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Michaelis, Adolf
Die archaeologischen Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.881#0187
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178 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit

die Anthropologie, die Ethnologie, die Kulturgeschichte. Deren
Gesichtspunkte liegen unserer Betrachtung ebenso fern, wie bei-
spielsweise bei der Numismatik die Fragen der Währung, des
Handels, der Geschichte. Ob Rund- oder Langschädel, ob Ver-
brennung oder Bestattung, ob Hockergräber, die Art der Lebens-
weise, der Kleider und Geräte — alles das berührt die Kunstarchäo-
logie nicht; ihr kommt es nur auf die Äußerungen und Schöp-
fungen des Kunstgefühls jener Völker der Vorzeit an.

Die Aufmerksamkeit auf die vorzeitlichen Überreste ist schon
früh wach geworden, besonders im Norden, wo der altertümliche
Kulturzustand sich viel länger erhalten hat und seine Überbleibsel
augenfälliger sind. Skandinavien hat auch mit der wissenschaft-
lichen Forschung zuerst eingesetzt. Im Jahre 1832 stellte Christian
Jürgen Thomsen in Kopenhagen die Scheidung der Vorzeit in
drei gesonderte Kulturperioden auf, die Steinzeit, die Bronzezeit,
die Eisenzeit, so daß das hauptsächliche oder besonders charakte-
ristische Material den Perioden ihren Namen gab und damit zu-
gleich den allmählichen Fortschritt bezeichnete. Die Berechtigung
dieser Scheidung begegnete lange lebhaften Zweifeln, die aber
heute als verstummt gelten können. So ist damit also auch für
die Betrachtung der künstlerischen Erzeugnisse, die aber durchaus
nicht in den einzelnen Perioden auf das jeweilige Hauptmaterial
beschränkt sind, der allgemeine Rahmen gegeben.

Zunächst stand die Steinzeit — später die jüngere Stein-
zeit genannt — im Vordergrund. Sie spricht ihren Charakter
am mächtigsten in ihren Bauten aus gewaltigen Steinblöcken aus,
die hauptsächlich in Skandinavien und im westlichen Frankreich
auftreten. Diese »megalithischen« Denkmäler stehen entweder zum
Kultus in Beziehung — so die einzeln aufgerichteten Kolossal-
blöcke (Menhir) oder die aus solchen Blöcken gebildeten Stein- 12
kreise (Cromlech) — oder sie bilden Gräber; so die einfachen
Steinkammern (Dolmen) oder Steingänge mit gewaltigen Deck- 9
blocken, sodann die »Hünengräber« mit darüber geschüttetem Erd- 10
hügel, endlich die großen unterirdischen »Riesenstuben«. In allen 11
diesen Bauten wirkt ausschließlich die Kolossalität des Materials;
Kunstformen oder auch nur Glättung kennen sie noch nicht.
 
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