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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0133
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MODERNE KUNST.




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Prof. Otto Lehmann: Medaille des Ungerschen Frithjofs.
(Vorderseite.) Ausgeführt von der Aktien-Ges. Gladenbeck, Bildgießerei,

Frithjof-
Die
Tithjof-Kolossal statue,
die der Kaiser dem
norwegischen Volke
zum Geschenk machte,
als er in diesem Jahre
zum 25. Male seine
Fjorde besuchte, hat
auch in Deutschland
lebhaftes Interesse ge-
funden. Daher tauchte
der Gedanke auf, dies
Werk, das fern von
uns seine Aufstellung
gefunden, in einer Pla-
kette wiederzugeben.
Sie wurde von dem
ersten Mitarbeiter Professor Ungers, des Schöpfers der Frithjof-Statue, nämlich
vom Bildhauer Otto Lehmann ausgeführt und in der Bildgießerei H. Gladenbeck
& Sohn hergestellt. Die Vorderseite zeigt Frithjof frei aufgerichtet, wie ihn
die Statue darstellt, an der Seite das Schwert, mit kühnem Auge vorwärts
spähend. Die Rückseite gibt die Kaiserjacht „Hohenzöllern“ an der norwegischen
Küste wieder. So ist die Plakette wohl geeignet, dem freundlichen Begebnis,
wie sie die Schenkung der Frithjof-Statue an Norwegen bedeutet, ein bleibendes
Gedenken zu sichern. ;i; ...
Islamitische Schattenspielfigur. Das Schattenspiel, das bei uns längst
nur noch, wenn das Wortspiel gestattet ist, ein Schattendasein fristet und ,zum
Kinderspielzeug herabgesunken ist, höchstens noch gelegentlich in Kabaretts (wir
denken beispielshalber an die Schattenspiele der Münchener „Elf Scharfrichter“)
eine künstlerische Auferstehung feiert, ist bei den Völkern des Orients neben
der Tanzpantomime die beliebteste Form dramatischer Vorführungen und von
dort auch einst, wie kürzlich der Literarhistoriker Jakob in einem umfangreichen
Werke nachwies, zu uns Abendländlern gekommen. Es ist noch heute durch den
ganzen Orient verbreitet und im Wajang
Kulit der Javanen wohl allgemein be-
kannt. Die Javanen, bei denen diese
Kunst 1 heute noch in höchster Blüte
steht, fertigen ihre Schattenspielfiguren
teils aus Leder, teils aus Pappe, die
in mehreren Lagen aufeinandergeleimt
wird. Die letzteren Figuren werden
dann nicht ohne Geschmack farbig be-
malt. Beide Arten von Schattenfiguren
aber sind beweglich. Ein unten zuge-
spitzter, ganz dünner und also bieg-
samer Rohrstab hält die Figur, den
Linien ihres Körpers folgend mehrfach
gekrümmt, und ebensolche dünne
Stäbchen sind an den Händen befestigt,
die, wie die ganze Figur, streng stili-
siert erscheinen. Die Arme aber sind
im Ellbogen- und Schultergelenk be-
weglich. Aber auch in den meisten
Ländern des Ostens geht die Schatten-
spielkunst allmählich dem Verfall ent-
gegen. ... Dr. H.
* #
Der Wintergarten brachte in
seinem diesjährigen Eröffnungs-Pro-
gramm neben vielen Novitäten einen
Drahtseilakt, der gerechtes Aufsehen
erregte. Es waren die vier Vannis,
drei Damen und ein Herr, welche eine
Fülle von neuen Tricks auf dem Draht-
seil brachten. Namentlich die eine der
Damen war, gleich der bekannten Miß
Bird vom Millmann-Trio, eine ganz
außergewöhnliche Artistin auf dem
Drahtseil. Sie glänzte in dem Pro-
gramm durch ein Potpourri schwie-
rigster Tricks. So sprang sie ohne
Anlauf, auf dem Seil stehend, über
einen hohen Tisch hinweg, sie tanzte

auf dem schwanken
Draht mit hohen Stepp-
schritten, sie brillierte
in Handständen auf
dem männlichen Part-
ner, der auf dem
Drahtseil hingestreckt
lag, sie sprang schließ-
lich in ein hoch auf
dem Seil aufgestelltes
Faß und aus demsel-
ben wieder auf das
dünne Drahtseil. Be-
sonders interessant
war der „Karrentrick“,
den unser Bild zeigt,
sowie das Seilspringen Prof. Otto Lehmann: Medaille des Ungerschen Frithjofs.
über ein von zwei an- (Rückseite.) Ausgeführt von der Aktien-Ges. Gladenbeck, Bildgießerei.
deren Damen geschwungenes Tanzseil. Der junge einzige männliche Partner
stand hinter seinen Kameradinnen nicht zurück. Er fuhr in einem Monocykle
über den schwanken Draht vorwärts und rückwärts. Als Ensemble dürfte die
Vannistruppe ziemlich einzig dastehen, abgesehen von der obengenannten Mill-
manntruppe. Von Wainratta an, dem ehemals berühmten Drahtseilkünstler, der
in den achtziger Jahren seine Künste zeigte, bis auf Robledillo, dem nicht minder
berühmten „Kubaner auf dem Drahtseil“, hat es stets zahlreiche Artisten auf
diesem Gebiete gegeben, die jedoch in bezug auf Neuheiten hinter den vier
Vannis sicherlich zurückstehen. Selbst die modernen Tänze haben die vier
Vannis auch in ihren Schöpfungen nicht vergessen, sie bringen den Tango bzw.
den Twostep selbst auf diesem schwanken Boden zu Ehren. V. Ii.
Napoleons Signatur. Das Charakterbild jedes bedeutenden Mannes, der
seine Zeitgenossen weit überragt, gewinnt unbedingt an Treue und Vollständig-
keit, wenn man auch die scheinbar unwesentlichen Geschäfte, vor allen Dingen
aber seine Korrespondenz, seinen Stil und, seine Handschrift berücksichtigt.
Aus solchen Erwägungen heraus wendet man bekanntlich in neuerer Zeit dem
Briefwechsel großer Männer die leb-
hafteste Aufmerksamkeit zu. Ja die
Graphologen wollen sogar aus der
Handschrift entscheidende und zuver-
lässige Schlüsse aüf Charakter und
Geistesanlagen ziehen können. Von
Napoleon ist bekannt, daß er dem
Schreiben sehr abhold war. Sein Se-
kretär Jouanne hatte oft die größten
Schwierigkeiten, die Konzepte seines
Herrn zu enträtseln. Bei der unend-
lichen Beweglichkeit seines Geistes, bei
der Schnelligkeit und Klarheit seines
Denkens, war dem Kaiser die Lang-
samkeit des Schreibens geradezu ein
Greuel, weil sie seinem Gedankenflug
unausgesetzt Hemmungen auferlegte.
So blieb denn auf den Manuskripten
oft nur ein wirres Durcheinander von
unleserlichen Buchstaben, da er nicht
warten mochte, bis die träge Feder die
einzelnen Worte vollendet hatte. Dann
ereignete es sich zuweilen, daß er das
Geschriebene selbst nicht einmal zu
deuten vermochte. Dabei war die
Orthographie meist ungeheuerlich und
geeignet, selbst einen nachsichtigen
Schulmeister in ehrliche Entrüstung zu
versetzen. Bei vielen Worten fehlten
sogar die Endsilben. Der Stil war
trocken, kurz, im Befehlston gehalten,
nur das Nötigste hervorhebend. Am
charakteristischsten sind jedoch seine
Signaturen. Diese höchst eigentüm-
lichen, oft hieroglyphenartigen Schrift-
züge geben den Graphologen schwie-
rige Rätsel auf. Nach den von ihnen
geschaffenen Systemen müßten sie den
Seelenzustand des Welteroberers in
den verschiedensten Epochen seines

Die vier Vannis.

Phot. Zander & Labisch, Berlin.
 
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