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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Aphrodite.

9. Aphrodite (Tafel 18).
Über die Verbreitung des Aphroditekults in der hellenistisch-römischen Welt Worte zu
machen, ist unnötig1); zeigen doch schon die Bildchen 176—186, die alle dem kaiserzeitlichen
Ägypten entstammen, wievielerlei Typen an der Peripherie der Kultur den bescheidenen Hand-
werkern geläufig waren; ihre sehr zahlreichen Parallelen gar weisen wohl leichte Verschieden-
heiten auf, so daß keine zwei sich völlig entsprechen; Grund genug zu sehen, wie die Vor-
stellungen an dem Typenschatz der griechischen Kunst sich weiterbildeten. Nur wenig zeigt
die Berührung mit der fremden Welt, etwa der Kopfschmuck der Hathor-Aphrodite (176), viel-
leicht die bei griechischen Göttern nicht geläufige Gewohnheit, Blumen ins Haar zu stecken
(178), vielleicht auch der Inhalt von 185/186. Der grazile Körper (179/180) wird selten er-
reicht2); stark fraulich sind zumeist die Formen (176, 178, 181, 185), widerlich fett nur einmal
(177). Die Hathorkrone, das Diadem, auch eine Mondsichel, Blumen schmücken das leicht-
gewellte Haar, das die Göttin sich aufsteckt oder trocknet3), oder die Perücke im Stil der
Frisuren der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr.4); oder das Haar ist schlicht zum Knoten ge-
bunden. Sie erscheint ganz nackt oder mit einem flatternden, noch halb zurückgewehten
Schleier, als halte sie eben an von ihrem Schweben übers Meer (177); oder naturalistisch
leichter hängt dieser Schleier nach hinten herab5). Oder sie trägt den losen Chiton und rafft
vor dem Schoß den Mantel6), zieht diesen allein über den Oberschenkel herein, um sich zu
verhüllen, oder läßt ihn über dem leicht gebeugten Knie hängen. Das alles sind keine neuen
Motive: Jeder kennt auch die instinktive Handbewegung des göttlichen Weibes7) — nur daß
sie bei 177 nicht viel nützt — kennt das Umlegen des Brustbandes8), den kleinen Eroten auf
der Schulter9); was hier dann mythologisch verstanden wird, ist anderwärts längst Dekorations-
figur geworden: Die Aphrodite mit der Muschel (178) ist anderwärts zur Brunnenfigur, einer

!) Vgl. aus der endlosen Literatur zuletzt Perdrizet, Coll. Fouquet S. I ff. und Hekler, Österr. Jahresh. XI, S. 114ff.
Bei Perdrizet auch lit. Zeugnisse für Ägypten. — Betont sollte doch werden, daß die Göttin auf den alex. Münzen der Kaiser-
zeit sehr selten vorkommt. Wie ist das zu erklären?

2) Es sind die Formen des 4. Jahrh.; vgl. etyva die Aphrodite aus Benghasi, Springer-Michaelis9 Fig. 594. Sie herrschten
vor allem in der Reihe der reingriechischen Haarordnerinen. Z. B. Wallis, Eg. Cer. Art pl. 28; aber meist in gleich spielender
Haltung plump und roh, Landschranzenhaft; vgl. etwa die Figuren Österr. Jahresh. XI, 114ff. Ein netter Scherz, eine kleine
Figur in einer Muschelnische mit Triangulardach und gedrehten Säulen. Ein Schildchen darunter mit der Aufschrift eines
Witzbolds:H ΧΑΡΙΣ. (Slg. Arndt, Inschrift scheint antik.) Eine Kauernde bei Wallis,' a. a. 0. Fig. 109 erinnert an Furtwänglers
Wort (Roscher I, 418), daß die erhaltenen Statuen der Kauernden „auf ein Original von sehr reifen, ja fetten Formen" zu-
rückgehen. Die übrigen klingen ganz schwach an die hellenistischen Typen der Göttin an.

3) Vgl. Anm. 2. Ein Ex. der Slg. Arndt zeigt sie beschäftigt, neben der ägyptischen Perücke heraushängende Strähnen
echten Haares aufzunehmen. — Perdrizet tut trotz seiner hübschen Bemerkungen S. 4ff. Bernoulli, Aphrodite, 313ff. Unrecht;
denn eine Karlsruher Terr. zeigt die Haarordnerin im Naos, dessen Türen geöffnet stehen. Also war sie Kultbild.

4) Julia Mammaeas Zeit. Das dürfte für die Figur ein chronologisches Indizium sein; ein Ex. bei Guimet ähnlich ekler
Stilisierung zeigt sie in gleicher Haltung und ebenso ausgezogen mit anderer Frisur und der arg entstellten Atefkrone. —
Es mag etwas älter sein; im übrigen ganz individuell (ohne Muschel).

5) Vgl. dazu Amelung, Vatikan II, Nr. 42, Taf. 12; Nr. 425, Taf. 75.

6) Vgl. das im Bausch flatternde, Reinach II, 1, 347, 1 u. 5.

7) Die hat noch der rohe Tonklumpen Nr. 184 festgehalten, wie sie die leicht hellenisierte Ägypterin Tete-har-si-ese als
Hathor im Sarg noch nachahmt, Berlin 31 = Ausführl. Verzeichn.2, S. 343, Fig. 66 und wie sie seit uralten Zeiten in der
Gebärdensprache der Kunst feststand.

8) Ähnl. bei Guimet; vgl. auch Edgar, Moulds pl. XXIV, 32007. Reinach, Rep. II 345.

9) Auch dazu eine Reihe von Parallelen: vielleicht Ν. 312 a, z. B. in Hildesheim 987, Schreiber, Alex. Toreutik 311,
Fig. 51 ; Bernoulli, Aphrodite 119; z. B. auch die Venus aus den Planetenbildern in Pompei, Niccolini, IV Suppl. Tav. XXVI.
Furtwängler, Gemmen III 447, Fig. 230 das Motiv, wie der Erot an ihre Schulter herangeflogen ist.
 
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