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Michaelis, Adolf
Die archaeologischen Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.881#0040
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Griechische Entdeckungen. Ägina 31

gegentrat. So beobachteten zum Beispiel Cockerell und Wilkins
zuerst die Entasis der dorischen Säulen, jene leichte Anspannung,
die am Parthenon, bei einem unteren Säulendurchmesser von
1,90 Metern, jederseits nur um 17 Millimeter aus der graden
Linie des Umrisses vorspringt und doch so wesentlich zur Be-
lebung des Umrisses beiträgt. Zu jenen jungen englischen Archi-
tekten, die noch im Anfange der zwanziger Jahre standen, stieß
im September 1810 eine Gruppe etwas älterer Männer, die sich
in Rom zusammengefunden hatten und nun nach Griechenland
übersiedelten. Es waren zwei dänische Gelehrte, Peter Oluf
Bröndsted und sein Schwager Koes, der livländische Baron Otto
Magnus von Stackeiberg, ein feinsinniger Kunst- und Altertums-
freund mit schöner künstlerischer Begabung, der Nürnberger Archi-
tekt Freiherr Haller von Hallerstein und ein schwäbischer Kunst-
liebhaber Linckh. Bald schlössen sich alle in engem Freundes-
bunde zusammen, der nach der Weise jener Zeit auch seiner
Symbole und Abzeichen nicht entbehrte; ein besonders nahes Ver-
hältnis entspann sich zwischen den beiden Architekten Haller und
Cockerell.

Der ganze Verein strebte nach denselben Zielen, aber die
Freunde suchten es auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Während
Stackeiberg mit den beiden dänischen Gelehrten Kleinasien auf-
suchte, begaben sich die beiden Deutschen und die beiden Eng-
länder im April 1811 nach der Insel Ägina, um die Ruinen
des vermeintlichen Zeustempels genauer zu untersuchen. In einer
Höhle am Tempel schlugen sie ihr Quartier auf. Indem die
Architekten ihre Vermessungen vornahmen, stießen sie an einer
der Giebelseiten auf einen behelmten Kopf. Dieser Spur be-
schlossen sie nachzugehen. Dreißig Arbeiter wurden angeworben,
und in sechzehntägiger Arbeit ward eine Menge von Bruchstücken
zutage gefördert, aus denen sich später fünfzehn Statuen, fünf vom
östlichen und zehn vom westlichen Giebel, haben wieder zu-
sammensetzen lassen. Die glücklichen Finder erwarben den ganzen
Schatz von der Stadt Ägina als Besitzerin des Bodens um eine
geringe Summe, 6—800 Mark; die Ägineten werden die Mar-
morfragmente wohl vorzugsweise nach ihrem Werte für die Kalk-
 
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