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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0132
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Martin Gosebruch

Geben wir die Raumschichten an, die wieder genau artikuliert sind: Auf dem großformig gemusterten
Paviment knieen die beiden Bischöfe. Hinter ihnen stehen bei gleicher Bodenhöhe die empfehlenden
Heiligen, wobei zwischen Stefaneschi und dem hl. Georg noch ausdrücklich der Drache gezeigt wird.
Hinter diesen beiden stehenden Heiligen läuft der Fußboden noch weiter - eine ganz erstaunliche Leistung
der raumperspektivischen Gestaltung! und wird erst durch die Wände des Thronpodiums begrenzt,die
bis dort hinten zurücktreten. Auf diesen Seitenstücken des Podiums stehen sodann die beiden Engel.
Da nun die Bischöfe schräg zum Thron knieen, die beiden Engel aber schräg neben und hinter dem Thron
stehen, bildet auch aus diesen wenigen Figuren sich ein Kreis um den Thron. Stefaneschi erstrahlt im
Weiß-Gold seines Kardinaldiakongewandes, da er mit verhüllten Händen das Altarwerk überreicht.
Sah der Kardinal auf der Christustafel demütig vor sich hin, so blickt er hier achtungsvoll dem Statt-
halter Christi entgegen. Hinter ihm erhebt sich Georg, im grünen Waffenrock mit goldener Lorica eines
römischen Ritters. Wie genau der Maler in solchen Angaben war, beweist das knapp oberhalb des
Drachens an den Beinen noch auftauchende Rot der Stiefel. Der Ritterheilige, der frei zu Petrus hinauf-
blickt, faßt seinen Schützling an der Schulter und macht mit der Linken eine Geste der Einladung nach
oben. Hinter ihm der Engel in Rosa-Grau hält mit der Rechten ein Szepter und faßt mit der Linken an
den Knauf der Armlehne des Throns. Auf der rechten Seite kniet der stattliche S. Pietro da Murrone und
überreicht das Buch mit dem festen Griff, den die Hände mit den schräg abgewinkelten langen Daumen
ausüben. Hinter ihm Papst Silvester, der ein ockerfarbenes Gewand trägt. Darüber steht der Engel in
Rosa-Grau, der die Armlehne des Thrones mit beiden Händen berührt und damit seines Amtes der
Wachsamkeit waltet.
Die beiden Flügeltafeln sind gebaut wie Hochschiffsfenster einer Kathedrale, indem je zwei bildfiguren-
übergreifende Arkaden von einer großen zusammengefaßt werden, wobei sich im Giebelfeld noch Platz
für ein eingetieftes Sechspaßfeld zur Aufnahme der Halbfigur eines Propheten ergibt. Unten in den
großen Arkaden stehen Apostel, darüber Propheten und in den Tondi der obersten Giebeldreiecke schließ-
lich Büsten von Engeln, von denen der mittlere unter Erheben der Rechten nach oben blickt, die beiden
anderen aber den Kopf nach oben und außen gerichtet halten. Befand sich demnach der Schrein unter
einer Baldachinarchitektur, die dann ihrerseits noch Bildwerke höheren Ranges geborgen hätte, zu denen
unsere Engel aufzusehen hatten? Da aber auf der Hauptseite des Altars ein solcher Bezug nicht gestaltet
ist, die Sakralwelt vielmehr in sich geschlossen auftritt, könnte vermutet werden, diese Engel hätten in
die Chorapsis von St. Peter geblickt87.
Unter den Aposteln der großen Arkaden nehmen wir den Paulus als die innere Figur der linken Tafel
zuerst wahr, da sie nach Körperhaltung und Gesichtsbildung als die würdigste erscheint. Das Motiv des
Christus der Navicella findet sich im leicht nach rechts verlagerten Oberkörper und der herausgewölbten
freien Hüfte der linken Seite. Fast unmerklich wendet sich die Figur mit Körper und Kopf zu ihrem
Nachbarn nach links, um von dort die gleiche Antwort zurückzuerhalten. Jakobus, der nun auch neben
dem zweiten der Apostel fürsten erscheint - was gewiß seinen vollinhaltlichen Sinn hat -, ist eine ver-
gleichsweise weniger stattliche Figur, und neben dem hohen Haupt des Paulus wirkt das seinige ver-
bindlicher und ungeistiger. Er trägt den blauen Mantel über dem rosa Gewand, Paulus den rosa Mantel
über grünem Gewand. Auf der anderen Seite trägt der innenstehende Andreas über dem rosa Gewand den
grünen Mantel, Johannes über dem blauen Gewand den rosafarbenen Mantel. Blau-Rosa, Rosa-Grün,
Grün-Rosa, Rosa-Blau: wieder spannt sich der Bogen von einem Pol zum anderen, wobei sich die
Verhältnisse vertauschen. Auch die beiden Figuren der rechten Tafel wenden sich leicht einander zu.
Auf den rechten Arm des Andreas, der das Buch unter dem Mantel trägt, ist dabei besonders hinzuweisen,
da eine verwandte Bildung auf dem Fresko ,,Christus im Tempel“ (Unterkirche von Assisi) bei dem rechts-
äußeren Priester der oberen Reihe angetroffen wird.
Johannes, der jugendlichste der Apostel, ist von der stattlichen Bildung, die man dem Giotto der Arena-
kapelle wohl bedenkenlos zutrauen würde; an Größe des Wuchses und an plastischer Spannung stehen
aber auch die übrigen drei Apostelfiguren jener durchaus nicht nach. Und von wem, wenn nicht von
87 Der Verfasser ist mit solchen Vermutungen von Natur aus vorsichtig, weist aber darauf hin, daß in der Franzlegende
der Bruder Augustinus als über die Grenze seines Bildes zur Himmelfahrt des Franziskus in das Nachbarbild hinüber-
sehend dargestellt ist. Jedenfalls verlangt das Hinauf- und Nach-außen-Blicken der Engel am römischen Altar nach
Erklärung.
 
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