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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.6492#0054
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Nekrologe.

Fürst Johannes von und zu Liechten-
stein f. — Wilhelm von B o d e f. — Konnten im
Vorjahr zwei Ehrenmitglieder der Gesellschaft, Max Lieber-
mann und William Unger, zum 80. und zum 90. Geburtstag
beglückwünscht werden, so ist im laufenden Jahr der Tod
zweier anderer Ehrenmitglieder zu beklagen. Am 11. Februar
1929 ist in Wien der regierende Fürst Johannes von und zu
Liechtenstein, am l.März 1929 in Berlin Geheimrat Wilhelm
von Bode dahingegangen. Beide erreichten ein außergewöhn-
lich hohes Alter. Bodewurde geboren am 1 O.Dezember 1845,
Fürst Liechtenstein am 5. Oktober 1840. Der Fürst, schon
als Besitzer seiner weltberühmten Galerie, die zum weitaus
größten Teile in seinem Palais in der alten Rossauer Vor-
stadt in Wien untergebracht ist, also auf Grund der Über-
lieferung seines Hauses, ein Freund und Förderer der
Künste und Wissenschaften, hat sich auch unserer Gesell-
schaft gegenüber stets als solcher bewährt. Seit ihrem Be-
stand gehört er ihr als Gründer an, seit 1917 ist er ihr Ehren-
mitglied, ein Werk wie »Die Geschichte und der kritische
Katalog des deutschen, niederländischen und französischen
Kupferstichs im XV. Jahrhundert« von Max Lehrs wurde von
ihmunterstützt.Verdankt der sichgleichfalls eines hohen Rufes
erfreuenden Sammlung von Handzeichnungen des Fürsten
mancher Forscher, der für die Zeitschrift der Gesellschaft
und ihr Beiblatt gearbeitet hat, wissenschaftliche Anregung,
so kann unsere Gesellschaft wieder mit Stolz hervorheben,
daß sie es war, die in Wiedergaben von den Händen so
ausgezeichneter Radierer wie William Ungers und anderer
und mit dem Text eines so hervorragenden Kunstgelehrten
wie Wilhelm Bodes die fürstlich Liechtensteinsche Galerie
1888 bis 1895 in den »Graphischen Künsten«, 1896 als
Buch herausgegeben hat. Daß nach dem Hinscheiden des
Fürsten Johannes von Liechtenstein, dem Graf Hans Wilczek
und Dr. Albert Figdor im Tode vorangegangen sind, der
kleine Kreis altösterreichischer Kunstmäzene großen Stils
beinahe aufgehört hat, zu bestehen, sei nebenher vermerkt.

Auch Wilhelm Bode, der 1908 in der »Neuen Freien
Presse« den Fürsten Liechtenstein als Kunstmäzen ge-
würdigt hat, steht seit vielen Jahren mit unserer Gesellschaft
in Beziehung. 1901 wurde er in ihr Kuratorium gewählt,
1921 zu ihrem Ehrenmitglied ernannt, aber schon 1879 ar-
beitete er am 1. Jahrgang der »Graphischen Künste« mit
(über Adrian van Ostade als Zeichner und Maler), und das
letztemal schrieb er 1908 für den 31. Jahrgang unserer
Zeitschrift, und zwar über Rembrandts Gemälde in der
Berliner Galerie »Susanna und die beiden Alten«. Der An-
laß war die prachtvolle Radierung, die damals William Unger
nach diesem Gemälde angefertigt hat, der letzte Auftrag,
den er für unsere Gesellschaft ausführte. William Unger

war es, der die Verbindung zwischen der Gesellschaft und
Bode hergestellt hatte, war er es doch auch, der, wie wir
seit kurzem aus seinen im Verlag der Gesellschaft er-
schienenen schönen Lebenserinnerungen wissen, es bei
Wilhelm Bodes Vater, einem hohen Justizbeamten in Braun-
schweig, durchgesetzt hatte, daß sich dessen Sohn, der da-
mals schon Referendar war, der Kunstgeschichte als seinem
Lebensberuf zuwenden durfte. Zwischen 1879 und 1908
schrieb Bode für die Gesellschaft eine ganze Reihe wissen-
schaftlicher Arbeiten: über Rembrandts früheste Tätigkeit
(1881), über Adrian Brouwer (1884), über Adrian van de Velde
(1906). Vor allem aber verfaßte er die Texte zu folgenden
von der Gesellschaft herausgegebenen Galeriewerken:
Bilderlese aus kleineren Gemäldesammlungen in Deutsch-
land und Österreich (Galerie Johannes Wesselhoeft in
Hamburg, 1886, und Gemäldegalerie in Oldenburg, 1888),
Die Großherzogliche Gemäldegalerie zu Schwerin (1886 bis
1891 in den »Graphischen Künsten«, 1891 als Buch), Die
fürstlich Liechtensteinsche Galerie in Wien, die bereits ge-
nannt wurde, Die Gemäldesammlung des Herrn Rudolf
Kann in Paris (1900). Aber nicht nur über alte Bilder,
sondern auch über zeitgenössische Kunst hat Wilhelm Bode
im Rahmen unserer Gesellschaft berichtet, so 1890 über die
Berliner Malerradierer Max Klinger, Ernst Moriz Geyger
und Stauffer-Bern und 1895 über Rudolf Henneberg, mit
dem Bode und William Unger befreundet waren.

Die außerordentliche Persönlichkeit Bodes im weiten
Gesamtbereich ihrer vielseitigen und nachhaltigen Wirk-
samkeit zu würdigen oder auch nur zu überblicken, ist hier
nicht der Ort. Aber selbst der verhältnismäßig kleine Aus-
schnitt aus seiner Tätigkeit, der unserer Gesellschaft ge-
widmet war, läßt auf die überragende Bedeutung des Mannes
schließen und er betrifft gerade jenes Gebiet, die hollän-
dische Malerei, auf dem sich der Niederdeutsche Bode am
heimischesten gefühlt hat. Doch sei hier wenigstens kurz
daran erinnert, daß Bode nicht bloß Herausgeber des
Rembrandt-Corpus, sondern auch der Denkmäler der
Renaissanceskulptur Toscanas war, daß er die erste Ge-
schichte der deutschen Plastik verfaßte, daß er ebenso über
orientalische Teppiche wie über italienische Majoliken
schrieb, daß er zugleich Museumsleiter und Forscher und
Sammler und Kenner war, daß er nicht bloß ein ungemein
fruchtbarer Schriftsteller, sondern auch ein höchst erfolg-
reicher Mann der Tat, daß er vor allem eine machtvolle
Persönlichkeit war, die ihr langes Leben schaffensfroh und
kampfbereit bis zum Rande ausgenützt hat, ein Mann, auf
den Deutschland stolz ist und dessen Name auch im Aus-
land, ja in der ganzen gesitteten Welt mit Achtung und Be-
wunderung genannt wird. A . W.
 
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