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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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20. Heft
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Ertel, Jean Paul: Berlin und seine Konzerte: eine Betrachtung über Konzertisten und Publikum
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Silbergleit, Arthur: Die Farbenschlacht
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Unsere Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0611
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2Ö0

MODERNE KUNST.

Alltäglichkeiten. Wieviel Kummer, wieviel Tränen würden solchen Konzert-
gebern erspart werden, wenn sie sich vor dem Mieten eines Saales erst einmal
einer gewissenhaften Autorität anvertrauen würden. Selbst eine durchaus ab-
lehnende Antwort macht sich dann bezahlt. Häufig macht man auch den Agenten
für den Mißerfolg verantwortlich. Das ist aber meines Erachtens vollkommen
unbegründet. Der Agent hat auf Verlangen das gewünschte Engagement zu ver-
mitteln. Alles Weitere geht ihn nichts an. Insbesondere kann man von ihm
nicht verlangen, daß er vor dem Engagement erst eine hochnotpeinliche Prüfung
über die Qualitäten des Ansuchenden anstellt, ganz abgesehen davon, daß er in
den meisten Fällen persönlich gar nicht in der Lage dazu sein wird. Auch
könnte ihm unter Umständen ein solches Ansinnen geradezu als Beleidigung aus-
gelegt werden, wenn z. B. der Konzertgeber anscheinend eine „Persönlichkeit“ ist.
Jüngst rauschte der Blätterwald von allerlei Klagen gegen die Agenten wieder,
und es ist bekannt, daß eine Strömung der Konzertgeber sich geltend macht,
von den Agenturen loszukommen. Tatsächlich hat sich vor einigen Jahren ein
„Verband der konzertierenden Künstler Deutschlands“ mit dem Sitze in Düssel-
dorf gebildet. Man wollte das Konzertarrangement in eigne Regie nehmen. Zu
diesem Zwecke wurden „Künstler“ von irgendeiner Kommission „diplomiert“.
Der Saal wurde gemietet, und so traten sie nun vor die Öffentlich-
keit. Aber was wurde damit erreicht? Man sah und hörte mit
Erstaunen, daß einer Anzahl von Musikern das Diplom aus
gestellt war, die in Berlin gar nicht in Ehren bestehen
konnten. Nun tritt ein zweiter Konkurrenzverein
demnächst auf den Plan, der „mit Verbesserungen“
die gleiche Maxime vertreten will. Ich glaube
nicht an die Erfüllung der vielen Versprechun-
gen. Man muß zur richtigen Beurteilung da-
von ausgehen, daß die Unzufriedenheit mit
den bestehenden, im allgemeinen doch
nicht so schlechten Verhältnissen immer
von einem Häuflein Mißvergnügter ge-
nährt wird, die in Berlin nicht das
fanden, was sie suchten. Sie über-
sehen, daß der Agent beim besten
Willen für sie nichts tun kann, wenn
ihre mehr oder minder große Talent-


losigkeit schlechte Kritiken gezeitigt hat. Wem der erste Erfolg nicht blüht,
kann auf andere Erfolge nicht rechnen.
Die Berliner Konzertmisere ist ja gerade hervorgerufen worden durch das
gewaltige Einströmen musikalisch zweifelhafter Elemente, die sich in dem Wahne
befinden, in der Reichsmetropole vielleicht „entdeckt“ zu werden. Wer sich
vergegenwärtigt, daß gerade in unserem Musikzentrum die ersten Künstler der
Welt beinahe täglich konzertieren, der wird auch begreifen, daß die Berliner
Kritik, gehörig geschult, ganz bestimmte Ansprüche an die Leistungsfähigkeit
neuer Erscheinungen am Musikhimmel stellen muß. Berlin ist und bleibt ein
heißer Boden, weil hier das Beste vom Besten geboten wird. Deshalb haben
alle Mittelmäßigkeiten einen überaus schweren Stand. Kommt jedoch ein junger
angehender Künstler zu uns, um einmal ein rechtschaffenes Urteil ohne den
Nebengedanken einer provinziellen Verwertung von uns zu verlangen, dann soll
er uns willkommen sein. Wie sich aber jetzt bei der Vermehrung der Säle, auch
der Agenten, die künftigen Konzertverhältnisse gestalten sollen, ist nicht voraus-
zusehen.
ist sozusagen die Stadt der Überschätzung, auch die der Über-
Fast jede Saison beschert uns ein, zwei, drei neue Theater; die
Kinopaläste haben eine ungeheure Ausbreitung erlangt; die musi-
kalischen Veranstaltungen haben sich bis zur Explosion ent-
wickelt. Die Reaktion wird und muß kommen, um solche
Expansionen wieder auf ein natürliches Maß zurück-
zuführen. Zurzeit begnügt man sich mit dem „laisser
aller“; aber einen gesunden Zustand kann man
es kaum wohl nennen, wenn die großen Tages-
zeitungen heute bereits fünf und mehr Re-
zensenten anstellen, um dem Bedürfnis die-
ser enorm gesteigerten Konzerttätigkeit be-
gegnen zu können. Und was hindert spe-
kulative Unternehmer, noch mehr Säle zu
bauen und immer noch mehr Dilettanten
aus allen Winkeln der Welt heranzu-
ziehen? Ich glaube, wir kommen auf dies
Thema noch einmal nach fünf Jahren
zurück, und dann wird es sich zeigen,
wie berechtigt diese Bedenken sind.

Berlin
Spannung.

cs <2> <2> <3

& Die Darbenscßfacßf. <2><s>

(Der ‘IKoßn ßat seine Faßnen ausgeßängt.
1Die cfonne, Gottes glückerglüßte ‘Trau,
‘Ulit ißrem Straßlensirom den ‘Purpur tränkt.
[Ruf Gräsern blitzt der aufgeßißte Tau.

Ton fflrißur cfilbergleit.
Tie ‘Rispen, reicß an Silberstickerei’n,
Grßeben stofz ißr windzerzaustes Blond
Zum [Himmel, dessen brüderlicßer Scßein
Grüßt des Cganenßeeres blaue Tront.

£g> <S> <£>

Und zwiscßen Fingerßut und ‘Rittersporn
‘Und Falterflügeln in • der Tarbenschiacßt
‘Rauscßt wie ein goldner ‘Fluß das gelbe [Korn,
Farin des ‘Uloßnes Fackelbrand entfacßt.

Glut stießt gen Glut, rings cltraßlenprall an =praLl,
Und in der Teuerscßlacßt, die ßeiß entflammt,
Ubt stolz der ‘Ulond auf seinem fßolkenwall
cf ein efeßiedsgerießt, sein ßoßeitsvolles Slmt.

‘Und scßmückt mit goldnen [Kränzen Freund und Feind
Und winkt der fiOeltversößnerin, der Uacßt,
Faß sie die glutentbrannten Streiter eint,
Gß’ cficßelsilber seßließt die Farbenscßlacßt.

Unsere Öilder*

JO

lbert von Kellers Gemälde „Der grüne Schleier“, das seiner letzten
Zeit entstammt, zeigt den 70jährigen Künstler, der wie kein anderer die
Eleganz der Frau wiederzugeben weiß, in der vollen Kraft seines Schaffens.
Nicht umsonst ist Keller in seiner Jugend ein Schüler Lenbachs gewesen. Wenn
diesen aber gewöhnlich nur das feine, rassige Gesicht eines Frauenkopfes reizte,
so gibt der Frauenmaler Albert von Keller die ganze Gestalt wieder. Ja zu
der Weltdame, deren Eleganz er liebt, gehört auch der Komfort des modernen
Salons und Boudoirs und ihre Toilette. Alle diese Dinge: das Antlitz und die
Figur einer schönen Frau, ihre nervös sensible Art, sich zu bewegen, die Seiden-,
Spitzen- oder Pelzverbrämung ihrer Kleidung, der weiche Sitz, auf dem sie
ruht, ergeben bei ihm eine seltene Einheit. Gerade wir Deutschen haben
wenig Künstler, die für eine derartig verfeinerte Sinnlichkeit Gefühl und Ge-
schmack besitzen, und in deren Fingerspitzen genug Kultur lebt, solche Zartheiten
wiederzugeben. Zugleich weiß aber auch Albert von Keller den tieferen Cha-
rakter der Frau, mag er Träumerei, Anmut, stilles Leiden oder Schalkhaftigkeit
sein, durch dieses Wellenspiel hindurch schimmern zu lassen.
Storni von Gravesande gehört zu den holländischen Künstlern, die in
Deutschland bisher nicht so bekannt sind, als es ihnen gebührte. Man könnte
sich durch die Arbeiten dieses Künstlers an Mesdag erinnert fühlen; aber der

gleichalterige Storm von Gravesande ist durch ihn keineswegs beeinflußt. Die
gemeinsame Heimat legt beiden Malern, die mit Vorliebe Marinen wiedergeben,
ähnliche Motive nahe. Zudem besitzt Storm von Gravesande gegenüber dem
schwerblütigeren Mesdag ein leichter bewegliches Temperament. Seinen Arbeiten
haftet eine skizzenhafte Frische an, die eine Folge des Impressionismus ist und
sich zur Wiedergabe bewegten Meeres, böigen Wetters und bewegter Schiffe be-
sonders eignet. Sie spricht auch aus des Künstlers „heimkehrenden Fischer-
booten“. Von anderen Werken Storm von Gravesandes, die ihre Motive nicht
der Marine entlehnen, seien besonders seine feinen Interieurs hervorgehoben.

Heinrich Böhmer, der sich als Landschafter eines guten Rufes erfreut,,
genoß seine Schulung unter Dücker in Düsseldorf. Es sind aber nicht die
eigentlichen Düsseldorfer Motive, die wir bei ihm finden, sondern dieser Künstler
hat mit Vorliebe den Harz aufgesucht. Der Friede der hohen Buchenstämme,,
durch die das grünliche Sonnenlicht fällt, oder die Abenddämmerung, welche
sich über die Kronen ausbreitet, ihre Konturen mit Dunkelheit ausfüllt und
ineinander verwebt, haben es ihm angetan. Mit Vorliebe läßt er auf seinen
Bildern auch einen „Waldsee“ von dem großen grünen Laubjuwel umschlossen,
sein. Eine träumerische Stimmung klingender Ruhe geht von diesen Arbeiten aus..
 
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