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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0100
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Alle Rechte, auch das der Übersetzung in andere Sprachen, sind den Urhebern Vorbehalten.

Copyright 1913 by Rieh. Bong, Berlin.

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Das Jubiläum der Benedictine.

Das idyllisch an der Küste der Normandie gelegene
Fecamp ist durch seinen Benediktinerlikör eine der be-
kanntesten Städte Frankreichs geworden. Schon im
Jahre 1510 hatte ein gelehrter Mönch des Fecamper
Benediktinerklosters, Dom Bernardo Vincelli, diesen
heute in der ganzen Welt verbreiteten Likör erfunden.
König Franz I. ließ sich bei einem Aufenthalt in
der Abtei eine Kostprobe reichen und soll, wie die
Chronik berichtet, ausgerufen haben: „Mein Ritter-
wort! in meinem Leben habe ich nichts Besseres ge-
trunken!“
Die Fraters führten bei ihren Besuchen in die Hütten
der Armen und Kranken immer einen Vorrat des heil-
samen Trankes mit sich, den man aus ihren Händen
wie eine Himmelsspende empfing.
Während der großen Revolution (1791) wurde das
Kloster verwüstet und ausgeplündert; die Mönche wurden
vertrieben und die Klostergüter als Nationaleigentum
eihgezogen. Seit dem Verschwinden der Mönche hörte
die Herstellung des Elixiers auf, und lange schien
es, als wäre das Geheimnis des Rezepts für immer
verloren.
Der revolutionäre Sturm hatte zwar in seinem tollen


reichen andern Prälaten gekommen, um die abermaligen
Vergrößerungsbauten zu weihen. Der Papst hatte der
Familie le Grand und allen Angestellten der Benedictine
seinen Segen gesandt. Während eines Hochamts in der
imponierenden gotischen Abteikirche sagte Mgr. Fuzet,
als er die Kanzel betrat und indem er sich an die Söhne
des Stifters wandte: „Handelten die Mönche anders,
deren Andenken diese Stätte heraufbeschwört und deren
Namen mit dem Ihren unauflösbar verknüpft ist? Auch
sie waren Kraft ihres Zusammenwirkens, ihrer macht-
vollen Initiative, ihrer Klugheit und Arbeit zu Reicli-
tümern gelangt, die allen zum Vorteil gereichten. Die
Monumentalbauten, die sie aufführten, zeugen davon;
aber nicht sie allein: die tausend oder zwölfhundert
Personen, die einst täglich an ihre Pforte klopften und
Unterstützung fanden, haben die Dankbarkeit ihrer Zeit
auf die jetzige Generation überkommen lassen. Sie,
meine Herren, haben etwas von ihrer Erbschaft über-
nommen, nur einen geringen Teil, gewiß, aber doch
einen kostbaren: das Geheimnis dieses Gebräues, das
zugleich so viel Gelehrsamkeit, Feinheit, Annehmlichkeit
und Fröhlichkeit in sich birgt, wie alles, was aus dem
Boden oder dem Genie Frankreichs ersprießt. Beinahe


Technischer Direktor Pierre le Grand.

Wirbel die Denkmäler einer ruhmvollen Vergangenheit
niederreißen können, er vermochte nicht alle Spuren
zu verwehen. Ein früherer Sachwalter des Klosters,

namens Couillard, hatte in der Zeit der Wirren einige
Überreste der kostbaren Bibliothek, Manuskripte und
auch sonstige Kunstschätze gesammelt; einer seiner Erben,
A. le Grand, setzte die Nachforschung nach den ver-
streuten Schätzen der Benedictine fort und stieß so auf
ein Bündel Pergamente, in denen Vincelli handschriftlich
einige seiner Rezepte verzeichnet hatte. Genau nach
der Vorschrift braute A. le Grand den Likör wieder,
nachdem er an den felsigen Küsten der Normandie die
im Rezepte aufgezählten Kräuter zur Zeit der Blüte, wo
sie im vollen Saft stehen, gepflückt und bearbeitet hatte.
Eine Fabrik wurde gebaut, die sich heute über ein aus-
gedehntes Terrain erstreckt und zu den herrlichsten Re-
naissancebauten Frankreichs gehört. Der unerhörte Auf-
schwung, den diese Likörfabrikation nahm, erlaubte ein
palastähnliches Gebäude aufzuführen, das den Schlössern
der Touraine ihre reizvollsten Motive entlieh und mit
dem krönenden Spitzturm weithin sichtbar ist. Der
Gründer starb im Jahre 1898 und ein ehernes Denkmal
wurde ihm errichtet, unweit der Statue Vincellis, dessen
Werk er fortgesetzt hatte.
Es sind jetzt fünfzig Jahre vergangen, seit die Bene-
dictine wiedererstand. Zur Feier des Jubiläums hatte
sich Fecamp reich mit Flaggen bewimpelt; in Extra-
zügen kamen die Gäste, viele aus weiter Ferne, um an
den Festen teilzunehmen. Erzbischof Fuzet von Rouen
und Bischof Lemonnier von Bayeux waren mit zahl-


Technischer Unterdirektor Eugene le Grand.

hätte ich gesagt, so viel Ästhetisches, weil es mit gar
so viel Kunst ersonnen ist, durch die unsere Mönche
die Bewohner dieser Gegend heilten und stärkten und die



1,

Gesamtbild der Benedictine.

XXVIII. 3. 13. 1
 
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