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Modderman, Pieter J.; Clason, Anneke
Die neolithische Besiedlung bei Hienheim, Ldkr. Kelheim (Band 1): Die Ausgrabungen am Weinberg 1965 bis 1970 — Kallmünz/​Opf.: Verlag Michael Lassleben, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.63701#0133
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SONSTIGE BEFUNDE

Die Grenzen der besiedelten Fläche während der ge-
samten bandkeramischen Periode liegen selbstredend
an den Seiten fest, wo das Gelände steil zur Donau-
niederung und dem Tal auf der SW-Seite abfällt.
In den anderen Richtungen waren diese Grenzen
jedoch beim Ablauf der Grabungskampagne 1970 noch
nicht erreicht worden. Während der Grabungen der
Jahre 1971, 1973 und 1974 wurde diese Aufgabe
mit Erfolg gelöst.
Reste einer linearbandkeramischen Umzäunung sind
sehr wahrscheinlich in den Quadraten L,M-5 gefunden
worden. Sie können zu der frühesten Phase der Sied-
lung in Hienheim gehört haben. Die übrigen Pali-
sadengräbchen können entweder nicht in einen Kon-
text eingeordnet werden, oder sie sind schlecht zu
datieren, so daß sie keine Auskünfte verschaffen
über eine Begrenzung der Siedlung (siehe S. 47).
Die Lehmgruben neben den linearbandkeramischen
Gebäuden scheinen keine andere Funktion gehabt
zu haben, als Baumaterialien zu liefern. Sie fehlen,
wie auch überall sonst, neben den mittelneolithi-
schen Häusern. Das läßt die Frage aufkommen, ob
damals der Lehm für den Häuserbau ausschließlich
aus den viel weniger zahlreichen Gruben stammte,
oder ob man von außerhalb der Siedlung Lehm her-
beitransportierte. Eine andere Möglichkeit ist, daß
die Wände so konstruiert wurden, daß man keinen
oder doch viel weniger Lehm brauchte als in der
vor angegangenen Periode.

Ein völlig ungelöstes Rätsel bleiben für uns die sog.
Gerbegruben, die länglichen Gruben, die im Quer-
schnitt ein spitz zulaufendes Profil zeigen (Van de
Velde 1973). Es erscheint als fast ausgeschlossen,
daß sie bei der Gerberei benutzt wurden. Die Hypo-
these, es handle sich um Kultusgruben, sagt uns
nicht zu. Wir haben aber keine auch nur einiger-
maßen akzeptable Alternative zu bieten. Die mei-
sten Datierungen der sog. Gerbegruben deuten auf
mittelneolithisches Alter. Das Streuungsbild der
Gerbegruben weist in Hienheim Übereinstimmun-
gen auf mit dem der mittelneolithischen Spuren,
was die Möglichkeit verstärkt, daß es hier Gleich-
zeitigkeit gibt. Daß sie schon zur Zeit der Linear-
bandkeramik angelegt worden wären, kann aber
nicht ganz ausgeschlossen werden.
Ein genauso rätselhafter Befund sind die freistehen-
den Wände (siehe S. 45). Soweit wir haben ermit-
teln können, handelt es sich um eine bayerische
Eigentümlichkeit.
Einwandfreie Beiträge zum Phänomen Silo haben
die Grabungen in Hienheim nicht erbracht. Ledig-
lich eine zylindrische Grube mit rotgebackenen Wän-
den und Boden, sowie eine kegelförmige Grube,
beide aus dem Mittelneolithikum, scheinen der Vor-
stellung zu entsprechen, die man von diesen Ge-
treidelagern hat. Es wurden noch weitere zylinder-
förmige Gruben festgestellt, aber deren Funktion
ist völlig im Dunkeln geblieben.

BANDKERAMISCHE FUNDE

Die Hienheimer Grabungen haben unsere Kenntnis-
se von der linearen und mittelneolithischen Band-
keramik in bezug auf die Tonware, den Silex
und die übrigen Steingeräte sicherlich bereichert,
schon alleine deswegen, weil uns jetzt gute, ge-
schlossene Fundgruppen zur Verfügung stehen. Die
Gewißheit über die Geschlossenheit der Funde aus
einer Grube nimmt ab, je nachdem sie zu einem
späteren Zeitpunkt in der Siedlungsgeschichte von
Hienheim eingetieft worden ist. Eine Relativierung
muß auch im Hinblick auf alte, tiefe Gruben vor-
genommen werden, weil deren Füllung sich gesetzt
haben kann, so daß die oberste Schicht jüngeres
Material enthalten kann, als die Mehrheit des Gru-
beninhalts sonst aufweist. Dadurch treten Unrein-
heiten in der Zusammensetzung des Materials auf,
die nicht immer eliminiert werden können. So ist

es ein echtes Problem, inwiefern linearbandkera-
misch verzierte Scherben gleichzeitig auftreten mit
Tonware, die nach mittelneolithischen Kriterien ver-
ziert ist.
Ein Problem, über das noch gearbeitet wird, ist die
Gliederung der verzierten linearbandkeramischen
und mittelneolithischen Keramik, jeweils für sich
genommen. Solange diese Untersuchungen noch nicht
abgeschlossen sind, sei auf die vorläufigen Veröffent-
lichungen von P. van de Velde (1973 b — Die Haus-
nummern in diesem Artikel sind inzwischen geän-
dert worden: 13 ist jetzt 14; 16 = 17; 20 = 24;
27 = 31; 31 = 35. — 1976) hingewiesen.
In der vorliegenden Publikation wollen wir uns
mit einigen allgemeineren Bemerkungen über die
Hienheimer Keramik begnügen. Die linearbandkera-
mische Tonware macht den Eindruck, sie sei mit

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