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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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20. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0614
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MODERNE KUNST.




Zick,-

adelmalereien der Gräfin Zedlitz - Trützschl er.
• qj- Immer und überall, wo wirkliche Kunst mit dem
praktischen Leben in engere Berührung kommt, ist ihr ver-
edelnder und erhebender Einfluß unverkennbar. Sie vermag
dem nüchternen Alltag ein festliches Gewand zu geben, und
ihr Erscheinen bannt alles Häßliche und Niedrige. In früheren
Zeiten, als die Kunst gleichsam auf einsamer Höhe lebte,
wurden nur wenige Auserwählte ihrer Segnungen teilhaftig.
Heute hingegen hat sie unser Dasein durchdrungen und
ihre Wohnung nicht nur in den Palästen der Reichen auf-
geschlagen; wir begegnen ihr allerwegen. Besonders befruch-
tend und veredelnd war ihr Einfluß auf das Gewerbe; ja,
sie hat es hie und da sogar vermocht, manches Gewerbe all-
mählich so zu läutern, daß es selbst zur Kunst geworden ist.
Eines dieser Gewerbe, dem eine geradezu erstaunliche Entwick-
lung beschieden war, ist die Kunststickerei. Schon im Mittel
alter entstanden außerordentlich feine Gewebe und Schlitzwirke-
reien in Seide und Goldfäden, die den verschiedensten dekorativen
Zwecken dienten. Jene Technik hatte ihren Ursprung im Orient und
fand ihren Weg über Arabien nach Europa. Auch China und Japan
erzeugten schon frühe derartige Kunstwirkereien in hoher Vollendung.
Seit dem 15. Jahrhundert stand die Gobelinwirkerei in Frankreich
in üppiger Blüte. Aus ihr ist später eine moderne Technik, die Gobelinmalerei,
hervorgegangen. Sie bedient sich meist eines der Textur der echten Gobelins
entsprechenden Stoffes und malt dann mit Wasser-, Tempera- oder verdünnten
Ölfarben. Heute haben viele tüchtige Frauen ihre Begabung in den Dienst
der Kunststickerei gestellt und
leisten, wie die alljährlichen Aus-
stellungen beweisen, zuweilen
ganz Hervorragendes. Das Aus-
gezeichnetste und Verblüffendste
aber, das die moderne Kunst-
stickerei in jüngster Zeit hervor-
gebracht hat, sind die ,.Nadel-
malereien'‘ der Gräfin Zedlitz-.
Trützschler. Es ist eine inter-
essante Beobachtung, daß sich
die hohe künstlerische Fertigkeit
dieser Dame ganz organisch aus
bescheidenen Anfängen heraus
allmählich zu solcher Vollendung
entwickelte. Von jeher hatte die
Künstlerin große Vorliebe für
Handarbeiten, besonders aber
für Stickereien. Die Anregung
zu ihren künstlerischen Arbeiten
wurde meist direkt der Natur entnommen; das eigne Heim mit seinem Drum
und Dran ist oft der beste Boden für neue Ideen weiblicher Kunstbetätigung.
So war es auch hier. Gräfin Zedlitz-Trützschler hatte sich vorgenommen, eine
Decke auf Canevas zu sticken; es fehlten ihr nur die geeigneten Vorlagen.
Ganz zufällig brachten die von einem Spaziergang zurückkehrenden Kinder
einen Blumenstrauß heim, und schon war das
beste und würdigste Modell gefunden. Die
Freude an solchen Arbeiten nach der Natur
wuchs bei der Künstlerin immer mehr, und
sie errang schließlich eine solche Fertigkeit
im Nachbilden der Blumen, daß sie bald
von der Ausführung einzelner Blumen zur
Komposition ganzer Gewinde übergehen
durfte. Die Blüten und Blätter werden direkt
nach dem lebenden Vorbild ohne Benutzung
von Bleistift oder Pinsel auf den Stoff über
tragen. Man kann mit Recht für diese
Arbeiten den klangvollen Namen „Nadel-
malerei“ wählen, denn die Entwürfe der
Gräfin Zedlitz -Trützschler geben Beweise
einer ungewöhnlich hohen künstlerischen Be-
gabung. Sie zeugen von einem tiefwurzelnden
Gefühl für Wesen und Art der Blumen, von
einem ausgeprägten Sinn für dekorative Be-
herrschung der Fläche und für die Abstufung
in den einzelnen Farbentönen. Unsere Ab-
bildungen vermögen natürlich nur ein be-
scheidenes Zeugnis dieser Kunst zu geben.
Wie wir sehen, finden die Stickereien die

Zack.

„Nadelmalerei“ auf
einem Pompadour.

Wandbehang in „Nadelmalerei“.

mannigfachste Verwendung: sie eignen sich für Paravents, für
Kissenbezüge, Kleider, Kostüme sowie auch für Damentaschen,
die übrigens in dieser Ausführung schon in Paris, London und
Amerika außerordentlichen Anklang gefunden haben. Das
Feld künstlerischer Betätigung scheint unbegrenzt, was bei
einer derartigen hochentwickelten Beherrschung der Technik
auch kaum verwunderlich ist. Die „Nadelmalereien“ der
Gräfin Zedlitz-Trützschler haben denn auch im Publikum
sowie in Fachkreisen während ihrer Ausstellungen wohl-
verdiente Beachtung und Bewunderung gefunden. G.A.
Mr. Wu. Seit einigen Jahren scheint sich der Chinese Heimat-
recht auf unserer Bühne erobern zu wollen. Je mehr ja ein
Volk mit anderen in Berührung kommt, desto größer wird
seine „Interessensphäre“, ein Wort, das man vom Kauf-
männischen auch auf die Kunst beziehen kann. Dies gilt jetzt
von dem Chinesen, dessen Vorläufer der Japaner war. Diesen
betrachtete man zuerst unter dem Gesichtswinkel einer ergötzlichen
operettenhaften Nippesfigur, wie ihn Sullivans allbekannter „Mikado“
zeigte. Oder die verlassene Japanerin ward z. B. in „Butterfly“ zu
einer romantischen, rührsamen Verlassenen. Nun ist dem Japaner der
Sohn des Himmels gefolgt, wobei man sich um seine realistische Er-
fassung bemüht, mag auch noch genug Romantik von Geheimbünden usw. unter-
laufen. Das englische Schauspiel „Mr. Wu“ schildert einen Großen seines Reiches,
einen Mandarinen; der europäische Bildung genossen, aber doch durchaus Chinese
geblieben ist und bei seinen Landsleuten eine fast abgöttische Verehrung genießt.
Da überrascht er seine Tochter,
die er einem anderen Mandarinen
vermählen wollte, in den Armen
des Sohnes eines englischen Groß-
kaufmanns, läßt sie töten und
den Verführer in Gewahrsam
legen. Nun gilt sein ganzes
Streben der Rache, die er nach
Art seines Stammes aufs furcht-
barste nehmen will. Dem Plan,
der in ihm aufsteigt, und dem
Mißlingen dieses teuflischen Vor-
habens, dienen die beiden Haupt-
akte des auf Effekt gebauten
Stückes, das nach Sherlock-
Holmes - Phantasien schmeckt.
Bei einem Besuche des Großkauf-
manns, der vergebens nach sei-
nem verschollenen Sohne sucht
aber doch den Verdacht hegt,
Mr. Wu wisse um sein Verschwinden, lernt dieser Chinese die Frau des Groß-
kaufmanns kennen. Er beschließt, sie zu sich zu locken und zu entehren, um
so Rache für seine Tochter zu nehmen, und erklärt ihr deshalb, sie könne Nach-
richten über ihren Sohn bei ihm erhalten. Als sie sich in der sicheren Falle
befindet, wirft ihr ihre Dienerin, die der Chinese von ihr abgesondert hat, Gift
durchs Fenster, das die Gequälte in ihren Tee
schüttet, um so der Schande zu entgehen.
Mr. Wu, der zur Türe eintritt und von seinem
eigenen Tee trinken will, schöpft Verdacht;
deshalb nimmt er unter galanter Phrase den
Tee seines Opfers, um bald dem Gift zu
erliegen und ihr und ihrem Sohne so den Weg
freizugeben. Diesem spannenden Stück hatte
die Direktion des Theaters der Königgrätzer
Straße den exotischen geeigneten Rahmen
gegeben, der zur Wirkung des Ganzen beitrug.
Vor allem aber lagen die beiden Hauptrollen
in den Händen von Herrn Meinhardt und
Frau Fehdmer, die beide die Schemen, die
ihnen das Stück überwies, aus Eigenem mit
warmem Blut füllten und ihm so zum vollen
Leben verhalten. Unsere Abbildung ent-
stammt dem ersten Akt und zeigt die Familie
des Großkaufmanns in dem Garten der
Tochter Mr. Wus vereinigt, die bald ihr tra-
gisches Ende finden soll. —d.
*
*
Der moderne Fahr- und Reitsport.
Der Fahr- und Reitsport hat in den letzten

Entwurf für ein Kissen in „Nadelmalerei“.
 
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