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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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9. Heft
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Fernthal, Max: Die Bijouterie der Saison
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0283
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MODERNE KUNST.




Zick-

Irene Sanden
„Carneval".
Phot. Lernt

«'Irene Sanden. Sehr deutlich wird der Schritt
VO von der Pantomime zum Tanz bei Irene Sanden.
Auch sie fing damit an, Schmerz und Freude zu
tanzen, ohne eine eigentliche Beziehung zur Musik.
Es galt zu zeigen, daß man wie die Schauspielkunst
durch Gesten zu charakterisieren vermag. Angst, Zer-
knirschtheit, Lebensgier und Feierlichkeit sollten dargestellt
werden und man brachte sie im Rhythmus irgendeiner Musik
zum Ausdruck, die ziemlich gleichgültig dabei blieb. Nun ist sie
durch diese Phase hindurch zu einer Tanzkunst gekommen, die sich
wesentlich von der Pantomime unterscheidet. Der Tanz ist flüch-
tiger als die Pantomime. Er duldet nicht das Ausharren in irgend-
einer Bewegung, er übertreibt sie auch nicht. Ihre neueren Tänze
haben das Schwebende, Dahingleitende der Musik. Sie deuten die Innerlichkeit, das
menschliche Empfinden darin nur an, ohne es etwa zu verflachen. Es kann den-
noch mit derselben Innigkeit verbunden werden, die aller Kunst eigen sein muß.
Aber diese Innigkeit ist von etwas mehr noch, sie ist von der Bildwirkung der
Form getragen. Das Figurale des Tanzes fing an, sich auch bei Irene Sanden,
beladen mit allen neuen Möglichkeiten darstellerischer Gesten, durchzusetzen.
Die Künstlerin besitzt ein leidenschaftliches Temperament freudiger, sprühender
Lebensbejahung, das sie zur Wiedergabe seliger, zum Himmel emporgreifender
Entrücktheit, stürmischen, schaukelnden Jubels und verhaltener, sprungbereiter
Freude besonders geeignet macht. Eine Flut von Sonnenschein strahlt von ihrem
Tanze aus, der durch ein sicheres rhythmisches Gefühl und natürliche Grazie
wiederum gebändigt und beseelt ist. Aber sie vermag nicht nur Schubert, Strauß
und Dvorak, sondern auch Schumann und die stimmungsschweren Brahms und
Grieg zum Ausdruck zu bringen. Und von neuem kann sich Musik, Takt, Rhythmus
und Melodie einer körperlichen Ausdeutung erfreuen, die für jeden Zuschauer als
Geste von Empfindungen etwas Vorbildliches hat. Empfindungen, die er selbst kennt
und in denen er sich fast so bewegen möchte, wenn nicht doch noch die Musik ihnen
eine herrliche Leichtigkeit gäbe, die in kein Leben mehr hinein paßt. Hannes Volz.
Ein Bildnis der Königin Luise, gezeichnet von Tischbein und gestochen
von Prot, begleitet diese Zeilen. Der Blick ruht mit Verehrung auf ihm, mahnt
es doch an eine der edel-
sten Frauengestalten, deren
Preußens Geschichte sich rüh-
men kann. Es handelt sich
um einen farbigen Kupferstich
französischer Herkunft aus
dem ersten Dezennium des
19. Jahrhunderts, der wegen
seiner Seltenheit wenig be-
kannt ist. Die jugendschönen
Züge des von üppiger Haar-
fülle umwallten Kopfes atmen
feines geistiges Leben. Sie
erinnern an Tischbeins treff-
liches Hüftbildnis der Köni-
gin. Es ist so, als habe der
Künstler in einer glücklichen
impressionistischen Anwand-
lung die Individualität Luisens
in ihrer ganzen Tiefe und
Anmut erfaßt und blitzschnell
in seine Zeichnung gebannt.
Dazu ein Hauch des schwer-
mütigen Empfindens jener
Tage, in dem klassische Re-
gungen und Romantik sich
seltsam paarten. Das Kostüm
hat militärische Anklänge, wie
denn Königin Luise Chef des

Zack-

in Schumanns
(Papillon.)
ke, Berlin.

2. Kürassier-Regiments (gen. Königin) in Pasewalk
war. Auch ist der prächtige Schimmel, den die
Königin, eine graziöse Reiterin, am Zügel hält, mili-
tärisch gezäumt. Im ganzen gibt sich der Stich male-
risch und stimmungsvoll. Verwandt ist ihm ein farbiger
Kupferstich von Benoist, der ' die Königin nach einer
Zeichnung Swebachs in Husarentracht darstellt. Daß beide
Stiche französischen Ursprungs sind und der Protsche die
Unterschrift: „Depose ä la Bibliotheque Imperiale“, sowie die
Adresse des Pariser Verlegers Osterwald sen. trägt, nimmt kein
Wunder, denn auch in Frankreich erfreute sich Luise trotz der
politischen Gegensätze hoher Achtung. Erinnert sei an die Worte,
welche Napoleon nach seiner Zusammenkunft mit dem König und der
Königin in Tilsit zu
Talleyrand sprach:
„Ich wußte, daß ich
eine schöne Königin
sehen würde, und ich
habe die schönste
Königin und zugleich
die interessanteste
Frau gefunden.“ Nicht
unerwähnt mag blei-
ben, daß zwischen
manchen Bildnissen
Luisens hinsichtlich
derAhnlichkeit erheb-
liche Unterschiede
bestehen. Der Grund
liegt in der Verschie-
denheit der künstle-
rischen Auffassung
und in der Tatsache,
daß einige erst nach
dem Tode der Köni-
gin gemalt sind. Auch
der König ließ noch
verschiedene durch
Ternite malen. Rüh-
rend ist es, wie er
alle im Palais vor-
handenen Bilder sei-
ner geliebten Luise

Irene Sanden in Strauß' „Rosen aus dem Süden“.
Phot. Lemcke, Berlin.

herbeitrug, damit der Künstler nach ihnen sich richten könne. Als Ternite sein
bestes Bild in Pastell vollendet hatte, mußte es Wach auf königlichen Befehl
in Öl kopieren. Doch die lebenswahre Kopie wollte man dem König, um ihm
jede schmerzliche Aufregung zu ersparen, nicht zeigen. Der aber bestand darauf,
sie zu sehen. „Da mußte ich gehorchen“, erzählt Ternite. „Kaum hatte er aber
einen Blick darauf geworfen, als er in ein lautes Weinen ausbrach. .Schreck-
lich! Nie Wiedersehen 1‘ rief er aus, und verließ tief erschüttert das Zimmer“.
Auf Anordnung des Königs hat es auch nicht an Versuchen gefehlt, Gipsbüsten
der Königin nach dem Meisterwerke Rauchs in Farben zu setzen. Was aber
Ternite zustande brachte, konnte den König, wie sein langjähriger Hofprediger,
der evangelische Bischof Eylert, mitteilt, nicht befriedigen. Noch werden einige
dieser Büsten im königlichen Besitz aufbewahrt. — Zu dem schönen farbigen
Kupferstich von Prot nach der Zeichnung Tischbeins sei noch bemerkt, daß er
unterhalb der Unterschrift von einigen französischen Versen begleitet ist, welche
„apres la bataille de Jena“ der über das Unglück tief erschütterten Königin in
den Mund gelegt werden. Sie lauten:
Ignorant quels periis environnent la gloirc,
J’animai me$ soldats et guidai leurs drapeaux.
Je voulus vivre en Reine ou mourir en Heros
Et ne trouvai la mort ni n’obtins la victoire! G. B.

gemäßen, das sich aus genauer Beachtung von Zweck, Technik und
Material ergibt, in erfreulichster Weise Rechnung getragen. Daß,
wie die künstlichen Teclaperlen, auch die künstlichen farbigen
Teclasteine geschliffen in Facetten oder en cabochon mit den
echten Diamanten eine Verbindung von feiner Harmonie
eingehen, muß unbedingt anerkannt werden. Farbige Edel-
steine, echte Rubine in dem Rot des Taubenbluts, tief-
blaue Saphire, und tiefgrüne Smaragde, werden immer
modern bleiben, ebenso modern wie kostbare Bril-
lanten. Aber für den Ankauf echter Steine, vornehm-
lich größerer Rubine, sind bedeutende finanzielle

Mittel erforderlich, die nicht jedem gegeben sind. Bieten die künst-
lichen Teclasteine einen billigeren Ersatz, so ist das um so an-
nehmbarer, als sie sich in künstlerisch schöner Fassung und
Form und zugleich mit echten Diamanten verwenden lassen.
Die Bijouterie hat mit ihnen ein Material gewonnen, das
den lebhaften Wunsch des Publikums nach sinngefälligem
Schmuck ohne Aufwendung allzu hoher Mittel zu er-
füllen vermag. Fraglos, alle Jungfrauen und Frauen
sind zwar selbst Perlen und Edelsteine der Schöpfung,
aber durch den Schmuck werden sie uns Männern
nur noch wertvoller und teurer. Max Fcrnlhal.

Irene Sunden in Schuberts „Moment musicalc
Phot. Lemcke, Berlin.
 
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