Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0489
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Friedrich Weinbrenners Zeichnungen nach antiken Skulpturen

485

Was ist nun der Sinn des Studiums der antiken Skulpturen durch Weinbrenner? Nach seiner humani-
stischen Auffassung und ästhetischen Anschauung soll die antike Baukunst das alleinige Vorbild für
den zeitgenössischen Architekten sein. Zu ihr gehört als „Attribut“ auch der Schmuck durch figürliche
plastische Bildwerke. Sie haben ihren vorbestimmten Platz in der Gesamtarchitektur: die Reliefs als
Friese im Innen- und am Außenbau, als Verzierung eines Sockels oder einer Attika, die Einzelstatuen
und Statuengruppen in Giebeln, Nischen, auf Treppenpodesten, als Bekrönung von Denkmälern und
anderes. An diesen Stellen sind sie in zahlreichen architektonischen Entwürfen und auch in Beispielen
„der praktischen und perspektivischen Zeichnungslehre“ seines Lehrbuchs eingezeichnet8. Zwei Beispiele
dieser Entwürfe aus der römischen Periode Weinbrenners in der Karlsruher Kunsthalle illustrieren aufs
beste die Verwendung seiner Studien. Der eine stellt ein Kriegerdenkmal für die Schlacht von Roßbach
dar (Abb. 358 9. Hier ist inmitten eines Hofes auf einen hohen rechteckigen Sockel, der gleichzeitig als
Ruhestätte für die Gefallenen dient, eine niedrige Säule gestellt, die, ganz nach dem Vorbild der von
Weinbrenner bewunderten Trajanssäule, mit Streifen kriegerischer Reliefszenen umkleidet ist. An den
vier Ecken des Sockels sind vier Taten des Herkules, darunter auch der Kampf mit dem nemäischen
Löwen (vgl. Abb. 348) in freiplastischen Gruppen angebracht, auf der Spitze der Säule steht über einer
breiten Deckplatte das Standbild der Athene. Das andere Denkmal ist im Hof eines Arsenals errichtet
(Abb. 359)10. Auch hier eine Athene, auf einem Thron über hohem Sockel sitzend, dessen vier Seiten -
abermals in Anlehnung an den Schmuck der Trajanssäule an denselben Stellen - mit Reliefs von Waffen
als Trophäen umgeben sind. In beiden Fällen werden zur Symbolisierung ihres kriegerischen Gehalts
Figuren, Szenen und Insignien der antiken Mythologie benutzt. Besonders herausgehoben sind dabei:
Athene, die Göttin der Feldschlachten, und Herkules, der als Held die Unsterblichkeit errang. Alle diese
plastischen Gebilde entsprechen aber nur dem Stile nach den von Weinbrenner kopierten antiken
Skulpturen, zeigen also, daß ihm ihre freie Verwertung in seinen Bauten durch von ihm beauftragte
Bildhauer vorschwebte.
Umgekehrt empfiehlt der Künstler seinen Schülern in seiner „Verzierungslehre“ bestimmte antike Vor-
bilder ornamentaler Art als direkte Muster für ihre Bauten11. Er selbst hatte eine besondere Vorliebe für
den ornamentalen Schmuck der Ara Pacis. So verwendete er ihr Dekorationssystem, die Fruchtgirlanden
mit Opferschalen und Festbinden, am Außenbau der Evangelischen Stadtkirche in Karlsruhe12.
8 Architektonisches Lehrbuch II, 6. Heft.
9 Aquarell. Federz. H. 62 :B. 84,5, dat. 1794.
10 Lavierte Federz. H. 73 :B. 102, dat. 1795.
11 Arch. Lehrbuch III, 2. Heft, Über architektonische Verzierungen, 6. Kap.
12 Vgl. Valdenaire, I. Auflage, S. 241, und „Denkwürdigkeiten“, S. 180.
Abbildungsnachweis. Abb. 341, 343, 344, 346-351, 353-355, 357-359: Fotoarchiv Kunsthalle Karlsruhe; Abb. 242 nach Curtius-
Nawrath, Das antike Rom, 19573, Abb. 18; Abb. 345 nach Buoni, The Cap. Coll., 1950, Tal. 27; Abb. 352 nach Buoni,
Taf. 35; Abb. 356 nach F. Wolters, Nr. 1894.
 
Annotationen