Abb. 1. Jan de Cock, Durchzug
der Juden durch das Rote Meer. Federzeichnung.
Paris, Louvre.
Zu den zw eifellos originellsten Künstlern,
deren Schaffenszeit in das erste Jahrhundert-
viertel fällt, gehört der in Antwerpen ansässige
Holländer Jan de Cock. Vier Zeichnungen sind
bisher von vier verschiedenen Seiten mit dem
Künstler in Zusammenhang gebracht worden.
Otto Benesch schrieb ihm die Verklärung Christi
des Budapester Museums,1 Max J. Friedländer
ein Opfer Joachims in der Sammlung des Earl
of Pembroke zu Wilton House,2 Paul Wescher
in einem sonst wenig überzeugenden Aufsatze
eine Versuchung des heiligen Antonius im
Leidener Prentenkabinett und an dieses an-
knüpfend J. J.de Gelder3 eine zweite Versuchung
des heiligen Antonius in den Uffizien zu.4 Von
diesen vier Blättern scheinen mir drei, das in
Budapest, das in Leiden und das in Florenz,
von einer Hand zu sein. Die Beurteilung der
Werke Jan de Cocks wird durch eine ungleiche Qualität erschwert. Unter den Gemälden stehen neben Meisterwerken
verhältnismäßig schwache Tafeln, die aber in allen Einzelheiten unbedingt denselben Pinselstrich verraten. Ebenso ist
die Zeichnung der Uffizien offensichtlich lahmer als die beiden andern, zeigt aber doch deutlich dieselbe Handschrift.
Nun liegt in der schönen Handzeichnungensammlung des Louvre eine kleine Federzeichnung (107 X 17'6 cm) mit
dem Durchzug der Juden durchs Rote Meer (Abb. 1).
Die Darstellung ist ungemein lebendig, der Strich
rasch und nervös, vieles ist nur flüchtig skizziert,
wird aber doch durch die geist- und sinnvolle Art der
Andeutung lebendig. Es kann kein Zweifel sein, daß
die Zeichnung von derselben Hand herrührt wie das
Leidener, das Budapester und das Florentiner Blatt.
Die Leidener Versuchung des heiligen Antonius
zeigt aber soviel Stilanalogien mit dem einzigen
bisher bekannten Holzschnitt des Meisters, der, 1522
datiert, überdies denselben Gegenstand aufweist, daß
an der Zuweisung an Jan de Cock nicht gezweifelt
werden kann.
Anders steht es mit dem Opfer Joachims in
Wilton House. Bereits Wescher hat darauf hin-
gewiesen, daß die Leidener Zeichnung »im Strich
ungleich freier, zügiger, flüchtiger« sei als das von
Friedländer bestimmte Blatt beim Earl of Pembroke.
Den vier Zeichnungen von Jan de Cock in Leiden,
Paris, Florenz und Budapest ist es gemeinsam, daß
sie bildmäßige Kompositionsentwürfe darstellen. Es
sind aber offensichtlich erste Niederschriften der
Kompositionsidee, bei denen der Künstler sich nicht
mit klarer Durchbildung der Einzelheiten aufhält.
Demgegenüber ist die Zeichnung in Wilton House
vollkommen durchgezeichnet — der Strich ist anders,
1 Öffentlich zuerst von Cohen (Genius, 1921, 1) aus-
gesprochen. Albertina-Publikation, Nr. 970. — - Die nieder-
ländischen Manieristen, Bibliothek der Kunstgeschichte, Heft 3,
Abbildung daselbst Nr. 11. — 3 Oud-Holland 1928, p. 241 ff.
Über die Gemälde des Jan de Cock vgl. außerdem den aus-
gezeichneten Aufsatz desselben Verfassers im Burlington
Magazine August 1927, S. 68 ff. — i Zeitschrift für bildende
Kunst, 59. S. 153, Abbildung daselbst.
Doppelgänger Jan de Cocks, Tempelgang
London, Britisches Museum.
Maria. Federzeichnung
— 72 —
der Juden durch das Rote Meer. Federzeichnung.
Paris, Louvre.
Zu den zw eifellos originellsten Künstlern,
deren Schaffenszeit in das erste Jahrhundert-
viertel fällt, gehört der in Antwerpen ansässige
Holländer Jan de Cock. Vier Zeichnungen sind
bisher von vier verschiedenen Seiten mit dem
Künstler in Zusammenhang gebracht worden.
Otto Benesch schrieb ihm die Verklärung Christi
des Budapester Museums,1 Max J. Friedländer
ein Opfer Joachims in der Sammlung des Earl
of Pembroke zu Wilton House,2 Paul Wescher
in einem sonst wenig überzeugenden Aufsatze
eine Versuchung des heiligen Antonius im
Leidener Prentenkabinett und an dieses an-
knüpfend J. J.de Gelder3 eine zweite Versuchung
des heiligen Antonius in den Uffizien zu.4 Von
diesen vier Blättern scheinen mir drei, das in
Budapest, das in Leiden und das in Florenz,
von einer Hand zu sein. Die Beurteilung der
Werke Jan de Cocks wird durch eine ungleiche Qualität erschwert. Unter den Gemälden stehen neben Meisterwerken
verhältnismäßig schwache Tafeln, die aber in allen Einzelheiten unbedingt denselben Pinselstrich verraten. Ebenso ist
die Zeichnung der Uffizien offensichtlich lahmer als die beiden andern, zeigt aber doch deutlich dieselbe Handschrift.
Nun liegt in der schönen Handzeichnungensammlung des Louvre eine kleine Federzeichnung (107 X 17'6 cm) mit
dem Durchzug der Juden durchs Rote Meer (Abb. 1).
Die Darstellung ist ungemein lebendig, der Strich
rasch und nervös, vieles ist nur flüchtig skizziert,
wird aber doch durch die geist- und sinnvolle Art der
Andeutung lebendig. Es kann kein Zweifel sein, daß
die Zeichnung von derselben Hand herrührt wie das
Leidener, das Budapester und das Florentiner Blatt.
Die Leidener Versuchung des heiligen Antonius
zeigt aber soviel Stilanalogien mit dem einzigen
bisher bekannten Holzschnitt des Meisters, der, 1522
datiert, überdies denselben Gegenstand aufweist, daß
an der Zuweisung an Jan de Cock nicht gezweifelt
werden kann.
Anders steht es mit dem Opfer Joachims in
Wilton House. Bereits Wescher hat darauf hin-
gewiesen, daß die Leidener Zeichnung »im Strich
ungleich freier, zügiger, flüchtiger« sei als das von
Friedländer bestimmte Blatt beim Earl of Pembroke.
Den vier Zeichnungen von Jan de Cock in Leiden,
Paris, Florenz und Budapest ist es gemeinsam, daß
sie bildmäßige Kompositionsentwürfe darstellen. Es
sind aber offensichtlich erste Niederschriften der
Kompositionsidee, bei denen der Künstler sich nicht
mit klarer Durchbildung der Einzelheiten aufhält.
Demgegenüber ist die Zeichnung in Wilton House
vollkommen durchgezeichnet — der Strich ist anders,
1 Öffentlich zuerst von Cohen (Genius, 1921, 1) aus-
gesprochen. Albertina-Publikation, Nr. 970. — - Die nieder-
ländischen Manieristen, Bibliothek der Kunstgeschichte, Heft 3,
Abbildung daselbst Nr. 11. — 3 Oud-Holland 1928, p. 241 ff.
Über die Gemälde des Jan de Cock vgl. außerdem den aus-
gezeichneten Aufsatz desselben Verfassers im Burlington
Magazine August 1927, S. 68 ff. — i Zeitschrift für bildende
Kunst, 59. S. 153, Abbildung daselbst.
Doppelgänger Jan de Cocks, Tempelgang
London, Britisches Museum.
Maria. Federzeichnung
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