32 III. Die Wiedergewinnung Griechenlands
bereitung abgeschätzt haben. Die kostbaren Bruchstücke wurden
dann über Athen nach Zante, dem damaligen Mittelpunkte des
Handelsverkehrs in jenen Gegenden, geschafft, aber bald, weil sie
hier bei den unsicheren Kriegsläuften gefährdet erschienen, nach
Malta in englische Obhut verbracht. Der öffentliche Verkauf ward
für den November 1812 nach Zante ausgeschrieben. Frankreich
und England bewarben sich, letzteres mit unbeschränkter Voll-
macht für seinen Abgesandten, der sich aber irrtümlicherweise
nach Malta als dem Aufbewahrungsorte der Marmore begab. So
gelang es dem Kronprinzen Ludwig von Bayern, diese in Zante
für den verhältnismäßig niedrigen Preis von 120000 Mark zu
erwerben und damit seiner geplanten Glyptothek den festesten
Grundstein zu sichern. Die Zusammensetzung und Ergänzung
der Bruchstücke ward der Leitung Thorvaldsens übergeben. So
großen und nicht unverdienten Ruf auch diese Restauration lange
genossen hat, so hat geschärfte Beobachtung und vertiefte Stil-
kritik doch auch hier das Mißliche eines solchen Unternehmens,
zumal ohne wissenschaftlichen Beirat, klargemacht. Daß in den
letzten Jahren unter Furtwänglers Leitung ergänzende Ausgrabungen
an Ort nnd Stelle stattgefunden haben, über die der eingehende
Bericht noch aussteht, ist bekannt.
Damals, als diese Bildwerke gefunden wurden, boten die Er-
gebnisse namentlich nach zwei Richtungen Neues. Erstens zeigte
sich, daß die einzigen bis dahin bekannten Giebelgruppen, die
des Parthenon, kein so ausschließlicher Schmuck der größten
Tempel waren, wie man bis dahin wohl angenommen hatte; auch
kleinere Tempel hatten die gleiche Zierde ihrer Stirnseiten besessen.
Der Gegenstand der neugefundenen Gruppen führte zur home-
rischen Poesie, zu den Kämpfen vor Troja. Die Komposition
der Gruppen aber war von unerwarteter Strenge, ein Beispiel —
und das war das zweite Neue — einer älteren und im Stil merk-
lich von der attischen abweichenden Plastik. Es war die dorische
Kunst, die hier zum erstenmal in den Gesichtskreis trat; sie wirkte
so befremdend, daß der feinsinnige Bildhauer Martin Wagner,
der den glücklichen Kauf für seinen Kronprinzen abgeschlossen
hatte, sich an die ägyptische Kunst erinnert fühlte — eine Er-
bereitung abgeschätzt haben. Die kostbaren Bruchstücke wurden
dann über Athen nach Zante, dem damaligen Mittelpunkte des
Handelsverkehrs in jenen Gegenden, geschafft, aber bald, weil sie
hier bei den unsicheren Kriegsläuften gefährdet erschienen, nach
Malta in englische Obhut verbracht. Der öffentliche Verkauf ward
für den November 1812 nach Zante ausgeschrieben. Frankreich
und England bewarben sich, letzteres mit unbeschränkter Voll-
macht für seinen Abgesandten, der sich aber irrtümlicherweise
nach Malta als dem Aufbewahrungsorte der Marmore begab. So
gelang es dem Kronprinzen Ludwig von Bayern, diese in Zante
für den verhältnismäßig niedrigen Preis von 120000 Mark zu
erwerben und damit seiner geplanten Glyptothek den festesten
Grundstein zu sichern. Die Zusammensetzung und Ergänzung
der Bruchstücke ward der Leitung Thorvaldsens übergeben. So
großen und nicht unverdienten Ruf auch diese Restauration lange
genossen hat, so hat geschärfte Beobachtung und vertiefte Stil-
kritik doch auch hier das Mißliche eines solchen Unternehmens,
zumal ohne wissenschaftlichen Beirat, klargemacht. Daß in den
letzten Jahren unter Furtwänglers Leitung ergänzende Ausgrabungen
an Ort nnd Stelle stattgefunden haben, über die der eingehende
Bericht noch aussteht, ist bekannt.
Damals, als diese Bildwerke gefunden wurden, boten die Er-
gebnisse namentlich nach zwei Richtungen Neues. Erstens zeigte
sich, daß die einzigen bis dahin bekannten Giebelgruppen, die
des Parthenon, kein so ausschließlicher Schmuck der größten
Tempel waren, wie man bis dahin wohl angenommen hatte; auch
kleinere Tempel hatten die gleiche Zierde ihrer Stirnseiten besessen.
Der Gegenstand der neugefundenen Gruppen führte zur home-
rischen Poesie, zu den Kämpfen vor Troja. Die Komposition
der Gruppen aber war von unerwarteter Strenge, ein Beispiel —
und das war das zweite Neue — einer älteren und im Stil merk-
lich von der attischen abweichenden Plastik. Es war die dorische
Kunst, die hier zum erstenmal in den Gesichtskreis trat; sie wirkte
so befremdend, daß der feinsinnige Bildhauer Martin Wagner,
der den glücklichen Kauf für seinen Kronprinzen abgeschlossen
hatte, sich an die ägyptische Kunst erinnert fühlte — eine Er-