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Minst, Karl Josef [Übers.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 1): Chronicon. Urkunden Nrn. 1 - 166, mit Vermerken, welche die Geschichte des Klosters von 764 - 1175 und mit Nachträgen bis 1181 berichten — Lorsch, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.20231#0059
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53

von Sedunum (Sitten, Sion — Kanton Wallis), die dann (am 15. Mai 764) nach Gorzia
übertragen wurden. Nach Jahresfrist ließ er den Hl. Gorgonius in die Kirche von Gorzia
und den Hl. Nabor in jene von St. Hylarius (St. Avold) verbringen, während er den Hl.
Nazarius für das Kloster Lorsch bestimmte. Zur feierlichen Wallfahrt der Übertragung
strömte die Bevölkerung des ganzen Landgebietes bis zum Wasgenwald haufenweise her-
bei, viel Volk beiderlei Geschlechtes, „Jünglinge und Jungfrauen, die Alten mit den
Jungen" (Psalm 148, 12). Die weitbekannten Grafen Cancor (vom Oberrheingau) und
Warin (vom Ladengau) und andere vornehme und achtbare Männer der Gegend hoben
den durch Gottes Fügung ihrer Heimat bestimmten Schatz des heiligen Körpers auf ihre
eigenen Schultern und verbrachten ihn, begleitet von den Hymnen und geistlichen Ge-
sängen einer ungeheuren Volksmenge (am 11. Juli 765), an den vom Himmel vorgesehenen
Ort. Da aber der verfügbare Raum jener oben erwähnten Insel klein und beengt war,
reichte er für die Aufnahme einer solchen Menschenmenge und selbst der alltäglichen
Besucherzahl nicht aus. Auch die örtliche Lage entsprach nicht einem Kloster von so be-
rühmtem Namen. Sie entsprach auch keineswegs der durch die Verdienste ihres Märtyrers
in der nächstfolgenden Zeit erreichten hohen Würde. Der Wunsch und die Ansicht aller
ging daher dahin, daß Kloster und Kirche baulich bedeutend zu erweitern und auf den
Hügel zu verlegen seien, auf dem man die Anlage heute noch sieht. Durch den verehrungs-
würdigen Priester (Rudgang) wurde die Ausführung dieses Bauvorhabens dem Abt Gun-
deland eindringlich ans Herz gelegt. Gundeland nahm denn auch alsoglcich die Ausfüh-
rung des großen Werkes ernstlich und großzügig in Angriff. Bald darauf machte sich
Rudgang auf, um, von allem irdischen Tande erlöst, zum Herrn zu gehen, ein hervor-
ragender Mann, unvergleichlich in seinen Verdiensten, würdig, um von allen mit Lob und
Preis ausgezeichnet zu werden. Unter anderen Denkwürdigkeiten aus seinem Leben sei
daran erinnert, daß er den Papst Stephan (III., 752—757) nach dem Frankenlande berief
und Pippin veranlaßte, mit allen Streitkräften der Franken gegen die Tyrannei der
Langobarden anzugehen. Mit Eifer und Tatkraft ließ er es sich dann auch sofort ange-
legen sein, daß das Exarchat von Ravenna und die meisten Patrimonialgüter des Hl.
Petrus dem römischen Stuhle zurückerstattet wurden. Den Klerus seiner Diözese, der
manchmal und auf mancherlei Weise im Frömmigkeitseifer nachließ, vereinigte er nach
Art der Klöster (zu Kanonikaten), gab ihnen feste Regeln und bindende Vorschriften für
den Kirchendienst und sorgte für ihren hinreichenden Lebensunterhalt. Die Klöster von
St. Hylarius, Gorzia und Lorsch hat er von Grund aus erbaut. Nach seinem Hinscheiden
(5.16. März 766) leitete Gundeland das ihm vom Bruder übergebene Kloster mit auf-
opfernder Hingabe und unter Wahrung der Gottesfurcht. Es wurde von Tag zu Tag be-
deutender und wurde allgemein sowohl in seinem Vermögen als auch in seinem Güter-
besitz gefördert, und, was weit wichtiger ist, auch in der Verehrung Gottes und im Fort-
schritt der heiligen Übungen und in der Zunahme der Herde des Herrn. „Denn der Herr
wirkte mit ihnen und bekräftigte durch die ihnen folgenden Zeichen" (Marc. 16, 20) die
Verdienste seines heiligen Märtyrers Nazarius.

VERMERK 3 a

Im Jahre 776 (richtig: 772) nach des Herrn Fleischwerdung, im achten (richtig: vierten)
Jahre der Regierung des Königs und späteren Kaisers Karl, sah Graf Heimerich, der Sohn
Cancors, nachdem sein Vater und seine Großmutter (Williswinda) gestorben waren, wie
 
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