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Bibliotheca Hertziana [Editor]; Bruhns, Leo [Honoree]; Wolff Metternich, Franz [Honoree]; Schudt, Ludwig [Honoree]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0240
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236

Günter Urban

hohe Sockelpartie mit abschließender und umlaufender Platte, Nischen und rechteckige Rahmungen
beziehungsweise Öffnungen. In einer Alternativplanung links Kolossalordnungen, die bis zur Höhe des
Bogenscheitels reichen, rechts Gliederungen, die nur bis zum Bogenansatz hinauf führen49.
Von den genannten Studienblättern ist der Weg zum Entwurf auf fol. 703 recto nicht weit - wie überhaupt
zur heutigen Cappella Cesi. Eine Kapellenwand in dieser Formgebung zu gestalten, wird Antonio von
Giuliano da Sangallo gelernt haben, wie eine Gegenüberstellung mit der 1508 errichteten Gondi-
Kapelle in S. Maria Novella zu Florenz (vgl. Tf. XLVI bei Loukomsky, a. a. O.) zu veranschaulichen
vermag. Antonio verbindet das Triumphbogenschema mit der Eingangsarkade - es wird als Schauwand
nach vorn gezogen.
Die Durchgliederung einer Wand mit Halbsäulen oder Pilastern, mit hoher durchlaufender Sockelzone
und Nischen kehrt dann zwischen 1538 und 1541 an der Porta di Sto. Spirito wieder. Schließlich mag
noch ergänzend die Vestibüllösung im Palazzo Farnese - in ihrer heutigen Durchbildung nach 1541
entstanden - genannt werden, welche die einzelnen Architekt Urelemente in einer plastisch drängenden
Form zeigt (vgl. die Abb. bei Venturi, Bd. XI, 1, Fig. 589 und 623).
Von dieser einen Linie aus betrachtet, scheint die Cappella Paolina wieder näher an die Frühwerke
anzuschließen. Und doch ist auch ihre Formgebung nicht mehr aus der Vorstellungswelt, wie sie etwa die
Cappella Alborense verkörperte. Die zwischen 1538 und 1540 entstandene Kapelle (Abb. 157} ist als
länglicher rechteckiger Saal mit einem schmaleren tonnenüberwölbten Altarraum gebildet. Ein hoher,
gleichmäßig umlaufender Sockel legt die Proportionen des Aufbaus fest. Das System der Wandschichtung
und -gliederung ist in seinem komplizierten Ablauf von den klassischen Lösungen getrennt: an den Längs-
seiten werden je zwei Pilasterpaare gegeben. Sie trennen drei große Felder ab, von denen die größeren
mittleren um Pilastertiefe zurückspringen. Über den tiefer liegenden Wandschichten erheben sich die
Lünettenfenster. Die Breite der mittleren Wandfelder und der Lünetten entspricht der Breite des Altar-
raumes. Ebenso ist die Türlünette an der Eingangs wand im Querschnitt dem Altarraum-Tonnengewölbe
angeglichen. Dieses Grundmaß bestimmt die Gliederungen des Gesamtbaues: es wird zu einem Glieder-
netz verschmolzen, das den Raum mit seinen Wänden allseitig bindet. Das Gewölbe aber ist ,,a schifo“50
gegeben, in einer Verschmelzung von Tonne und Spiegelgewölbe: keine Halbkreistonnen-Lösung mehr,
sondern von einem umlaufenden Gesims ausgehend eine gedrücktere, abgeflachte Gewölbeform. In
diesem Zusammenhang mag an das flachere Muldengewölbe der Cappella Cesi erinnert werden51. Für die
Frühzeit seiner Schaffensperiode sind solche Gewölbeformen undenkbar. Hier werden manieristische
Stiltendenzen entwickelt - wie sie auch das Schichtensystem der Paolina aufzuzeigen vermag.
Die Cappella Cesi steht stilistisch und zeitlich zwischen der Cappella del Sacramento in Foligno und der
Cappella Paolina. Die Entwürfe auf fol. 703 mit Halbkreisnischen, die aus einem ovalen Planschema
herausentwickelt werden, dann der Ausführungsplan mit tiefen Rechtecknischen und hoher, den Gesamt-
raum festlegender Sockelzone, wobei einander die plastischen Gliederungen der Basis und Sockelplatte
von Grabmalsockel, Altarwand und Kapellenabtreppung fast tangieren und gegenseitig in Spannung
halten, die Wirkung der von Sangallo selbst eingetragenen reichen Dekorformen für den Gesamt-
rhythmus und schließlich die Gewölbeform sind von der strengen, klassischen und oft etwas nüchternen,
49 Blatt 1101 A bedarf noch genauerer Bestimmung. — Die moderne Beischrift am linken Rand bezieht die Zeichnung auf Sangallos
Entwürfe zum Triumphbogen Karls V. Wenn auch damit die zeitliche Ansetzung, um 1533—1535, sicher richtig ist, so sprechen
m. E. die Fenster- und wohl auch die Altareintragungen in (hinter) der Eingangszone doch für einen Kapellenaufriß. Es ist sogar
nicht ganz ausgeschlossen, daß fol. 1101 auch im Zusammenhang mit der Cesi-Kapelle gesehen werden kann. Hierfür sprechen
besonders die Eintragung des halben Pilasters links — in einer Linie durch den Vollpilaster gezogen und noch extra mit „pilastro“
vermerkt — und das beigefügte Grundrißschema mit einem Vollpilaster unten und kurzem Wandpilaster oben. Ferner vielleicht
die hohe Sockelzone mit der geraden, hohen Abschlußplatte. Wenn man den heutigen Eingangsbogen nur wenig verengt, dann
gehen auch fast alle Maße auf. Doch durch die Einzeichnung einer Ordnung über dem Hauptgesims wird die Identität mit der
Cesi-Kapelle wieder etwas fraglicher.
50 F. Baumgart u. B. Biagetti, Die Fresken des Michelangelo in der Cappella Paolina, Cittä del Vaticano 1934, S. 12.
51 Unter den Zeichnungen Sangallos zur Cesi-Kapelle befindet sich auch ein Dekorationsentwurf zum Gewölbe. Fol. 974 (27,6 x
23,4 cm; Wasserzeichen: Leiter in einem Kreis, darüber Stern) und Cat. Orn. 35 (23,3 x 23,4 cm), zu einem Blatt zu ergänzen,
das erst in späterer Zeit auseinandergeschnitten wurde (und deshalb heute unter verschiedenen Rubriken geführt wird), geben
einen voll durchgezeichneten Plan zu einer Kassettierung wieder. Gemäß der späteren Stilstufe, und der Gesamt-Kapellenlösung
adäquat, erscheint die Kassettierung reich ausstuckiert; es ist nicht mehr das klassisch-strengere Gerüstschema des Cappella-
Alborense-Gewölbes. - Auf der Rückseite beschriftet: ,,di ciesi p la pacie“.
 
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