Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

DOI issue:
13. Heft
DOI article:
Zick-Zack
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0390

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
MODERNE KUNST.





von zwei Bühnenkünstlerinnen, allerdings ausländischen, mit dem
Kreuz der Ehrenlegion. Die Ordenskommission verhielt sich
trotz der vielgerühmten französischen Galanterie, Frauen ge-
genüber von jeher etwas sehr zurückhaltend, und auch die
dritte Republik hat sich nur schwer entschließen können,
die hohe Auszeichnung an Schauspielerinnen zu verleihen.
Schriftstellerinnen und Malerinnen ist sie viel früher zu-
erkannt worden. Mit Sarah Bernhardts Dekoration ist
gewissermaßen auch die Schauspielkunst allen übrigen
Künsten im Range gleichgestellt worden, und von den
109 dekorierten Frauen Frankreichs ist Sarah Bern-
hardt zweifellos die berühmteste. W.
' *
*
Ein neues Bildnis von Charlotte Buff —
Werthers Lotte — sehen wir hier vor uns, die
verkleinerte Wiedergabe eines durch Stiftung der Ver-
einigung der Freunde des Goethehauses in den Besitz
des Goethe-Nationalmuseums zu Weimar übergegange-
nen Pastells. Mit inniger Rührung weilt der Blick auf
diesem Antlitz, in das der junge Goethe nicht genug
schauen konnte, so daß es ihm bis in den Schlummer folgte,
wie auch sein Ohr die Worte „die liebe Lotte“, die er vor sich
hin sprach, gern koste. Wir sehen dieses Vorbild von Werthers
Lotte im Geiste vor uns, den kleinen Geschwistern Brot
schneidend, wir beobachten sie während des Gewitters beim
Pfänderspiel und stehen an ihrer Seite, da sie mit Werther den
letzten Blitzen in Gedanken
an Klopstock nachträumt.
Alles das gewinnt vor ihrem Bildnis ein
doppelt klares Leben, denn dieses Antlitz
enthält keine Züge, die Goethes Schilderung
widersprächen. Lebhaftigkeit, Geist und
Frohsinn sind darin gepaart; aber auch edle
Rührung liegt ihm keineswegs fern. Gewiß,
was Lotte unsterblich gemacht hat, sind
nicht die Züge, die Natur ihr gab, sondern
die Auffassung ihres Wesens durch unsern
größten Dichter. Aber es fesselt, zu sehen,
wie bei Goethe auch hier Wahrheit und
Dichtung Hand in Hand gehen. O. A.
* :i:
Blinde Passagiere auf amerikani-
schen Eisenbahnen. Die amerikanischen
Eisenbahnen entbehren teilweise noch der
staatlichen Überwachung und stehen, was die
allgemeine Sicherheit der Beförderung an-
betrifft, noch ziemlich weit hinter den euro-
päischen zurück. Das hat seinen Grund in
der Natur und den ungewöhnlichen Verhält-
nissen der Entwicklung dieses großen, der
Kultur jung erschlossenen Landes. An Ein-
wohnerzahl übertreffen die Vereinigten
Staaten das Deutsche Reich nur um zirka
18 Millionen, ihr Schienennetz aber ist sechs-
mal so groß als das Deutschlands und sogar
um etwa 30000 Kilometer länger als das gesamte europäische. Wenn ein so
komplizierter Apparat, wie die Eisenbahn in den Händen von Privatgesellschaften
liegt, sind mancherlei Mißstände, die bei uns nicht möglich sind, die unvermeid-
liche Folge. Bei Privatunternehmungen ist die Durchführung
der unerläßlichen eisernen Disziplin innerhalb des Be-
amtenkörpers bedeutend schwerer, das Verant-
wortungsgefühl des Einzelnen ist meist nicht
in dem Maße entwickelt, wie es ein solcher
Betrieb erfordert. Außerdem stellt die
durch dauernde Konkurrenz geschaf-
fene Rekordwut die Sicherheit auf den
amerikanischen Bahnen ernstlich in
Krage; alle Vorsichtsmaßregeln sind
aus Gründen der Sparsamkeit aufs
äußerste beschränkt, und last not
least fehlt die höhere Aufsicht, die
unverhoffte, behördliche Kontrolle,
die bei einem so komplizierten, viel-
verzweigten Apparat von ganz außer-
ordentlicher Wichtigkeit ist. Infolge des
privaten Charakters der amerikanischen Eisen-
bahnen werden auch Zuwiderhandlungen und Über-
tretungen der bestehenden Vorschriften gewöhnlich

nicht so streng bestraft wie bei uns, und diesen Umstand machen
sich Landstreicher und allerlei Nomadengesindel häufig zunutze.
Wenn sie noch wenig kultivierte unwegsame Gegenden zu
durchwandern haben, so entschließen sie sich angesichts
der schlechten Wege und der meist leeren Taschen, auf
einem der großen Transkontinentalzüge zwischen New
York und San Franzisko als „blinde Passagiere“ mitzu-
fahren. Sie achten nicht der qualvollen Lage, auch die
ernste Lebensgefahr, welche sie in jeder Sekunde um-
giebt, vermag sie nicht zu schrecken; wenn sie ihr
Reiseziel nur überhaupt auf „billigstem“ Wege er-
reichen, so nehmen sie gern mit einem Platze zwi-
schen den Wagenachsen fürlieb. —//—
* i *
Richard Sawades zehn Königstiger. Die Königs-,
tigergruppe des Dompteurs Richard Sawade, welche
gegenwärtig die große Attraktion der Schau „Hagen-
beck in der Olympia“ in London bildet, steht zurzeit
an der Spitze aller derartigen Vorführungen. Sawades
Gruppe, welche sich Kaiser Wihelm II. am 21. Juni vori-
gen Jahres gelegentlich seines Aufenthaltes in Stellingen
bei Hamburg vorführen ließ, besteht aus Vertretern aller
Tigerrassen, aus bengalischen Königstigern, Inseltigern und
sibirischen Tigern. Die Tiere sind in einer sogenannten zahmen
Dressur zusammengestellt, doch läßt ihre Wildheit nichts zu
wünschen übrig. Wenn nicht die Peitsche und die Gabel ihnen
so großen Respekt einflößte, würde ihnen schwerlich ein Trick
abzuverlangen sein, denn Liebe und Zuneigung zum Dompteur,
wie man es wohl bei Löwen beobachten kann, sind von seiten
der Tiger ausgeschlossen. Sawade hat speziell seine Tiere zu enormen Sprün-
gen dressiert. Sein passioniertester Springer, die Tigerin „Saida“, springt über
den hochstehenden „Brutus“ hinweg, quer über die ganze Manege, also einen

P. Matzel: Richard Sawade mit seinen Königstigern.
Weitsprung ausführend von mindestens 12 Meter Länge, der gleichzeitig Hoch-
sprung ist. Eine andere Tigerin, „Topsy“, springt durch einen engen Reifen,
den der Dompteur über sich hält. Ausgezeichnet sind ferner die Tiger als
Kugelläufer und Springer über Hindernisse. Den Glanzpunkt der Dressur
stellt die Gruppe dar, welche, wie unser Bild zeigt, Sawade
von sieben Tigern stellen läßt. In der Mitte thront
der obenerwähnte „Brutus“, übrigens der einzige
wirkliche schlechte Charakter unter der un-
heimlichen Gesellschaft, der auch seinen
Herrn bereits einmal attackierte und
deshalb stets im Auge behalten wird.
Rechts und links von ihm stehen je
drei Tiger auf Postamenten. Durch
die Mittelöffnung dieses Requisits
springt die Tigerin „Litty“ hinüber
und herüber. Sawade hat mit seiner
großartigen Gruppe, welche der Tier-
maler Paul Matzel in allen vorgeführ-
ten Tricks skizzierte, allerorten den
größten Erfolg. Man bewundert die Un-
erschrockenheit des Dompteurs und den
Gehorsam der Bestien, welche durch die er-
staunliche Energie und Sicherheit Sawades in den
Schranken des Gehorsams gehalten werden. V. II.

Ein neues Bildnis von Werthers Lotte,
Mit besonderer Erlaubnis des
Goethe-Nationalmuseums zu Weimar.

Sarah Bernhardt erhielt das Kreuz
der Ehrenlegion.
Phot. G. Chusseau-Flaviens, Paris.

Amerikanische Landstreicher auf der Fahrt.
Phot. Illustrations-Gesellschaft.
 
Annotationen