rückenfigur des heiligen Josef wird auch von Carpaccio in der Zeichnung »Stephanus vor den
Richtern« (in den Uffizien) übernommen. Ja, neben diesem Josef von B. 81 kommt auf derselben Zeichnung noch eine
zweite Rückenfigur nach Dürer vor, der Namenlose links vorn aus der Schaustellung B. 9.

Der Alte neben dem Josef auf B. 81 wurde noch rechts zu äußerst angeschlossen, und es ist sehr charakteristisch,
wie Carpaccio, dieser überlebte Quattrocentist, dem die unendliche Menge niemals ein Problem wurde, mit dieser Figur,
die bei Dürer noch mitten drin steht, seine Reihe anhebt.

Solche Übernahmen dürfen bei Carpaccio nicht verwundern; in seinem späten Bild der »Begegnung an der goldenen
Pforte« (1515 für S. Francesco in Treviso gemalt, jetzt Venedig, Accademia) schöpft er sogar die Hauptgruppe aus
Dürers Holzschnitt des Marienlebens von 1504 (B. 79), während es sich in unserer Zeichnung doch nur um Nebenfiguren
handelt. Hadeln, der das Blatt in seinen »Venezianischen Zeichnungen des Quattrocento« (Berlin 1925, Tafel 50) veröffent-
licht, setzt eine andre Zeichnung der Uffiziensammlung (Tafel 41) mit zwei Studien von Draperiefiguren zu ihr in
Beziehung. In der Tat erhellen diese beiden Blätter einen sehr wichtigen Prozeß des künstlerischen Schaffens außer-
ordentlich treffend: Carpaccio entwirft zuerst die Gesamtkomposition, wobei er skrupellos aus dem Reservoir seiner
Erinnerungstypen schöpft und darum auch die aus Dürers Musterblättern stammenden Figuren einlaufen läßt. Dann erst
kommt der zweite Schritt; er studiert vor der Natur Figur um Figur, und zwar stellt und drapiert er das Modell annähernd
in der Art des geläufigen Typus und vertieft sich dann in den neuen Einzelfall, von der ihm allgemein vorschwebenden
Erinnerung losstrebend — von Dürer, den er bewußt oder unbewußt im Handgelenk sitzen hat, losstrebend.

Hadeln hält die Gesamtkomposition für eine späte Kopie nach einer Originalzeichnung Carpaccios. Für die uns
hier interessierende Frage ist es gleichgültig, ob die Zeichnung Kopie oder Original ist. E. Tietze-Conrat.

Die ungarische Abstammung Albrecht Dürers.

Die wenigen Worte, welche Albrecht Dürer in der Familienchronik über seine ungarische Abstammung fallen läßt,
haben die ungarischen Forscher seit dem Ende des NVIII. Jahrhunderts immer wieder dazu angeregt, zu versuchen, die
Herkunft des großen Künstlers mit Hilfe der spärlichen Angaben aufzuklären. Zuerst wurde der Name aus dem Worte
»dürr« abgeleitet, und man dachte an einen ursprünglichen Namen Szäraz (Dürrer),1 und diese Vermutung schien ihre
Berechtigung auch in dem Umstand gefunden zu haben, daß sich tatsächlich eine Familie dieses Namens in der Gegend
von Wardein nachweisen ließ.2

Aber schon 1818 taucht die Meinung auf, daß der von Dürer erwähnte Ort Eytas mit dem Dorfe Ajtös, in der Nähe
von Gyula und Wardein identisch sei.3 Dieser wichtige Hinweis blieb aber lange Zeit unbeachtet, und erst am Ende des
Jahrhunderts gelang es Ludwig Haan 1 und Karäcsonyi5 der Ansicht Glauben zu verschaffen, daß Eytas wirklich den
Ort Ajtös bedeutet.

Die weiteren Fragen wurden neuestens6 von Emmerich Lukinich mit wissenschaftlicher Exaktheit in ausführlicher
Weise erörtert. Die erste Frage, ob die Familie, der der Künstler entsprang, eine ungarische gewesen sei, müssen wir mit
einem entschiedenen Ja beantworten. Denn wir wissen gar nichts davon, daß es in dem Komitate Bekes fremde Siedlungen
gegeben habe. Ajtös sowie alle benachbarten Ortschaften hatten im Gegenteil eine rein magyarische Bevölkerung. Der
Name Ajtös aber entstammt dem ungarischen Worte ajtö, was soviel bedeutet, wie Türe. Türer, Dürer ist also ohne
Zweifel eine einfache Übersetzung des Wortes Ajtös. Auch der in der Familie vorkommende Taufname Laszlö, Laszlen
deutet auf ungarischen Ursprung hin.

Die zweite Frage, wie der ursprüngliche Name der Familie gelautet habe, ist schwerer zu beantworten. In der ersten
Zeit der Übersiedlung nach Deutschland ist der Gebrauch des Namens schwankend. Dürers Vater wird »Albrecht, des
Holpers Eidam«, Nikolaus, Laszlens Sohn, hingegen »Niklas Unger«, später »Niklas Thörer« genannt. Es scheint also,
daß man mit den Namen Thürer, Dürer und Unger nur den Ort der Herkunft oder die Nationalität bezeichnen wollte, daß
der Name Türer nicht der Familienname selbst, sondern nur die Übersetzung des Ortsnamens der alten Heimat ist. Denn
obwohl wir es mit vielen Dokumenten beweisen können, daß während des XV. und XVI. Jahrhunderts eine adelige
Familie Namens Ajtösi de Ajtös in der Gegend von Ajtös und Gyula begütert war, konnte der Zusammenhang der Familie
Dürer mit der Familie Ajtösi auf Grund der bisher bekannt gewordenen Dokumente nicht erwiesen werden. Der Umstand
aber, daß man seinerzeit auch eine Familie Szäraz eruieren konnte, mahnt zur Vorsicht.

1 Graf G. Räday, Annalen der Literatur und Kunst usw. 1812. IV. S. 122. — 2 P. Cseplö, Szäzadok 1871. S. 659 und 1872. S. 04.
3 M. Kunics, Tudomanyos Gyüjtemeny 1818. XII. S. 116 und 1819. V. 116. — •» L. Haan, Dürer Albert csalädi neveröl, Bekescsaba, 1878. S. 17—19.
= J. Karäcsonyi, Bekes värmegye törtenete Bd. II. 1896. S. 9—11. — 6 E. Lukinich, Dürer Albert szärmazasa. Szäzadok. 1928. S. 721—732
und Idem, Albrecht Dürers Abstammung. Ungarische Jahrbücher. 1929. I. Heft.
 
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