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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0391
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Copyright by Rieh. Bong, Berlin. 26. 2. 1914. Alle Rechte, auch das der Übersetzung in andere Sprachen, sind den Urhebern Vorbehalten.

Brandungswellen.
Das Meer, „das ewig alte, ewig junge“ — wie es
einer seiner besten Kenner, Schleiden, nennt — tritt
uns am großartigsten entgegen, wenn es in wildem
Kampf mit seinem mächtigen Feinde, dem Sturm, daher-
rast. Wie lächerlich erscheinen uns in solchen Momenten
die Prahlereien von den „'Naturgewalten, die dem Men-
schen untertan“ sind! „Sturm“ nennt der Seemann jene
Windstärke, bei der die Luftmassen mit einer Ge-
schwindigkeit von mehr als 20 Metern in der Sekunde
dahinbrausen, also die Schnelligkeit unserer D-Züge er-
reichen, und bei einem „Orkan“ ist diese Fortbewegung
schon doppelt so groß! Bei dem berühmter. Orkan vom
1 8. Januar 1881 maß das Londoner Wetterbureau 80 Meter
Windgeschwindigkeit per Sekunde, und bei dem Tornado
in Tennessee 1904 sind einzelne Windstöße beobachtet
worden, die eine Fortbewegung der aufgewühlten Luft-
massen um mehr als 100 Meter während eines Herz-
schlages erkennen ließen. Kein Wunder, wenn hier

von 30 000 Kilo auszuhalten. Kein .Wunder, daß die In-
genieure jetzt überall am Werke sind, Vorrichtungen zu
schaffen, um diese Wellenkräfte auszunutzen, umzuwan-
deln in nützliche Arbeit. Jahrmillionen übten sie mut-
willige Zerstörung, nun will sie der Mensch vor seinen
Kulturwagen spannen, die Kräfte des Meeres! B. H. B.
-WWVv—
Waldjagd bei St. flvold im Heißhslande.
Von Fr. Freiherrn von Dincklage.
Der Februar zog ein! Vorbei war's mit der Jägerlust
in Wald und Feld.
Der sorgsame Jagdherr schont seine kahlen Böcke
und denkt an den Mai, an den ersten Pürschgang — sieht
mit geistigem Auge die Gehörne des „Kapitalen“ — noch
im „Bast“ — oder halb „gefegt“ — und dann völlig
„vereckt“. Er kennt den starken Bock — schonte ihn
seit Jahren! Noch drei Monate und — mit klopfendem

le iievre!“ Aber der Hase „rebroussiert“ durch die
Treiber — es wird ihm nicht schwer gemacht. Die
Treiber erscheinen in der Lisiere — der Trieb war „tot“.
„Im nächsten Triebe sicher der Wolf!“ (röstet der
Oberförster. Erneuter Marsch, die steilen Schneisen
hinan. „Bitte nicht sprechen!— Der Wolf könnte, usw.
usw.!" Wieder steht man — lange, lange! — in stumpfem
Brüten, bei dem Gedanken „es wird wieder nichts sein!“
Da fällt ein Schuß — am rechten Flügel. Jeder
Schütze umfaßt den Kolben fester. „Das war der
Wolf!“ flüstert man sich zu. Noch beneidet wohl jeder
den glücklichen Schützen, als in der Treiberlinie ein
infernales Gebrüll, vernehmbar wird: „La sanglier! —
Un solitaire! —- Une böte enorme!“ dringt es aus der
Ferne herüber. Gespannt blickt jeder Schütze nach
beiden Seiten auf die Schneise — rasch legt er „grobe“
Patronen in den Lauf, und — da hört man’s auch schon
brechen im Gestrüpp. Aber — das ist unmöglich
eine Sau — das hört sich an wie ein ganzes Rudel.
—- Jetzt — aus dem Dickicht taucht das schwarze


Brandungswoge am Wellenbrecher von Colombo.

die bewegte Luft, das „leichte Element“ eine Schnell-
zugslokomotive umwarf, was einem Druck von zehn
Zentnern pro Quadratmeter Fläche entspricht!
Auf dem weiten Meer aber kann er sich austoben,
der Riese Aeros; mit wildem Paroxismus zerreißt er
die glänzende Decke über dem Reiche Neptuns. Dennoch
hat die moderne Meeresforschung mit den bekannten
„haushohen“ Wellen aufräumen müssen. Die Sturm-
wellen des Ozeans sind gewöhnlich sieben Meter hoch,
sehr selten zehn; Wellen, die höher als zwölf Meter
emporstiegen, sind überhaupt nicht nachgewiesen. Immer-
hin dürfte ein solcher Wasserberg von drei Etagen Höhe
bei Sturm auf einem Passagierdampfer auch den ver-
wöhntesten Ansprüchen genügen; freilich kommt sie
nur im Weltmeer vor, während auf der Nordsee Wellen
über vier Meter Höhe noch nicht beobachtet wurden.
Ganz enorm wirken aber bei Sturm die Brandungs-
wellen auf uns, die in breiter Front mit gewaltiger Kraft
gegen Steilküsten, Hafenmauern oder dergl. schlagen.
Wie Bestien erscheinen sie uns, die in schäumender
Wut die glatten Mauern der Arena zu überspringen
suchen. Sie schlagen an, klettern schäumend empor
und spritzen wild brausend in grünlichtem Gischt zurück.
Man hat berechnet, daß die Brandungswellen am Leucht-
turm von Bell Rock mit einem Druck von 18 000 Kilo-
gramm pro Quadratmeter anschlagen, und am Leucht-
turm auf dem Skerryfelsen hat jede metergroße Fläche
durch den Anprall der Brandungswogen einen Druck

Herzen wird er die starken Stangen, die wulstigen Rosen,
die wunderbare Perlung durch das Glas genau ansprechen
— wie sie sich vor dem Horizonte abheben!
Aber — abwarten! Nicht im April die Freuden des
Mai verkümmern! Jetzt Ruhe, trotz Jagdgesetz — nur
noch pflegen, schonen, füttern, denn noch muß das Wild
mühsam die Äsung suchen und die Schneehuschen er-
innern unliebsam an den abziehenden Winter.
Noch ist hier „Ruhezeit“ der Jäger. Da blättert er
wohl in seinem „Jagdbuche“ und freut sich, wenn alte
Erinnerungen lebendig werden. So steht eine W^ldjagd
bei St. Avold im Reichslande, an der ich teilnehmen
durfte, wieder mit aller Deutlichkeit vor meinem Auge.

Nach beschwerlichem Fußmarsche durch gebirgiges
Waldterrain Eintreffen auf dem Rendez-vous. 30 Schützen
und nicht viel mehr Treiber. Der leitende Oberförster
empfiehlt Ruhe, da außer Hasen, Haselhuhn und Schnepfe
auch Wolf und sicher Sauen Vorkommen. Die Schützen
werden auf der breiten Lisiere des Waldabschnittes,
(der „enceinte“) angestellt. Vor ihnen undurchdring-
liche Dickung, hinter ihnen ein Wiesenstreifen. In weiter
Ferne hört man das Treiben und Blasen. Eine Stunde
— nichts! Dann das „hope-hope“ der Treiber, —näher
und näher — halblaut. Jetzt, die Instruktionen der
in der Linie verteilten Förster: „Ne vous ecartez
pas tant — la bas! — Serrez vous ä gauche!“ — Plölzlich
Aufregung in der Linie; „Attention! — II arrive —

„Gebräch“ eines Keilers — die weißen „Gewehre*
leuchten förmlich! Mit mächtigem Satze nimmt er den
Graben — dann — noch ist die Schützenlinie nicht frei
— jetzt, dicht an der gegenüberliegenden Lisiere be-
kommt er meinen Schuß. Noch fallen vier bis fünf
Schüsse auf unglaubliche Entfernungen. Aber schon
ist der „Solitair“ verschwunden im Dickicht. Noch
starre ich nach der Stelle, an der er, jenseit des Grabens
— kaum 25 Gänge entfernt — unsichtbar wurde, — da
huscht es vorüber an meiner rechten Seite — eine Sau!
„Piff, paff!“ kommt’s von den Nachbarschützen. Und ■—
links von mir ein, zwei, drei „Ueberläufer“ in voller
Flucht. Ich gebe meine zwei Schüsse ab ■— ob ich ge-
troffen, sehe ich nicht, denn eben will ich frische Pa-
tronen einlegen, da stürzen wiederum die schwarzen
Gestalten aus der „Solide“. Sie fliegen, rollen förmlich
über das Gestell — Sauen und Überläufer — vierzehn
Stück hatte man gezählt! — Ich zählte nichts mehr!
Eine Hülse sitzt fest im Patronenlager. Ich reiße mir
die Finger blutig — dann — gerade konnte ich den
einen Schuß noch abgeben. „Bravo!“ höre ich meinen
Nachbar rufen, „bien roule!“ Und dann erst sah ich’s
selbst — mitten auf der Schneise lag der Ueberläufer,.
Fünf Schüsse hatte ich abgegeben — einen Über-
läufer zur Strecke! Ich sehe ihn zärtlich an! Plötzlich
leuchtet’s hell auf, unmittelbar neben mir. Ich reiße
die Flinte an den Kopf, lasse fliegen! — Gefehlt! — Die
verdammte llülse! — Ich habe kein Blei mehr zu ver-

XXVIII 13. B.
 
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