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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0215
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Bemerkungen zu einer Fassadenmalerei Polidoros da Caravaggio an der Piazza Madama in Rom

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Darstellungen gelegentlich auf eine mit der jeweiligen topographischen Situation verbundene antike
Begebenheit bezogen, mindestens ebensooft aber kehren dieselben Themen an anderen Stellen wieder,
ohne daß dort eine entsprechende Veranlassung erkennbar wäre. Überhaupt scheint die strenge Befolgung
eines genau durchdachten ikonographischen Programms für Polidoro verhältnismäßig selten aus-
schlaggebend gewesen zu sein22.
Aus einer derartigen Einstellung dem Bildthema gegenüber aber dürfte auch die Begründung für die seit
Vasari fast einseitige Betonung der antiken Manier in Polidoros Malereien abzuleiten sein. Wie sehr man
in diesen Malereien die überzeugende Verwirklichung eines klassischen Darstellun^sideals sah, das beweist
nicht nur die Fülle der nach ihnen ausgeführten Kopien, sondern vor allem auch ihre weithin erkennbare
Nachwirkung bei den nach Rom kommenden Künstlern23. Dabei ist es besonders bemerkenswert, daß
Polidoros Reliefstil gerade wegen der von seinen römischen Vorbildern abweichenden, ausdrucksbetonten
Züge, welche Lomazzo mit dem Begriff der „maniera marziale“ charakterisiert24, als der antiken Kunst
überlegen empfunden wurde. Die Gründe dafür dürften sich letztlich aus der notwendigen Beurteilung
dieses Figurenstils innerhalb moderner Bildkompositionen ergeben, deren ,,maniera antica“ zudem
wesentlich durch ihre dekorative Funktion im Verband mit der Architektur bedingt war.
Für unseren Zusammenhang ist es schließlich von besonderem Interesse, daß Polidoro seine nach-
drücklichste Würdigung bei Mancini erfährt, und daß unter den Malern des 17. Jahrhunderts, die ein
besonders enges Verhältnis zu seiner Kunst besaßen, als erster Pietro da Cortona zu nennen ist25: beide
standen in Diensten der Barberini, und so liegt die Vermutung nahe, daß unter anderem auch den Hin-
weisen dieser beiden die Übertragung der zweifellos damals schon durch Witterungseinflüsse bedrohten
Fresken von der Piazza Madama zu danken sein könnte. Womöglich geschah die Übertragung im Auf-
trage des Kardinals Francesco Barberini, dem Cherubino Alberti im Jahre 1628 eine Auflage seiner
Stichserie nach Werken Polidoros dedizierte, worunter sich auch drei der im Palazzo Barberini auf-
bewahrten Stücke befinden26.
Scheint durch die Aufnahme unserer Fresken in die damals berühmte Sammlung der Barberini in erster
Linie ihr künstlerischer Rang gewürdigt, so tritt dieser Gesichtspunkt im weiteren Verlauf des 17. Jahr-
hunderts offenbar immer mehr zurück. Ein deutlicher Wandel der Auffassung zeigt sich etwa bei Felibien,
dem die Darstellungen Polidoros eigentlich nur noch als Ausgangspunkt für rein antiquarische Betrach-
tungen dienen27. Statt sich für das künstlerische Phänomen dieses antikisierenden Reliefstils zu interes-
22 Vgl. J. Bueckhardt, Cicerone, 2. Aufl. 1869, I, S. 296f.
23 Für die Nachwirkung speziell der hier betrachteten Fresken vgl. etwa den Triumph des Camillus von Fr. Salviati im Pal.
Vecchio in Florenz (siehe H. Voss, Die Malerei der Spätrenaissance in Rom und Florenz, Berlin 1920, I, S. 239); spürbare Ein-
flüsse zeigt auch der Münchner Triumph-Fries Andrea Donduccis (siehe Burl. Mag. C, 1958, pp. 352-356).
24 Vgl. G. P. Lomazzo, Idea del Tempio della Pittura, 2. Aufl. 1785, IX, p. 37; XIV, p. 45; siehe auch im Bull. Museum Boymans
IX/3, Dez. 1958, pp. 97-103, „Über ein verlorenes Bildnis Polidoros da Caravaggio im Pal. Zuccari in Rom.“
25 Siehe G. Mancini, a. a. O„ I, p. 301, 311 (im Zusammenhang mit seinem „Discorso Di Pittura“). Vgl. daneben die Vita Pietros
da Cortona bei Giov. Batt. Passeri (siehe: Die Künstlerbiographien des G. B. P., nach den Handschriften des Autors hrsg. und
mit Anmerkungen versehen von J. Hess, Leipzig u. Wien 1934, S. 374 und Anm. 3). Für die Studien Cortonas nach Polidoro
vgl. auch das Skizzenbuch in Toronto, besprochen von G. Brett, A Seventeenth Century Sketchbook, Bull, of the Division of Art
and Archeology (Royal Ontario Museum) University of Toronto, Dec. 1957, Nr. 6, pp. 4-10 (pl. II-V). Beiläufig sei hier auf die
Zeichnungsstudien des Rubens nach Polidoro hingewiesen (vgl. F. Lugt, Musee du Louvre, Inv.Gen. des dessins, Ecolesdu Nord:
Ecole flamande. 1949, Nr. 1071/72, 1125).
26 Über die dem Kardinal Francesco Barberini im Jahre 1628 dedizierten Stiche Cherubino Albertis siehe Anm. 13. - Einen beson-
deren Hinweis verdient hier die Tatsache, daß derselbe Kardinal Francesco Barberini ein im Jahre 1655 beim Lateranischen
Baptisterium aufgefundenes antikes Wandgemälde mit der Darstellung einer Roma, das sich heute im Thermenmuseum befindet,
ablösen und ebenfalls in den Palast bei den Quattro Fontane übertragen ließ, wo es im gleichen Stockwerk mit den Malereien
Polidoros von der Piazza Madama aufbewahrt wurde (siehe Platner-Bunsen, a. a. O., III/2, S. 436f.; ausführliche Angaben
zur Provenienz und archäologischen Bestimmung des Bildes finden sich bei J. Wilpert, Die röm. Mosaiken und Malereien, 1/1,
1916, S. 127ff. [pl. 125]; über die Ergebnisse einer kürzlich erfolgten Restaurierung siehe M. Cagiano de Azevedo, La Dea
Barberini, Rivista dellTstituto d’Arch. e Storia dell’Arte, n. s. Anno III, 1954, pp. 108-146). Außerdem befindet sich bis heute an
derselben Stelle im Palazzo Barberini eine ursprünglich für antik gehaltene, angeblich von P. da Cortona oder Maratta übermalte
Venusdarstellung, welche bei den Ausschachtungsarbeiten für den Palazzo Barberini gefunden worden sein soll, deren Echtheit
allerdings bei Matz-Duhn (Antike Bildwerke in Rom, III, 1882, Nr. 4112) stark angezweifelt wird.
27 A. Felibien, Entretiens sur les vies et sur les ouvrages des plus excellents peintres anciens et modernes, Paris 1685,1/3, p. 339 ff.
Vgl. in diesem Zusammenhang das von P. L. Ghezzi nach 1720 zusammengestellte Skizzenbuch in der Vaticana (Ottobon. lat.

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