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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0134

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MODERNE KUNST.

Lebens beurteilen, sie müßten die Schwankungen
seines Gefühls, die Ruhelosigkeit seiner Gedanken,
seine hochfliegenden und gigantischen Pläne aus
den oft wechselnden Zügen seiner Unterschrift
erraten können. Ein eingehendes Studium dieser
Signaturen aus den verschiedenen Lebensaltern
müßte geradezu glänzende Entdeckungen vermitteln,
die die Anatyse dieses mächtigen und umfassen-
den Geistes ganz bedeutend erleichtern würden.
Je nach der Wichtigkeit der Dokumente schwankt
die Unterschrift. Je höher der Stern seines Ruhmes
stieg, je wichtiger die Akten, die er unterzeichnen
mußte, desto kürzer, desto abrupter und desto
unleserlicher wurde meist die Signatur, und oft
ist nur ein großes N mit einem zickzackartigen
Schnörkel zu erkennen. Das geht am deutlichsten
aus der Unterschrift vom 4. April 1814 hervor,
die im Schlosse zu Fontainebleau gegeben wurde.
Ganz wunderlich mutet die Signatur vom 7. Dezember 1808
an, während der Namenszug des Kaisers unter einem Briefe
vom 11. Dezember 1816 an den Grafen de Las Cases, der
eine Zeitlang die Gefangenschaft mit ihm teilte, bei weitem
nicht die Hast und Unruhe früherer Tage zeigt. Diese Unter-
schrift ist gleichzeitig die erste, die der entthronte Kaiser
auf St. Helena ge-
geben hat. W.
*
Kitty Aschen-
bach, die junge,
19jährige Schauspielerin, hat sich in
Berlin mit einer Schnelligkeit durchge-
setzt, die nicht gerade zum Alltäglichen
gehört. Die erste große Rolle, die sie
zu spielen bekam, die Gobette in dem im
Residenztheater aufgeführten Schwank
„die Frau Präsidentin“ von Weber und
Hennequin, hat ihren Namen sofort in
die erste Reihe der Berliner Schauspie-
lerinnen gerückt, und der natürliche
Charme ihres Wesens macht sie auch
zu einer der sympathischsten Erschei-
nungen im Kabarett. Die junge Künst-
lerin, die Tochter eines Berliner Schau-
spielers, verfolgt ihre Theaterleiden-
schaft bis in ihr 5. Lebensjahr zurück,
wenn sie auch damals noch kein Faible
für französische Schwänke hatte. Aber
der Mutter Tändelschürze als Schleppe
umzubinden und Selbstgespräche vor
dem Spiegel zu halten und sich mög-
lichst dramatisch zu gebärden, war ihr
größtes Vergnügen. Auch während der
Schuljahre, in denen sie zumal vom
Vater, der ihren Liebhabereien energisch
entgegenarbeitete, aufs strengste zur Ar-
beit angehalten wurde, bereitete sie sich
weiter auf die „große Tragödie“ vor, und daß sie unter diesen Um-
ständen zu Schüleraufführungen herangezogen wurde, ist selbstver-
ständlich. Allmählich fand sie bei der Mutter Gegenliebe für ihre
Zukunftspläne, und der erste Schritt zur künstlerischen Ausbildung
war der, daß sie Klavierunterricht erhielt, denn damals — mit neun
Jahren — wollte sie zur Operette gehen. Fünf Jahre später erfüllte
sich ihr Schicksal. Durch den allzu früh verstorbenen Regisseur
Albert Borde vom Neuen Schauspielhause erhielt sie Gelegenheit
zur Mitwirkung in einer Vorstellung, und zwar spielte sie in der be-
kannten Posse „Das Fest der Handwerker“ die Madame Puff. Sie
gefiel Boree so gut, daß er ihr eine Gesangseinlage gab, und auch
bei der Aufführung zog sie sich mit gutem Erfolg
aus der Affäre. An ihrem 14. Geburtstage, den sie
zwei Wochen danach feierte, bekam sie als schön-
stes Geschenk die Erlaubnis, zum Theater gehen
zu dürfen. Vor allem wurde das Eis gebrochen
durch Borees lakonische Bemerkung: „Ich bin
zwar nicht dafür, wenn Weiber zum Theater laufen;
aber hier wäre es wirklich ein Jammer, wenn man
das Mädel nicht zum Theater ließe!“ Die Kunst-
jüngerin besuchte noch ein Jahr die Schule und
wurde dann in das Sternsche Konservatorium ge-
schickt, und zwar um gründlich Musik zu studieren,

denn nun hatte sie die Absicht, später zur Oper
zu gehen. Doch gab sie diese Idee sehr schnell
wieder auf und bereitete sich nun ein Jahr lang
ernst und fleißig für ihren Beruf vor. Ihr erstes
Engagement am Metropoltheater, gab sie jedoch
nach Ablauf der ersten Saison freiwillig wieder
auf. Später war sie kurze Zeit am Kleinen Thea-
ter und ging dann nach München ans Kabarett.
Von dort aus schloß sie sich einem Berliner En-
semble für eine Hollandtournee an, und hier war
es, wo sie ihre ersten großen Rollen bekam und
ihre ersten schönen Erfolge erzielte. Das nächste
Engagement war dann das Berliner Residenzthea-
ter, wo sie ebenso wie durch ihr Auftreten im
Kabarett ihren jungen Berliner Ruhm begründete.
Die gute Fee Fortuna bewilligt bekanntlich drei
Wünsche, und so wünscht sich Kitty Aschenbach
für ihre Zukunft die weitere Gunst der Kritik und
des Publikums und recht große Gagen. Daß diese Wünsche
in Erfüllung gehen, wollen wir unsererseits der anmutigen
wie begabten jungen Künstlerin von Herzen wünschen. k.
Ärztliche Visite. Noch bis weit ins achtzehnte Jahr-
hundert hinein ist der Arzt eine ständige Figur in der ko-
mischen Erzählung, wie im Schwank und der Komödie.
War doch der Arzt jener Zeiten, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, weit mehr Scharlatan denn wirklich ein Heil-
kundiger. Ein Boccaccio, ein Hans Sachs, Moliere, Holberg
und von neueren ein Claude Tillier, E. T. A. Hoffmann mit
seiner Prinzessin Brambilla und dem Meister Floh nicht zu vergessen, haben
uns ganz unübertrefflich köstliche Typen solcher Ärzte geschildert, stark kari-


Ärztliche Visite im 18. Jahrhundert.

kiert zweifellos, im großen und ganzen aber auch ebenso wahr. „Mein Vater
war ein dunkler Ehrenmann“, charakterisiert Goethes Faust die Kenntnisse eines
solchen Arztes, und was Mephisto in der Schülerszene dieser
Charakteristik hinzufügt, ergänzt das Bild zur Vollendung. Ein
Kauderwelsch gelehrter Fachausdrücke, die kaum der Heil-
künstler, geschweige denn der Patient verstand, der unvermeid-
liche Doktorstock, ein spanisches Rohr mit mächtigem silbernen
oder gar goldenen Knopfe, aus dem der Arzt gleichsam die
Gedanken sog, ein Staatsrock von besonderem Schnitt, ein Riech-
büchschen, um sich gegen die Ansteckung zu schützen, dazu
eventuell noch eine Schutzmaske und Schutzhandschuhe und
last not least die riesige — Klistierspritze, das war so das ärzt-
liche Instrumentarium, das an chirurgischem Inventar allenfalls
noch den Schnepper zum Aderlaß barg. Wehe
dem armen Patienten, der einem dieser gravitäti-
schen Scharlatane in die Hände fiel; seine Kuren
hatten mit denen des bekanntesten Pfuschers
Dr. Eisenbart gewöhnlich eine starke Ähnlichkeit.
Unser Bild zeigt eine sehr gelungene Karikatur
einer ärztlichen Visite. Der in der Chaise sitzende
Heilkünstler muß schon eine Kapazität sein, das
verrät seine gleich ihm maskierte Dienerschaft,
diese „Assistenten“, die genau soviel von der
Arzneiwissenschaft verstehen wie der gelahrte
Herr Doktor selber. Dr. H.


Schriften Napoleons als
Kaiser, gegeben zu St.
Cloud am 25. Mai 1804.



Napoleons Unterschrift, gegeben am
4. April 1814 zu Fontainebleau.


Die erste Unterschrift auf St. Helena
vom 11. Dezember 1816.


Napoleons Unterschrift, gegeben zu Madrid
am 7. Dezember 1808.


Kitty Aschenbach.
Copyright Willinger, Berlin.
 
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