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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Empfangsabend bei Fürst Eulenburg in Wien
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Droste, Carlos: Kunstleben in Dessau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0251
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[Nachdruck verboten.]

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a den gastlichsten Häusern der vornehmsten Wiener Gesellschaft zählt
das Palais der kaiserlich deutschen Botschaft in der Metternichgasse. Der
in modernem Renaissancestil ausgeführte stattliche Bau eignet sich ver-
möge seiner ganzen Anlage in hervorragender Weise zur Veranstaltung glänzender
Empfänge und Feste. Während für die Geselligkeit im kleineren Kreise eine
Reihe von Salons im Erdgeschosse durch ihren intimen Charakter wie geschaffen
erscheint, enthält die Belletage, zu welcher eine Freitreppe emporführt, die
grossen Festräume für Routs und Bälle, bei denen die Zahl der Geladenen nach
Hunderten zählt.

Es vergeht keine Saison, in welcher der fürstliche Hausherr und seine edel-
sinnige Gemahlin nicht zu wiederholten Malen die Wiener Gesellschaft bei sich
zu Gaste sehen, und wenn sich diese im Palais der deutschen Botschaft nach-
gerade heimisch fühlen gelernt hat und an den hier stattfindenden Empfängen
sichtliches Gefallen findet, so liegt dies vornehmlich an der liebenswürdig ge-
winnenden Weise, in der der Fürst und die Fürstin, welche am 20. November d. J.
das Fest ihrer silbernen Hochzeit gefeiert haben, die Honneurs zu machen ver-
stehen, wobei sie auch von ihren anmutsvollen Töchtern unterstützt werden.
Man weiss, dass der als gewiegter Diplomat bekannte Botschafter, wenn er seine
Amtsgeschäfte erledigt hat, mit den Musen Zwiesprache zu halten pflegt. Sind
auch die empfindungsreichen Poesien und duftigen Märchen Philipp zu Eulen-
burgs nicht in die weitesten Kreise gedrungen, so haben doch die stimmungs-
vollen, sanglichen Lieder, die er geschaffen, eine sehr grosse Verbreitung ge-
funden; mit Vorliebe werden sie hier und in Deutschland in Konzerten wie im
häuslichen Kreise gesungen, nicht weil ihr Autor einen vornehmen Namen trägt,
sondern weil die gute Musik, die in seinen Kompositionen hegt, sympathisch be-
rührt und das Herz erfreut.

Von dem künstlerisch angelegten Wesen des Hausherrn, dessen Kunstver-
ständnis von seiner Gemahlin und seinen Kindern geteilt wird, nehmen auch die
in seinem Hause stattfindenden Soireen ein künstlerisches Gepräge an. Ganz
abgesehen von den Abendgesellschaften im intimeren Kreise, bei denen unter
Mitwirkung hervorragender Kunstkräfte und im Beisein kunstsinniger Gäste
fleissig musiziert wird, pflegt das fürstliche Haus den Geladenen auch bei grossen
Empfangsabenden manchen Kunstgenuss zu bieten. Fast jedesmal ist auf der
oberhalb des Festsaales befindlichen, eigens für die Musik bestimmten Galerie
ein gutes Orchester aufgestellt. An dem auserlesenen Geschmack, mit dem das
Programm des Konzertes zusammengestellt ist, errät man die kunstverständige

Wahl des Gastgebers. Zuweilen enthält dieses Programm ganz besondere Ueber-
raschungen; einmal einen vierstimmigen Frauenchor, dann wieder einmal eine
Komposition des musikalisch hochbegabten Sohnes des Fürsten, oder eine eigene
Schöpfung Philipp zu Eulenburgs; bei der grossen Bescheidenheit des Autors
zählt letzteres jedoch zu den grössten Seltenheiten. Unser Bild lässt uns einen
Blick in den grossen, weiss mit Gold dekorierten Empfangssaal werfen. Wir
sehen im Vordergründe den Botschafter eine hohe Dame, wahrscheinlich eine
Erzherzogin in den Saal führen, welcher Fürstin Eulenburg zum Empfange ent-
gegen geschritten ist. Der Platz, den sie kurz vorher inmitten einer Gruppe
von Damen des Hochadels und der Diplomatie eingenommen, ist noch frei.
Rechts stehen einige junge Offiziere im Gespräche mit Komtessen. Der Herr
in Uniform zwischen den beiden ersterwähnten sich begrüssenden Damen trägt
die Züge des Statthalters Grafen Erich Kielmansegg; der im Profil zu ihm ge-
wendete jene des berühmten Kammermedailleurs Anton Scharff, während der
etwas weiter rückwärts stehende Herr mit dem langen Vollbarte, welcher den
Rücken dem türkischen Botschafter zukehrt, volle Porträtähnlichkeit mit dem
viel bewunderten Bildhauer Prof. Caspar v. Zumbusch aufweist. Dort, wo links
im Hintergründe eine Gruppe von Herren beisammen steht, sieht man in den
Nebenraum, welcher das lebensgrosse Bildnis des deutschen Kaisers von Koner
enthält. Die besondere Huld, deren sich der Botschafter seitens seines kaiser-
lichen Herrn zu erfreuen hat, ist bekannt; der Ursprung derselben soll noch auf
die militärische Dienstzeit Philipp zu Eulenburgs zurückzuführen sein; später
begegnete er dem Monarchen öfter gelegentlich der Jagden bei dem Fürsten
Dohna in Ostpreussen. Dass schliesslich die Beziehungen noch nähere wurden
und der Botschafter wiederholt zum Begleiter Seiner Majestät bei den Nord-
landsreisen ausersehen ward, dabei mag wohl auch die göttliche Kunst, die
Musik mitgewirkt haben, welcher der hochsinnige, erhabene Monarch ebenso
hold ist wie sein Botschafter. Dass letzterer den kaiserlichen Herrn und das
Deutsche Reich am Wiener Hofe in der glänzendsten und würdigsten Art
repräsentiert, braucht nicht noch besonders hervorgehoben zu werden. Fürst
und Fürstin zu Eulenburg sind bei unserem Hofe sehr beliebt und stets gern
gesehen und haben seitens des Kaisers Franz Joseph und der Mitglieder seines
Hauses wiederholte Beweise von Sympathie erhalten. Von jenen der Wiener
Gesellschaft war bereits die Rede. Die in Wien lebenden deutschen Reichs-
angehörigen aber verehren in ihrem Botschafter einen stets für ihre Interessen
eintretenden, hilfsbereiten Beschützer. C. v. Z.

-

Weitab von der grossen Heerstrasse und fern dem Getriebe des rauschenden
Weltverkehrs liegt nur wenige Kilometer oberhalb der Mündung der
Mulde in den Elbstrom die Haupt- und Residenzstadt der anhaltinischen Lande,
das kleine, kaum 50000 Einwohner zählende Dessau. Prächtige, sorglichst ge-
pflegte Parkanlagen schmücken diesen seit dem Jahre 1603 von den Herrschern
des Hauses Anhalt-Dessau zu ihrem Lieblingssitz erkorenen, schon von Natur
ungemein lieblich gelegenen Ort und zahlreiche Bauten, Monumente und Bilder-
werke geben dem Wanderer, der seine Strassen betritt, Kunde von dem Kunst-
sinn der Fürsten, die im Laufe der Jahrhunderte hier regierten. Wie in der
Stille beschaulicher Zurückgezogenheit und unter dem starken Schutze eines
edelsinnigen Fürstengeschlechts Wissenschaft und Kunst mächtig zu erblühen
und zu gedeihen vermögen, das lehrt uns das Beispiel Dessaus. Die Stadt, die
einem Moses Mendelssohn, dem Philosophen und grossen Freunde Lessings,
und einem Wilhelm Müller, dem begeisterten Sänger der „Griechenlieder“,
das Leben gegeben, in deren Mauern ferner ein Friedrich Schneider, der
Komponist des „Weltgerichts“, ein Menschenleben hindurch gewirkt hat, nimmt
auch heute noch in der deutschen Kunstwelt, ganz speciell aber im deutschen
Musikleben, gleich Weimar und Karlsruhe eine Sonderstellung ein. Einen unge-
wöhnlichen Ruf hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte besonders die Dessauer
Oper erworben. Welches Zeugnis könnte hierfür wohl beredter sprechen als
dasjenige eines Meisters wie Richard Wagner, welcher, als er in den sechsziger
Jahren zufällig einige Zeit in Dessau zu Besuch weilte, schon damals erklärte
(s. Richard Wagners „Gesammelte Schriften und Dichtungen“), einer so rnuster-
giltigen Aufführungsweise (man gab Glucks „Orpheus“), wie in der anhaitischen
Residenzstadt, noch nirgends begegnet zu sein. Einen besonderen Aufschwung
hat die Dessauer Oper unter der Aegide des gegenwärtig regierenden Herzogs
Friedrich von Anhalt genommen. Gewährt dieser hochgesinnte Fürst in
reichem Maasse die pekuniären Mittel, um das Hoftheater fortgesetzt auf einer
Achtung gebietenden künstlerischen Höhe zu erhalten, so tritt sein erlauchter
Sohn Se. Hoheit Erbprinz Friedrich von Anhalt sogar in der Praxis, durch
persönliche Bethätigung bei allen künstlerischen Fragen, bei Proben, Einstudie-
rungen, Aufführungen u. s. w. für die von dem anhaitischen Fürstenhaus stets

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gepflegte ideale Tradition ein, und es ist in Bühnenkreisen weit und breit gar
wohl bekannt, welch feinsinniger und kunstverständiger Bühnenleiter, welch
trefflicher Musiker und scharfsichtiger Regisseur der Erbprinz von Anhalt ist.
Und in der That — wer Gelegenheit gehabt hat, in Dessau der Aufführung etwa
der Gluckschen „Iphigenien“, des Wagnerschen „Tannhäuser“, „Lohengrin“ und
der „Meistersinger“ oder gar der Trilogie „Der Ring der Nibelungen“ beizu-
wohnen, wird die eminente Kunst des fürstlichen Regisseurs und die überaus
sorgsame und pietätvolle Art, mit welcher hier die Werke unserer grossen
deutschen Meister vorbereitet und herausgebracht werden, willig und bewundernd
anerkennen. Bei den Bayreuther Festspielen und den Münchener Sommer-
vorstellungen Wagnerscher Werke ist Erbprinz Friedrich ein nie fehlender Gast.
Keine Nuance, keine noch so unwesentliche Einzelheit entgeht seinem kritischen
Auge und bei solchen Gelegenheiten sammelt der hohe Herr die Erfahrungen
und Eindrücke, welche er daheim seinen Künstlern im vertrauten persönlichen
Verkehr mitzuteilen und zu inspirieren weiss. Dass es seinem künstlerischen
Scharfblick gelingen musste, neben einer Anzahl vortrefflicher Sänger und
Musiker vor allem auch den geeigneten musikalischen Leiter für das unter seiner
Obhut und Pflege so schön erblühende Institut in der Person des jetzigen Hof-
kapellmeisters Dr. August Klughardt zu gewinnen, darf nach dem Gesagten
kaum Wunder nehmen. Wie Erbprinz Friedrich die Seele der scenischen
Vorgänge bei den Dessauer Aufführungen ist, so erblicken wir in August Klug-
hardt den genialen Spiritus rector des musikalischen Teiles der Vorstellungen.

Klughardt ist 1847 zu Cöthen im Anhaitischen geboren, studierte in Dresden
und wirkte dann neun Jahre lang als Hofkapellmeister in Neustrelitz. 1882 berief
ihn Herzog Friedrich nach Dessau, dessen altberühmtes Musikleben unter des
Künstlers Leitung alsbald zu neuer, noch nicht erreichter Blüte sich entfaltete.
Vor allen Dingen war es die ungemein lebendige und energische Dirigenten-
persönlichkeit Klughardts, welche nicht nur in der Oper, sondern auch auf dem
Gebiete der Konzertmusik, insbesondere durch die alle zwei Jahre abgehaltenen
anhaitischen Landesmusikfeste, einen ungeahnten Aufschwung herbeiführte. Die
excellente Dessauer Hofkapelle erwarb sich gar bald auch auf Konzertreisen ins
Ausland (Leipzig u. s. w.) einen glänzenden Ruf; als Opernorchester leistet sie
 
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