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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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19. Heft
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Braungart, Richard: Robert F. Curry
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0573
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R. F. Curry: Wintermorgen im Geschnitztal.

ROBERT F. GURRT.
Von Richard Braungari.
^gd|n den meisten Künstlerbiographien kann man als etwas beinahe Selbstverständ-
<5ÄI liches und doch immer wieder als etwas Erstaunliches lesen, daß der nachmals
(fiajSC so berühmt gewordene Maler X oder der Bildhauer Y schon in ganz jungen
Jahren Beweise eines außerordentlichen Talents gegeben haben. Von dem einen erzählt
man, er habe alle Wände und Türen vollgekritzelt und kein leeres Blatt Papier sehen
können, ohne es mit Figuren und dergleichen zu bedecken; von dem andern, er habe
aus Rüben Köpfe geschnitzt oder aus Erde Figuren modelliert. Und was dergleichen
nette Histörchen mehr sind. Es gilt deshalb, besonders unter den Laien, als aus-
gemacht, daß dieses „ex ungue leonem" auf jedes Künstlerleben praktisch anwendbar
sei. Ja, es mag sogar Leute geben, die einen Künstler nicht für genügend legitimiert
halten, wenn in der Schilderung seines Lebenslaufes dieses Requisit fehlt, das in der
Phantasie des Publikums nun einmal zu einem echten Künstler gehört wie die Samt-
jacke und der Leichtsinn.
Aber wie jede Regel, so hat auch diese ihre Ausnahmen. Und für Menschen,
denen der Weg weniger bedeutet als das erreichte Ziel, sind gerade diese interessant.
Beweisen sie doch mehr noch als die Regel, daß jemand, der zum Künstler bestimmt
ist, es doch unter allen Umständen, früher oder später einmal wird, mögen auch noch
so viele Widerstände sich dem Willen des Schicksals entgegenstemmen. So ein lehr-
reiches Beispiel, das den Glauben an den endlichen Sieg jeder ernsthaft und aus
innerem Müssen heraus betriebenen Sache neu in uns stärkt, ist der Lebenslauf des in
München lebenden Malers Robert F. Curry. In Boston in den Vereinigten Staaten ist
Curry am 2. November 1872 geboren. Boston ist u. a. berühmt durch seine Pflege
der Wissenschaft, Musik und Kunst; es ist gewissermaßen der Kopf der Union. Aber
es liegt immerhin in Amerika, also im gelobten Lande des Sports. Und Sport war
demnach der Inhalt des Lebens des jungen Curry wie ungezählter anderer junger
Amerikaner.
An Kunst dachte er kaum, und ganz bestimmt fiel es ihm nie ein, leeres
Papier öder Wände mit Zeichnungen zu schmücken. Weit wichtiger schien es ihm,
auf irgend einem sportlichen Spezialgebiet die Weltmeisterschaft zu erreichen, ein
Bemühen, das sogar nicht ohne Erfolg geblieben ist.

[Nachdruck verboten.]
Als es nun für Curry Zeit schien, sich irgendeinem Erwerbsstudium zuzuwenden,
ging er (1892) nach Europa, und zwar nach Stuttgart, und bezog dort die technische
Hochschule, um nach dem Willen des Vaters Architekt zu werden. Und da geschah
denn das Wunderbare, daß in dem jungen Curry die bis dahin schlummernde Kunst-
begabung plötzlich erwachte. Curry fand nämlich durchaus kein Gefallen am Archi-
tekturstudium. Weit mehr reizte es ihn, im Zeichnungssaale zu arbeiten. Zuerst
gelang ihm allerdings gar nichts. Aber schon nach einigen Wochen hatte er im
Köpfezeichnen derartige Fortschritte gemacht, daß der Professor dieses Kursus ihm
riet, Maler und nicht Architekt zu werden. Ein befreundeter Kunsthistoriker unter1
stützte diese Meinung, und so verließ Curry mit seiner Mutter, die mit dem Berufs-
wechsel des Sohnes einverstanden war, nach kurzem Aufenthalt Stuttgart und zog nach
München, das seitdem seine Heimat geworden ist. Er zeichnete auf der Kunstakademie
erst bei Knirr, kam dann in die Malschule Marrs und besuchte später noch die
Komponierschule Liezen-Mayers, nach dessen Tode auch die Schule Löfftzs. Noch in
der Schule Liezen-Mayers entstand das große Bild „Gerettet", das darstellt, wie Bern-
hardinerhunde auf unwegsamen Paßhöhen eingeschneite Wanderer entdecken und ihre
Rettung ermöglichen. Es war ein Schlager der damaligen Ausstellung, erhielt die
große silberne Medaille und wird heute in einer Basler Galerie aufbewahrt.
Auf diesem Bilde finden wir bereits zwei Hauptmotive Currys vereinigt: die
winterliche Gebirgslandschaft und Hunde. Aber es vergingen noch eine Reihe von
Jahren, während deren er sich auch viel in Italien aufhielt, bis er mit selbständigen
Bildern der genannten Kategorien hervortrat. Es entstanden damals viele Porträts,
die aber weniger in Ausstellungen ihren Weg fanden. Und man kann darum sagen,
daß der eigentliche Aufstieg Currys erst von dem Moment an begann, da er mit seinen
Schneelandschaften, zwischen die er immer auch große Flundeporträts (von Bernhardiner-
und andern Hunden) einreihte, im Münchner Kunstverein an die Öffentlichkeit trat.
Das war etwa um 1906, also zu einer Zeit, da er sich in Grafrath nächst dem Ammersee
ein Landhaus erworben hatte. Von diesem Augenblick an datiert ein intimeres Ver-
hältnis Currys zur Natur, das ihn dann ganz zwanglos zur Landschaftsmalerei als der
seinem Wesen, das selbst gesundeste, stählerne Natur ist, am meisten konformen

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