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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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9. Heft
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Fernthal, Max: Die Bijouterie der Saison
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0282
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2§)ie j^ijouferic der Raison.


^as ist Mode? Augenblickliche Überlieferung, antwortet Goethe. Alle Über-
lieferung führt eine gewisse Notwendigkeit mit sich, sich ihr gleich zu
stellen. Diese Notwendigkeit wird nicht als Härte, sondern als angenehme Ver-
änderung empfanden. Das Variatio delectat — Veränderung erfreut — hat seit
jeher im Leben der Kulturvölker eine hervorragende Rolle gespielt. Die Chinesen
mögen das konservativste Volk der Erde sein, aber aus Liebe zur Veränderung
Tribut der Mode dargebracht. Neuere
wiesen, daß insbesondere die chine-
der letzten fünf Jahrhunderte wieder-
Wandlungen erfahren hat. Das Kostüm
Stoff, demselben Muster, derselben
Schnitt zu tragen, würde auf die Dauer
ster Pietät für das Vermächtnis der
Nachkommen zu langweilig werden,
seitens der Vertreter der Chemie und

[Nachdruck verboten.)
der Preis dieses Objekts mehr als eine Million Frank betrug. Für eine einzige
große runde Perle von vollkommenstem „Orient“, also von feinster, gleich-
mäßigster Oberfläche und tadellosestem Glanze, werden fünfundzwanzig- bis
fünfzigtausend Frank und sogar noch mehr gezahlt. Liebhaberpreise sind es,
die nur von Millionären gezahlt werden können. Und bei alledem ist die Perle
ein äußerst zartes Kleinod, das der größten Schonung bedarf, um an Schönheit

haben sogar sie ihren
Forschungen haben er-
sische Tracht im Laufe
holt sehr erhebliche
immer in demselben
Farbe und demselben
selbst dem von höch-
Vorfahren erfüllten
Wertvolle Erfindungen


Ring; tafelförmig ge-
schliffener künstlicher
Teclarubin und echte
Diamanten.

nicht zu verlieren. Die ungemein
schichten, die übereinander lagern und
ausmachen, blättern leicht ab, und die
liegt besonders leicht der Einwirkung
den Einwirkungen des Schweißes
Wegen des Abblätterns muß denn
der Perlen, um sie auf einer Schnur
können, mit höchster Vorsicht ge-


Mechanik, neue industrielle Verfahrungsweisen, die Entdeckung nützlicher Roh-
stoffe, der internationale Verkehr und viele andere Momente sorgen auch dafür,
daß ein Stillstand und ein Beharren auf dem Boden der
alten Norm unmöglich ist.
Die Mode spielt in den Schmuck ebenfalls hinein.
Anregungen, die von hohen Personen ausgehen, bleiben
nicht ohne Wirkung. Als der Herzog von Connaught
vor Jahrzehnten seiner Braut, der Prinzessin Margarete
von Preußen, Tochter des verstorbenen Prinzen Fried-
rich Karl, zur Verlobung einen kostbaren Ring mit einem
Chrysoberyllkatzenauge geschenkt hatte, wurden ähnlich
schillernde Katzenaugensteine so modern, daß die Nach-
frage nach ihnen kaum zu befriedigen war. Und als die
Kaiserin Auguste Viktoria fingerförmige Belemniten,
braun gefärbte Versteinerungen von einem jetzt nicht
mehr vorhandenen Schaltiere, gesammelt hatte, um sie
alsdann zu einem Kollier schön in Gold fassen zu lassen,
begannen die Damen der Geburts- und Geldaristokratie
gleichfalls Belemniten zu sammeln und in der reizvollen
Zusammenstellung von Kolliers zu tragen. Das dauerte
eine Weile, bis die Mode sich wieder andern geschmack-
vollen Neuheiten zuwandte. Email, Korallen, Bernstein,
sie alle haben Zeiten erlebt, in denen sie stark bevorzugt wurden,
um dann wieder einer gewissen Gleichgültigkeit zu begegnen
und andern fesselnden Darbietungen der Schmuckindustrie zu
weichen.
Soweit die begonnene Wintersaison bereits ein Urteil ger
stattet, werden mit besonderer Vorliebe Perlen, gefaßt mit Bril-
lanten, getragen werden — eine Verbindung von feinster Schön-
heit. Die Perle hat immer in hoher Gunst gestanden. Das sanft
schimmernde Kind des Meeres, das unwillkürlich an die be-
rückende Schönheit der schaumgeborenen Aphrodite gemahnt, ent-
zückte bereits Vorjahrtausenden die Damen der indischen Fürsten.
Tn der alten Poesie Indiens wird der Perlen in rühmenden Worten
mit höchster Bewunderung gedacht. Die Goldarbeiter und Juweliere sind im
sechsten Hofe der glänzenden Behausung VasantasenaS, der jugendschönen Heldin
eines vom König Sudraka im zweiten Jahrhundert n. Chr. verfaßten Sanskrit-
Schauspiels, eifrig bei der Arbeit, kostbaren Schmuck zu verfertigen —
Die Juweliere prüfen und vergleichen
Die Edelsteine: Chalcedon, Beryll,
Topas, Saphir, Smaragd, Korallen
Und Perlen und noch manch andern Stein.
Rubine werden hier in Gold gefaßt;
Man fertigt goldneri Schmuck. Zur Perlenschnur
Vereint man Perlen mittels roter Fäden . . .
■Später, in der arabischen Poesie, ergeht sich
die Phantasie der Dichter gleichfalls in Dithy-
ramben auf die Perlen — die herrlichen Be-
gleiterinnen schönster Frauen. Erinnert sei nur
an die Erzählungen „Tausend und eine Nacht“, mit denen das listige Fräulein
Schehersad den grimmigen König Schahriar so zu bezaubern wußte, daß er
seine böse Absicht, ihr, wie schon ihren vielen Vorgängerinnen, das hübsche
Köpfchen abschlagen zu lassen, vollkommen vergaß. Sie plauderte viel vom
Barte des Propheten, von treuer und falscher Liebe, von anmutigen Frauen und
ritterlichen Jünglingen, aber auch viel von funkelnden Schätzen und besonders
gern von Perlen, die so sanft lächeln wie der silberne Mond am Nachthimmel.
Die Perlen sind in unsern Tagen sehr teuer geworden, denn so zahlreich
wie früher kommen schöne Exemplare nicht mehr vor. Mit Staunen wird man
aus den jüngsten Vorkommnissen, welche den Diebstahl einer Perlenschnur aus
dem Besitze eines bekannten Pariser Juweliers betrafen, erfahren haben, daß


Anhänger mit Teclarubin und echten
Diamanten in „Mille grains“-Fassung.


Brosche mit drei cremefarbigen
künstlichen Teclaperlen
und echten Diamanten.

dünnen Perlmutter-
das kostbare Gebilde
oberste Schicht unter-
von Säuren und sogar
der arbeitenden Hand,
auch das Durchbohren
Ring; künstlicher Tecla- aneinanderreihen zu
_ smaragd in Fassung schehen. Dasgeschieht
auch, schließt aber nicht aus, daß beim mit ecllten Diamanten. Tragen der Schnur
nach einiger Zeit an dem Ein- und Ausgange des Bohrloches feine Abblätterungen
infolge der Reibung stattfinden. Auch der Glanz trübt sich, wenn die Perlen nach
dem Tragen nicht mit höchster Sorgfalt mittels Watte ab-
gerieben werden. Nicht nur für die weißen, sondern auch
für die bleigrauen, rosafarbenen, rotbraunen, bronzefar-
bigen und schwarzen Exemplare hat diese Vorsichtsmaß-
regel zu gelten. Es bestätigt sich in diesem Falle die alte
Wahrheit, daß reicher Besitz auch viele Sorgen macht.
Um so erfreulicher ist es, daß in den künstlichen
Teclaperlen ein vorzüglicher Ersatz geschaffen ist, der,
was Schönheit, Orient und Glanz anbetrifft, den echten
Perlen im wesentlichen gleichkommt. Wer diese in
reicher Fülle ausgestellten mannigfachen Schöpfungen
des Laboratoriums im vornehm ausgestatteten Salon der
Teclagesellschaft, Unter den Linden 15 in Berlin, mustert,
wird selbst bei scharfem Hinsehen einen Unterschied
zwischen den echten Originalen und den Nachahmungen
schwerlich herausfinden. Mögen weiße, bleigraue, rot-
braune, rosa- oder bronzefarbene und schwarze künst-
liche Teclaperlen vorliegen, immer ist die Überein-
stimmung mit den echten Kindern des Meeres eine
bewundernswerte.
Den echten Perlenschmuck mag man schonend nur bei außer-
gewöhnlichen Gelegenheiten tragen, eine haltbare Kopie in künst-
lichen Teclaperlen aber ganz nach Belieben. Es wird diese Vor-
sicht bereits geübt von Angehörigen der vornehmsten Kreise.
Sie läßt sich um so leichter und zwangloser durchführen, als
durch das Karmoisieren, die Verbindung von Perlen mit echten
Diamanten, entzückende Wirkungen erreicht sind. So ist ein
Ersatz geschaffen, der es gestattet, den echten Perlen eine er-
heblich längere Lebensdauer als bisher zu verleihen. Nicht
genug kann betont werden, daß die von Laien vielfach gehegte
Ansicht, als ob es ein leichtes sei, die äußerste Schicht einer
trübe und mißfarbig gewordenen echten Perle abzulösen und so
eine zwar kleinere, aber schönere wiederzugewinnen, nicht zutrifft. Eine solche
Operation ist außerordentlich schwierig, kann nur den geübtesten Arbeitern an-
vertraut werden und hat selten den erwarteten Erfolg,
oft sogar einen derartigen Mißerfolg, daß die Perle
ganz verdorben ist.
Perlen und Diamanten in Ehren, aber der Schmuck
verlangt noch mehr — künstlerische Gestaltung, die
sich in feiner Weise der menschlichen Gestalt anpaßt,
dabei die Idee, die er verkörpern soll, scharf zum
Ausdruck bringt, und den Charakter des Materials
nach Möglichkeit berücksichtigt. Kleine Diamanten
würden in den meisten Fällen einzeln wenig wirken,
wohl aber gelangen sie zur schönsten Geltung in
größerer Vereinigung bei gut gezeichneten Blättern,
Blüten, Einfassungen und Ornamenten. Der große
Anhänger, in dessen Mitte ein tafelförmig geschliffener
künstlicher Teclarubin farbenschön leuchtet, bietet für
die sinngemäße Anwendung solcher echten Diamanten,
die hier in Platin gefaßt sind, ein vorzügliches Beispiel. Auch das Motiv des
Ilerabhängens gibt sich in seiner Form deutlich zu erkennen. Das Gleiche gilt
von den Ohrgehängen — die tropfenartigen künstlichen Teclaperlen lassen das
Diamantengefüge nach unten sinngemäß abschließen. Für die Form der mit drei
cremefarbigen künstlichen Teclaperlen und mit echten Diamanten geschmückten
Brosche ist der Zweck des Zusammenhaltens und Schließens maßgebend ge-
wesen. Mithin ist der Charakter der Spange beibehalten worden, wobei als
ornamentales Beiwerk unten noch ein Feston angefügt wurde. So ist dem Stil-


Ohrgehänge mit künst-
lichen Teclaperlen und
echten Diamanten.
 
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