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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0108
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GIOTTOS STEFANE SCHI-ALTARWERK AUS ALT-ST. PETER IN ROM

von Martin Gosebruch
Sich in die Vatikanische Pinakothek zu begeben, das heißt für die meisten Besucher, der Transfiguration
und den Teppichen des Raffael als dem obersten Ziel zuzustreben. Es liegt nicht in ihrer Erwartung, bald
nach Beginn ihres Weges durch die Museumsräume auf ein bedeutsam aufgestelltes, goldschimmerndes
Altarwerk zu treffen, das nach der Unterschrift von Giotto gemalt sein müßte. Lange werden sich auch
die Pilgergruppen aus Traunstein und die Reisegesellschaften aus Texas hier nicht aufhalten lassen,
der Führer erklärt ihnen schon, daß es sich noch nicht um die Renaissance handle. Werden aber nicht die
Kunsthistoriker manche Tage vor den sechs goldenen Tafeln (Abb. 71, 72) zubringen, unter denen der
große Name steht und die somit die umfangreichste Tafelmalerei des Meisters der Arenafresken dar-
stellen? Auch den Wissenschaftlern, die um seine Existenz wissen, ist der Altar kein Gegenstand der
Erwartung. In fast selbstverständlicher Übereinkunft wenden sich aller Blicke vom zentralen Werk dieses
Raumes bald wieder ab, um dafür um so lebhafter von den vielen Täfelchen an den umgebenden Wänden
angezogen zu werden, unter denen bescheidenere Namen stehen. Offenbar mangelt es der Bildunter-
schrift nicht nur an Überzeugungskraft, sondern es hat die behauptete, aber nicht akzeptierte
Autorschaft des Giotto den Bildern am Ende geringere Beachtung und geradezu Antipathien ein-
getragen. Auch der Schreiber dieses Aufsatzes ist während zweier römischer Jahre an ihnen vorbei-
gegangen, bis er eines Tages mit frischen Augen darauf sah und zu seiner Bestürzung zugeben mußte,
daß er hier ein Werk des höchsten künstlerischen Ranges mißachtet hatte. Das dem Schaffen des Giotto
angetane Unrecht will der Schreiber in seinem Aufsatz wieder gutmachen.
I. Der Wandel des Urteils über das Altarwerk
Zu Anfang sei untersucht, wieso ein Werk aus dem Blickfeld der modernen Wissenschaft geraten konnte,
das seit Hunderten von Jahren, von Vasari über den Abbe Lanzi bis zu Roger Fry, als Giottos feinst-
ausgeführte Tafelmalerei hoch gerühmt worden ist, ein Werk, das wohl verdiente, im Zentrum der
Gesamtvorstellung von Giottos Schaffen zu stehen, da es sich doch allem Anschein nach einmal auf dem
Hochaltar der alten Peterskirche und damit an der hervorragendsten Stätte der christlichen Welt be-
funden hat.
Zunächst sei die historische Identität der heute in der Pinakothek ausgestellten Tafeln geklärt. Die
älteste darauf beziehbare Nachricht gibt uns eine Notiz zum 1342 in Avignon erfolgten Tode ihres
Stifters, des Kardinals Jacopo Stefaneschi, in zwei ,,Martyrologia benefactorum Basilicae Vaticanae“,
die unmittelbar nach Bekanntwerden des Sterbefalls in Rom eingetragen worden sein muß. ,,X. Kal.
Julii. Obiit sancte memorie dominus Jacobus Gaytani de Stephanescis, S. Georgii diaconus cardinalis
et concanonicus noster, qui nostrae Basilicae multa bona contulit. Nam tregunam eius depingi fecit,
in quo opere Vm auri florenos expendit. Tabulam depictam de manu Jocti super eiusdem Basilicae
sacrosantum Altäre donavit, que VIIIc auri florenos constitit. In Paradyso eiusdem Basilicae de
opere mosayco ystoriam, quando Christus beaturn Petrum Apostolum in fluctibus ne mergeretur erexit,
per manus eiusdem singularissimi pictoris fieri fecit, pro quo opere Ilm et ducentos florenos persolvit,
et multa alia, que enumerare esset longissimum . . .“x.
Ganz deutlich geben sich die heute in der Galerie ausgestellten Tafeln als diejenigen zu erkennen, die
durch Stefaneschi gestiftet wurden. Auf dem Mittelbild der Altarrückseite ist der hl. Petrus dargestellt,
dem ein Kardinal knieend einen Altarschrein überreicht. Die in Miniaturmalerei abgebildeten Tafeln
entsprechen denen von der Rückseite des ausgestellten Altarwerks auf das genaueste. Der Stifter-
Kardinal, der durch den hl. Georg empfohlen wird, ist Stefaneschi, dessen Titelkirche S. Giorgio in
Velabro war. Auch spielt sein Namensheiliger Jakobus eine besondere Rolle im Altarwerk, indem er
unter den vier großen, das Petrusbild flankierenden Apostelfiguren auftritt und zusammen mit Petrus
als einziger Apostel auf dem Madonnenbild der vorderen Predella zugelassen ist. Damit ist die Person des
Stifters einwandfrei identifiziert, zugleich auch festgehalten, daß unser ausgestelltes Altarwerk einstmals

1 Zitiert nach Igino Benvenuto Supino, Giotto, Florenz 1920, S. 53.
 
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