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Michaelis, Adolf
Die archaeologischen Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.881#0018
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Herculaneum. Pästutn. Griechenland 9

neue Welt bald weiten Kreisen zugänglich. Eines freilich hatte
Herculaneum nicht bieten können, das zusammenhängende Bild
einer antiken Stadt. Dazu war die Schuttdecke zu dicht; sie er-
laubte nur hie und da ein einzelnes Stück der alten Stadt in der
Tiefe zu untersuchen und seine Schätze ans Licht zu fördern.

Über Neapel hinaus hatte Winckelmann noch einen Schritt
weiter gen Süden getan, nach Pästum mit seinen alten Tempeln.
Hier hatte er sich das erste und einzige Mal in seinem Leben auf
griechischem Boden befunden, griechische Architektur geschaut.
Mit der Klarheit seines Blickes und der Wärme seines Empfindens
hatte er die Grundverschiedenheit griechischer und römischer Bau-
kunst alsbald erfaßt, und was er hier auf einem Gebiete griechi-
scher Kunst erkannt hatte, das hellte ihm auch andere Seiten der-
selben Kunst auf. Zum erstenmale hielten die ernsten, einfach
großen Gebilde der älteren griechischen Kunst ihren Einzug in
den Bereich geschichtlicher Kunstbetrachtung. Wir erkennen in
Goethes italienischer Reise, wo er Pästum besucht, den gleichen
überwältigenden Eindruck einer Erscheinung wie aus einer anderen,
bisher nur geahnten Welt; vollends in Sicilien, das Winckelmann
nicht besucht hat, fühlte sich Goethe ganz griechisch angeregt.

Indessen war diese griechische Kunstwelt damals schon nicht
ganz unerschlossen. Eben um die Mitte des Jahrhunderts be-
gannen Kleinasien und Griechenland in den Gesichtskreis der ge-
bildeten Welt zu treten. Beidemale war es England, von wo die
Erkundigung ausging. Dort hatte schon zur Zeit Karls I. Lord
Arundel seinen Blick auf Griechenland gerichtet, und findige
Agenten waren für ihn tätig gewesen, um griechische Skulpturen
für seine Sammlung zu erwerben, die dann ungünstige Schick-
sale erlebte, bis sie schließlich zum größten Teil sich in Oxford
wieder zusammenfand. Etwa hundert Jahre später ward 1733 in
London die Society of dilettanti gegründet, zunächst, um ge-
meinsame Erinnerungen an Italien und die übrigen Länder des
nordischen grand toar zu pflegen, bald aber auch, um ihre Unter-
stützung ernsteren Unternehmungen zuzuwenden. Zu den Kreisen
der Dilettanti gehörten fast alle jene Sammler, die in Rom einen
großen Teil der antiken Kunstwerke aufkauften, um ihre englischen
 
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