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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0050
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Hildegard Giess

die wir gebrauchen, sind Haut toter Tiere, für uns Hüllen der Füße. Zu was werden wir aufgefordert?
Den toten Werken zu entsagen. Diese Mahnung wurde dem Moses sinnbildlich gegeben, als Gott zu
ihm sagte: ,Löse die Schuhe von Deinen Füßen, der Ort, auf dem Du stehst, ist heiliges Land“4.11
Ebenso eindringlich predigt Ambrosius: „Wenn Du sehen willst, so löse die Schuhe von Deinen Füßen,
löse alle Bande der Bosheit, löse die Bande der Welt, laß den Schuh, der irdisch ist. Deshalb ja be-
stimmte Jesus, daß die Apostel ohne Schuhe, ohne Gold und Silber, ohne Geld seien, damit sie nichts
Irdisches trügen . . . Löse (die Schuhe), sagte er, nicht binde sie. Löse, um am Irdischen vorbei-
gehen zu können und damit du findest, daß der Böse, den du auf Erden bewunderst, nichts ist und
nichts vermag . . ,“12 Zahlreiche Kommentare der Bibel aus Spätantike und Mittelalter folgen diesen
Ausdeutungen13.
Als der Herr sich am Berge Horeb dem Moses im Brennenden Dornbüsche offenbarte, geschah es, um
ihm den Auftrag zu erteilen, sein Volk aus der Knechtschaft der Ägypter wegzuführen. Es war der
entscheidende Wendepunkt im Leben dieses Hirten und des Volkes, das mit Gott verbündet war. Ein
zweites, gleich bedeutendes Ereignis sollte ihm später folgen: die Übergabe der Gesetzestafeln. Es mag
daher nicht wundernehmen, daß diese Szenen schon früh und häufig dargestellt wurden. Wenn jedoch
bei der Schilderung der Berufung Mosis in erster Linie jener Augenblick zur Darstellung gelangt, in dem
er seine Sandalen löst, so geht dies - wie wir glauben - auf dessen weitverbreitete allegorische Auslegung
zurück. Die historische Szene wurde zu einer mystischen, ward beispielhaft für jeden einzelnen, denn:
„Wer in das heilige, von Gottes Fuß betretene Land hineingehen will, der löse die Schuhe von seinen
Füßen, wie es auch jener Moses auf dem Berge tat, damit er nichts vom Tode an sich trage, nichts, was
sich zwischen Gott und Menschen (als Hindernis schieben könnte).“14
Die frühesten uns erhaltenen christlichen Darstellungen des sandalenlösenden Moses datieren aus dem
4. Jahrhundert. Sie finden sich in der sepulkralen Kunst und bei der Ausschmückung profaner Gegen-
stände. Alle zeigen den gleichen Typus: Moses hat den einen Fuß etwas erhöht aufgestellt, seine Hände
greifen nach dem Riemen der Sandale, der Kopf ist geradeaus gerichtet oder umgewendet; er scheint der
Stimme Gottes zu lauschen, die zu ihm spricht. Der Brennende Dornbusch fehlt bezeichnenderweise.
Die Stimme Gottes kann versinnbildlicht werden durch eine Hand, die sich offen ausgestreckt oder im
Redegestus mit eingeschlagenen Fingern von oben herabsenkt. In der Sarkophagplastik werden Moses
ein bis vier Personen beigesellt, in denen man Engel15, den Christ-Logos oder die Trinität sehen will16.
Daß in dieser Figur des sandalenlösenden Moses eine antike Statue, die des sandalenbindenden Hermes
fortlebt, ist schon frühzeitig erkannt worden17. Als formales Motiv bestimmt sie bis ins Mittelalter hinein
eine Reihe von Darstellungen des Moses am Berge Horeb und fügt sich in die Szene der Fuß Waschung,
die wir später behandeln werden, ein. Ob und wann ihr hierbei symbolische Bedeutung zukommt, wollen
wir versuchen festzustellen.
Die Darstellungen in der sepulkralen Kunst der Spätantike - Katakombenmalerei und Sarkophagplastik-
11 Augustinus (354-430), Sermo CI, Migne PL 38, Kol. 608, Übersetzung nach Dölger, Schuhausziehen, S. 99/100.
12 Ambrosius (339-397), De fuga saeculi 5, 25, CSEL, 32, 184, Z. 2-20, Schenkl.
13 Außer den bei Dölger zitierten Beispielen siehe auch Ambrosius, Expositio Evang. sec. Luc., Lib. VII, Migne PL 15, Kol.
1715; Commentarius in Cantica Canticorum, Migne PL 15, Kol. 1947. — Isidorus (560-636), Questiones in Exodum, VII, de igne
in rubo, Migne PL 83, Kol. 289. — Beda Venerabilis (672-735), Quaestiones super Exodum, Migne PL 93, Kol. 366. — Rhabanus
Maurus (780-856), Commentaria in Exodum, Migne PL 108, Kol. 19. — Bruno Astensis (1079-1123), Expositio in Exodum,
Migne PL 164, Kol. 237. — Rupert v. Deutz (1070-1129), In Exodum Commentatorium, Migne PL 167, Kol. 579/80. — Glossa
ordinaria (13. Jh.), Migne PL 113, Kol. 191/92. — Die Theologen mögen uns verzeihen, wenn wir die Texte hier nebeneinander-
stellen, ohne ihrer unterschiedlichen Bedeutung Rechnung zu tragen, die Vertreter der christlichen Archäologie und der Kunst-
geschichte, wenn wir die einzelnen Darstellungen nicht differenziert genug behandeln. Anliegen dieses Aufsatzes ist jedoch nur,
zwischen Wort und Bild eine Brücke zu schlagen, die tragfähig genug ist, die Wanderer von dem einen zum anderen Ufer gelangen
zu lassen, wo dann jeder seinem eigenen Ziele zustreben möge.
14 Gregor v. Nazianz (330-390), Oratio in sanctam Pascha, Migne PG 36, Kol. 649, Übersetzung nach Dölger, Schuhausziehen,
5. 97. Vgl. dazu auch Gregor v. Nyssa (f ca. 394), Das Leben Mosis, Text mit der Übersetzung von J. Danielou, Paris 1955,
S. 134: ,,J’ai decrit la vie du grand Moise comme exemplaire de la beaute de la vertu, ahn que chacun de nous, par l’imitation de
ses oeuvres, transcrive en soi l’image de cette beaute qui nous a ete proposee.“
15 Nach den Worten des Stephanus, Acta Apost. 7, 30.
16 G. Wilpert, I Sarcofaghi Cristiani Antichi, Roma 1932, Textband II, S. 242.
17 Vgl. J. J. Tikkanen, Die Beinstellungen in der Kunstgeschichte, Helsingfors 1912, S. 101/103.
 
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