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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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4. Heft
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Harder, Agnes: Das Mädchen in dem akeleifarbenen Kleide: phantastische Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0116
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H. Fen n er-B ehmer: Renee.

Das FDädchen in dem akeleifarbenen Kleide.

Phantastische Novelle

er kleine Graf Magnus war der Letzte eines uralten Geschlechts. Das hatte
seine frische Kraft lange verloren und seine Rauflust eingebüßt. Die feste
Faust, die den Degen hielt und den Krämern Gesetze vorschrieb, hatte sich
gewandelt in feine, blasse Finger, und aus dem herrischen Auge war das eines Träumers
geworden, das besser nach innen sieht, in die Welten einer verschwiegenen Seele. Was
aber von der derben Fähigkeit, das Leben anzupacken, einmal bei den Grafen vor-
handen gewesen sein mochte, das hatte sich gelöst und war zu weitschweifigen Träumen
in einem abgelegenen Studierzimmer geworden. Von der Abenteuerlust war nichts


von Agnes Harder.
[Nachdruck verholen.]
geblieben als die Sehnsucht nach fernen Ländern, nach einem Ritt durch die Wüste,
den schweigsamen Scheich neben sich, oder einem nächtlichen Lehnen an die Reling,
wenn das Schiff das südliche Meer durchschnitt, und seine Schaumfurche aufleuchtete
von unzähligen phosphoreszierenden Sternchen.
Lange schon stand das Geschlecht immer nur auf zwei Augen. Auch Graf
Magnus hatte seinen Vater früh verloren und lebte mit seiner Mutter und einem alten
Hauslehrer still in stillen Räumen. Es hatten aber seine Vorfahren seit den Kreuzzügen
eine seltsame Vorliebe für Steine gehabt. Kaum einer war gewesen, der nicht ein

XXVIII. 11.
 
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