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74 I- HISTORISCHER THEIL.

zerstörten Reste waren ein Magazin für Trödelhandel mit Marmorstücken und Anti-
quitäten geworden. Das Interesse für den Tempel ward aber in edlerer Weise ge-
weckt, als im Jahre 1790, zwei Jahre nach Stuarts Tod, endlich der zweite Band
der athenischen Alterthümer erschien, darin mit den anderen Bauten der Burg auch
der Parthenon. Erst jetzt lernte man seine Schönheit wirklich kennen, seine Archi-
tektur wie seine Reliefs. Das Erscheinen des Museum Worsleyanum (1794) mit
seinen Metopen und Friesstiicken nach Pars und Worsleys eignem Zeichner bot eine
erwünschte Ergänzung und konnte das Interesse nur steigern. Endlich tauchten 1797
auch Carreys Zeichnungen hinter einer Bücherreihe der Pariser Bibliothek, wo sie seit
mehr als zwanzig Jahren versteckt gelegen hatten, wieder auf306). War es zu ver-
wundern dass der Plan entstand, von diesen gewissermassen wieder entdeckten aber
von stäter Gefahr des Unterganges oder vollständiger Zersplitterung bedrohten Schätzen
zu retten was irgend noch zu retten war? Als der junge Eafl of Elgin im Jahre 1799
sich anschickte als englischer Gesandter nach Konstantinopel zu gehen, machte sein
Architekt Harrison ihn auf die Gefahr aufmerksam: er stellte ihm die Unzulänglich-
keit der bisherigen Publicationen und die Wichtigkeit jener Werke für die Bildung des
Geschmackes vor. Elgin gieng bereitwillig darauf ein307). Als er jedoch dem Mi-
nisterium den Plan unterbreitete in Athen nach Choiseul-Gouffiers Vorbild zeichnen
und namentlich abformen zu lassen, hatten Pitt und seine Genossen innen und aussen
mit zu grossen Schwierigkeiten zu kämpfen um auf dergleichen Vorschläge zu hören.
Somit sah sich Elgin auf sich selbst angewiesen. In Sicilien nahm er mit dem be-
kannten Kunstsammler Sir William Hamilton, dem britischen Gesandten am vertriebenen
neapolitanischen Hofe, als erfahrenem Sachverständigen Rücksprache wegen der ge-
eigneten Mittel zur Ausführung seines Plans. Dieser empfahl ihm den sehr ge-
schickten neapolitanischen Hofmaler Don Giambattista (Tita) Lusieri, einen Schüler
Phil. Hackerts und Heinr. Wilh. Tischbeins, welcher auch darauf eingieng und sich
alsbald mit Elgins Sekretär William Hamilton nach Rom begab, um weitere Gehilfen
zu engagieren. Ausser zwei Architekten, Balestra und Ittar, und zwei geschickten
Forinatori warb Hamilton den Kalmüken Feodor Iwanowitsch an, der in Rom ein
bedeutendes Talent für das figürliche ausgebildet hatte308). Im Mai 1800 langten
die Künstler in Konstantinopel an und wurden alsbald nach Athen gesandt, zunächst
nur mit einem Firman der ihnen das Zeichnen gestattete; Lusieri sollte die Ober-
leitung des ganzen Unternehmens haben, da Lord Elgin selbst, der nie in Athen
gewesen war, weder den Umfang der Arbeiten noch die einzuschlagenden Wege
übersehen konnte.
65 Im August 1800 begann die Arbeit, aber unter den ungünstigsten Umständen.

Die Erfolge Bonapartes und Klebers in Aegypten drückten auf den englischen Ein-

3«<) Abschn.MI § 5.

*") Die Hauptquelle für die folgende Darstellung ist der offlcielle Report from the select Com-
mittee of the Haute of Common* on the Eurl of Eltjiris Colleetion of Scutptured Marbtes #c. Lond.
1816 mit den Protokollen der Zeugenverhöre {Minutes of evidence Tuken before the Select Committee),
woraus die wichtigsten Zeugnisse im Anh. IV zusammengestellt sind. Dazu Hamiltons Memorandum
(Anm. 355) und die Berichte reisender Augenzeugen. Vgl. die Darstellung in den Anc. Marbtes
VII, 22 ff.

3*) Goethe in Böttigers l ebersetzung der 'Denkschrift' S. 62 f. sagt: 'der Kalmücke l'eodor
(so hörten wir ihn beständig nennen) ist ein mit sehr vielem Talent begabter Mann, dessen rein-
liche Zeichnungen fast immer Geschmack und Geist verrathen; aber wohl kaum kenntnissreich
und genau genug, um äusserste Genauigkeit und Stiltreue zu erwarten.' Vgl. dagegen Abschn. II
§ 14.
 
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