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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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16. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0476
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MODERNE KUNST.



r azetten dürfen nicht genieret wer-
den“, lautet das Wort des großen
Königs, und gleichzeitig durfte sich in Köln
der Herausgeber der „Gazette de Cologne“
seinen Buckel reiben nach den hundert
Schlägen, die er vom selben König Friedrich II.
für seine preußenfeindlichen Nachrichten auf-
gezählt erhalten hatte. Es wurde damals mit
Zeitungen und Zeitungsschreibern nicht so
genau genommen. Eigentliche Zeitungen in unserm Sinne gab es überhaupt nicht.
Von den Vorgängen auf der Weltbühne erfuhren zuerst nur die Fürsten, die sich
auswärtige Berichterstatter hielten. Nebenher gab es in einigen großen Städten
sogenannte „geschriebene Zeitungen“, die nicht gedruckt, sondern ge-
schrieben wurden für ihre nicht nach Tausenden, sondern höchstens nach
Dutzenden zählenden Abonnenten. Solche geschriebenen Zeitungen bestanden in
Nürnberg, Köln, Hamburg, Leipzig, Regensburg, Venedig, Haag, Paris und
London, also in den Zentren des Handelsverkehrs. , Bereits im Anfang des
16. Jahrhunderts finden wir für geschriebene Zeitungen einen bestimmten Termin
ihres Erscheinens, nämlich den wöchentlichen. In einem Kontor lagen sie aus.
Die neueste Nummer konnte dort durch teures Entgelt eingesehen werden. Wer
die Zeitung abonnierte, mußte gehörig bezahlen. Der Verleger Rousset, der
Herausgeber des „Mercure historique et politique“, der im Haag erschien und
sich wegen seiner zuverlässigen Nachrichten der Berühmtheit erfreute, nahm
monatlich 100 Gulden für das Abonnement. Seinen Skribenten dagegen zahlte
er jährlich höchstens armselige 100 Taler. Wehe natürlich, wenn die Nach-
richten der geschriebenen Zeitungen für den Fürsten, in dessen Bereich sie sich
befanden, unangenehm
waren. Friedrich der
Große antwortete, wie
wir gesehen haben, mit
100 Stockschlägen. Der
Kurfürst Friedrich III., der
spätere erste preußische
König, verbot 1698 kurz-
weg alle Gazetten in sei-
nen Staaten. Friedrich
Wilhelm I. verbot die
Zeitungen zwar nicht,
aber er wurde handgreif-
lich, und das zog noch
mehr. So hat der Zei-
tungsherausgeber Ost-
gies, der die Berliner
seit Jahrzehnten mit den
harmlosesten Zeitungs-
notizen versorgte, die Un-
gnade des Königs wieder-
holt am eignen Leibe er-
fahren müssen.

Zerstörung der
Venus des Velasquez.
Eine neue Untat der

Josef Magr: Mildchenbüste.

Suffragetten hat diesmal die Kunst geschädigt.
Eine dieser Frauen stürzte sich in der Lon-
doner National Gallery auf Velasquez berühm-
tes Gemälde „Venus mit dem Spiegel“, das von
diesem hervorragenden Kunstinstitut erst vor
sieben Jahren für 900000 Mark angekauft wor-
den war. Mit einer Axt, die sie im Muff ver-
borgen gehalten hatte, schlug sie auf dieses
Gemälde ein, das sich unter Glas befand;
doch erklärt der Direktor der National Gallery Turner, das Gemälde werde sich
ausbessern lassen, da die Schnitte glatt seien. Höchst seltsam ist die Erklärung,
welche Mary Richardson für ihr Verbrechen gab. „Ich habe versucht“, so schreibt
sie, das Bild des schönsten Weibes, das die Mythologie kennt, zu zerstören,
um gegen die Regierung zu protestieren, die Frau Pankhurst, den schönsten
Charakter in der modernen Geschichte vernichtet hat. Gerechtigkeit ist ein
Element der Schönheit, gerade wie Farbe und Kontur auf der Leinwand es
sind.“ — Velasquez behandelt in seiner liegenden Venus ein Motiv, das vor
allem durch Giorgione und Tizian in der Kunstgeschichte bekannt ist. Wenn
dieser Künstler sich hier auch n t auf seinem eigensten Gebiete befindet, und
deshalb nicht mit den sinnenfreudigen Italienern wetteifern kann, wohnt diesem
Werk dennoch ein außerordentlich hoher Wert inne, der sich ja auch in seinem
Preis kund gibt. Man kann also nur hoffen, daß die Tat der Suffragette durch die
Geschicklichkeit ausgezeichneter Bilderrestaurateure wieder aufgehoben wird. ä.
* *
*
Zwei neue Mitglieder der Königlichen Akademie der Künste. In
die Königliche Akademie der Künste sind zwei neue Mitglieder aufgenommen
worden, von denen der
eine, Max Slevogt, der
früheren Sezession an-
gehört hat. Er ist mit
Liebermann der zweite
Maler, der von dieser
Künstlergemeinschaft den
Weg zur Akademie der
Künste fand. Bekannt
wurde Slevogt innerhalb
weiter Kreise, vor allem
durch seine Darstellungen
d'Andrades als Don Juan.
Das leichtbewegliche
sprühende Temperament
dieses Sängers entsprach
seiner eigenen Kunst. In
den letzten Ausstellungen
zeigte Slevogt Vögel,
deren schillernde Farbe
den ganzen Charme und
die Delikatesse seiner
Palette enthielten. Der
Künstler ist am 8. Okto-
ber 1868 in Landshut ge-
boren, und hat sich an
der Münchener Akademie
und durch Kopieren in

Kunstwerke sein volles Verständnis und seine
lebhafteTeilnahme. Neptun,Tritonen, Okeanos
und Okeaniden und selbst der antik allegori-
sierte Vater Rhein lassen die große Masse
des Volkes kalt — die Zauberformel, mit der
die Herzen gewonnen werden, muß heimatlich
geschrieben sein. Daß Magr dementsprechende
Vorwürfe wählt, kann nur gebilligt werden.
Das bisherige Lebenswerk des Künstlers
umschließt neben den erwähnten Leistungen
noch größere statuarische Werke, Porträt-
büsten, Plaketten, Grabdenkmäler und man-
cherlei andere, in Privatbesitz übergegangene
Arbeiten. Zwei Studien, die lebensvolle, im
Ausdruck charakteristische Marmorbüste eines
Mädchens und die Bronzeplakette „Hexe“,
deren maßvolle Dämonie dem Häßlichen fern
gehalten ist, befinden sich gleichfalls in Privat-
händen. Ihre Abbildungen sind diesen Zeilen
beigefügt. Ein geistvoll erdachtes, formen-
—s===- Zick-

schönes Relief, betitelt „Das Schicksal“, ist
Eigentum des Städtischen Museums der bil-
denden Künste. Figurenschmuck seiner Hand
zur Verbindung mit der Architektur finden
sich am neuen Rathaus, dem prächtigen
Renaissancebau Lichts, am Deutschen Buch-
gewerbehaus und an der Universität. Für
letztere schuf er im Verein mit J. Hartmann
die vier mächtigen Karyatiden am Haupt-
portal des Mittelbaues.
Ein starkes malerisches und poetisches
Empfinden — das heißt „malerisch“ inner-
halb der von der Skulptur gezogenen Grenzen
— gelangt in Magrs Werken zum Ausdruck.
Es beruht darin sehr wesentlich ihre Be-
sonderheit und auch ihre Anziehungskraft.
Romantische Neigungen spielen in sein
Schaffen hinein, und man läßt sie sich gern
gefallen, weil sie der deutschen Art nicht
fremd sind. Georg Buß.
Zack. --

Diego Velasquez: Venus mit dem Spiegel. - Von einer Suffragette zerstört.
 
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