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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 6.1907

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Nr. 3
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Lehmann, Arthur: Professor Hermann Billing - Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.23633#0137
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3
VI
| MODERNE BAUFORMEN
1 MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR

PROFESSOR HERMANN BILLING-KARLSRUHE
VON ARCHITEKT A. LEHMANN-MANNHEIM

Die Architektur ist nicht wie die Malerei und
die Plastik die Darstellung eines Naturgegen-
standes, sondern — abgesehen von den praktischen
Zwecken der Baukunst — eine rein abstrakte
Kunst. Sie wirkt auch künstlerisch nur durch
den Eindruck von Formen und Farben, nicht durch
etwas Gegenständliches. *)
V Mit diesem so einfachen und doch lapidarem Satz
kennzeichnet der Künstler selbst sofort sein ganzes
Wesen und Wollen, offenbart er sein grosses künst-
lerisches Programm. Eigentlich müsste dieser Ge-
danke jedem Architekten im Fleisch und Blut
sitzen, aber die grosse Zahl quält sich immer noch
mit mehr oder minder Glück mit Nachahmen, Um-
gestalten und Weiterbilden historischer Stile und
sieht im „geschmackvollen Detail“, in der „guten
Profilierung“ ihr Heil. Billing geht radikaler vor.
Er hat richtig erkannt, dass die Schönheit jeder
Baukunst nicht in den Einzelheiten liegt, sondern
dass die Masse der Materie die Quelle der
Monumentalwirkung ergibt, die Masse in ihrem
grossen Umriss, in ihrer stufenweisen Gliederung
als verschieden geartete Fläche, als Licht und
Schatten. Das schmückende Ornament ist ihm
daher zunächst vollkommen Nebensache, ist auch
nicht gerade die stärkste Seite seines Könnens, die
Masse in ihrer Erscheinung ist das Wesent-
liche, das Bedeutsamste seiner baukünstlerischen
Schöpfungen. In ihrer Beherrschung nach allen
Dimensionen, in ihrer Handhabung als Sprache des
inneren abgegrenzten Gedankens, in der Durchbil-
dung ihres Stoffes zeigt Billing eine Kraft, eine
Eigenart, die seine Kunst zu einer ganz persön-
lichen macht, welche ein unbewusstes Nachahmen
völlig ausschliesst. Das bestimmte sichere
Hinarbeiten auf die absolute Form ist wohl
der erste und stärkste Eindruck, den man vor Bil-
lings Werken erhält. V
Hermann Billing, Architekturskizzen, Verlag Julius Hoffmann,
Stuttgart. Vorwort

V Ein Wohnhaus! Eine Villa! Die inneren For-
derungen solcher Gebäude sind im grossen und
ganzen ziemlich ähnlich. Es entsteht ein Haus mit
Wänden, Fenstern, Erkern, Baikonen, Giebeln,
Dachflächen etc., lauter Bauglieder, wie sie überall
Vorkommen, und doch ist aus dem Zusammenschluss
aller Teile ein Werk geworden, das in zunächst un-
gewohnter Sprache zu uns redet. Betrachten wir
als ein Beispiel die Villa Schwedler-Karlsruhe:
Eine ruhige, sichere Breite des Grundrisses, straffe
sich steigernde Linie der Silhouette, eine geschlos-
sene Massenwirkung, der zuliebe sogar das Dach-
gesims fast gänzlich zurückgeschoben wurde, grosse
Flächenbetonung, horizontal gegliedert durch die
Verschiedenartigkeit der Baumaterialien, Sandstein
und Putz, eine absolute Unterordnung des Orna-
ments unter die einheitliche Form. Man muss nicht
gerade auf John Ruskins Kunstideal schwören, um
dennoch zu erkennen, dass hier im kleinen versucht
worden ist, die von dem grossen Aesthetiker ange-
schlagenen reinen Klänge der Schönheit zum Aus-
druck zu bringen. Es bleibt hiebei selbstverständlich
vollkommen offen, ob unser Künstler die Töne
dieser Harmonien kannte. Der Musikvirtuose wird
nur den alten Meister zu Gehör bringen, der Kom-
ponist, wenn er auch nicht immer ein Meister-
spieler ist, weiss fast stets neue Akkorde, neue Ton-
folgen zu finden, die bald eine frische Zuhörer-
schar, wie manchen Interpreten fesseln. V
V Mit bedeutenderem Inhalt wächst der Gedanke,
die Kraft des Könnens, die Möglichkeit der freieren
Betätigung. Ein Teil der Abbildungen zeigt uns
den Billing’schen Konkurrenzentwurf für die Fest-
und Ausstellungshalle des Hohenzollern-
gartens in Frankfurt a. Main. Ich habe leider
die Projekte der anderen Bewerber nicht gesehen,
jedoch auch ohne Vergleich, nur als Werk des
schaffenden Künstlers betrachtet, redet diese Arbeit
machtvolle Worte von „Grosszügigkeit und selbst-
ständigem Geistesgehalt“. Was am Grundriss und
 
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