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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0643
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MODERNE KUNST.





Zug ins Große deutlich, wirkt er durchs Flächige. Von voll
endeter Schönheit ist die Form seines Geräts, weil er in
erster Reihe für sie Zweckmäßigkeit anfordert. Nirgends
erscheint das schmückende Ornament als überflüssiges
Beiwerk: Schmuck und Form fließen vielmehr hier
zu edler Einheit zusammen. Ich weiß nicht, ob
Jensens Methode des Treibens eine besondere ist,
aber ich weiß, daß der Effekt dieser Methode ein
unvergleichlicher ist. Unter der Hand des „däni-
schen Silberschmiedes'' gewinnt das Silber ganz
neue Lichteffekte; das störend Blanke ist völlig
aufgehoben, ein matter und doch so warmer
Glanz ist an Stelle des kalt Strahlenden getreten,
was das Silber sonst hat. Mit erlesenstem Ge-
schmack vei wendet Jensen ferner Halbedelsteine
aller Farben: man hat bei jedem Stück den Ein-
druck — hier durfte gar kein andrer Stein zum
Silber gesetzt werden. Und welche Flarmonie in der
von Jensen besonders beliebten Verschmelzung von
dem weichen Leuchten des Silbers und dem altersdunklen
Gold des Bernsteins liegt, vermag die Feder nicht zu schil-
dern. Man wird Jensens Arbeiten später einmal sammeln, wie
man heut den Schöpfungen der großen Meister früherer Blüte-
zeiten der Edelschmiedekunst einen Ehrenplatz in den Museen
an weist. Dr. Adolf Heilborn.

Johannes Brahms.
Phot. Alice Matzdorf, Berlin.

Heimat sollte nach manchem Wanderjahre die Kaiserstadt an
der Donau werden, wo ein Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven
und Schubert gelebt hatten. Hier schlug er später in
der in der Wiedener Vorstadt belegenen Karlsgasse sein
Domizil auf: „drei behaglich eingerichtete Zimmer
im dritten Stockwerk eines schon recht ehrwürdigen
Hauses. Die Mietsfrau besorgte getreulich die Be-
dienung des sich mehr und mehr .verhärtenden'
Junggesellen“. Mehr als drei Jahrzehnte lang,
bis zu seinem Tode (3. April 1897), hat Brahms
hier gewohnt, und ebensolange ist er auch seiner
Gewohnheit, das Mittagsmahl und — falls er
nicht bei Billroth oder einem anderen seiner
Wiener Freunde zu Gaste war — auch das Abend-
essen im „Roten Igel“ einzunehmen, getreu ge-
blieben. Es dünkt uns befremdend, wenn wir
erfahren, daß Brahms erst im 47. Lebensjahre den
für den „Brahmskopf“ so charakteristischen Vollbart
trug; bis dahin war er völlig bartlos gewesen. Seine
äußere Erscheinung, wie sie trefflich die hier wiedergegebene
Silhouette zeigt, hat uns Perger, einer der Intimen des Meisters,
anschaulich geschildert. Er bewegte sich, heißt es da, auf der Straße
mit raschem Schritte, häufig mit auf dem Rücken gekreuzten Armen,
bei linder Luft wohl auch ab und zu mit dem Hute in der Hand.

Brahmsiana. Durch die Zeitungen ging kürzlich die sich nicht bestätigende
Meldung, das Geburtshaus von Johannes Brahms in der Specksgang (Schlütershof)

Becher aus der Werkstatt Georg Jensens.
zu Hamburg solle der Spitzhacke zum Opfer fallen. Wer den Reiz kennt, den auf
kommende Geschlechter solch ein schlichtes Geburtshaus eines großen Meisters
ausübt, hätte die Tatsache des Abbruchs höchlichst bedauert. Dieses alte Ham-
burger Brahmshaus ist noch eines jener winklig-heimeligen Giebelgebäude an
enger Gasse, die für das Hamburg vor dem großen Brande vom Jahre 1842 so
charakteristisch waren, heute aber bereits zu
zählen sind. Brahms, der Vater, hatte sich
1826 als Hornbläser (später Kontrabassist) in
Hamburg niedergelassen und vier Jahre später
hier verheiratet. Als zweites Kind dieser Ehe
mit einer um 17 Jahre älteren Frau ward ihm
am 7. Mai 1833 Johannes geboren. Der große
Tonmeister hat eine heitere Kindheit gehabt.
Seine derbe Gesundheit ließ ihn sich mit gleich-
altrigen Spielkameraden in jenen oben geschil-
derten Gassen herumtummeln, und dabei ward
der Zehnjährige, der bis dahin von Krankheit
noch nichts wußte, eines Tages überfahren und
nicht unerheblich verletzt. Um jene Zeit aber
war Brahms als Pianist bereits ein Wunder-
kind : wollte doch ein Konzertagent den Zehn-
jährigen für eine Amerika-Tournee engagieren.
Dem wehrte glücklicherweise sein Lehrer; er
konnte es jedoch nicht verhindern, daß Johannes
um des lieben Brotes willen fünf Jahre später
im Bergedorfer Gasthof . „Zur schönen Aus-
sicht" Tanzmusik machen mußte. Der Zwanzig-
jährige verließ die Vaterstadt und kehrte nur
noch vorübergehend dorthin zurück. Seine zweite

Er war keineswegs nach der Mode, aber stets nett und reinlich gekleidet, nur —
die Kopfbedeckung ließ
öfter zu wünschen übrig.
Aus dem jüngst erschie-
nenen Abschnitte der
großen Brahms - Bio-
graphie von Kalbeck
wissen wir, daß auch —
die Beinkleider des Mei-
sters den Freunden viel-
fach ein Ärgernis gaben.
Brahms trug sie näm-
lich so hoch gezogen,
daß sie niemals bis auf
die Stiefel hinabfielen.
Als die Freunde einst-
mals seinen Schneider
bestochen hatten, die
neuen Inexpressibles
überlang zu machen,
schnitt Brahms, da er
es beim Tragen be-
merkte, sie eigenhändig
auf seine gewohnte
Kürze zurecht! H.

Geburtshaus Johannes Brahms.
Phot. Alice Matzdorf, Berlin.

Josef Lhevinne.
Ein Klavierkünstler,
der sich in der Gegen-
wart eine außerordent-
liche Hochschätzung errungen hat, ist Professor Josef Lhevinne. Wer sein
von idealsten Zügen getragenes Spiel einmal
gehört hat, wird sich dessen immer bewußt
bleiben. Kein Virtuose mit äußerlich genialen
Manieren, ein echter, warmherziger Künstler,
der seine Persönlichkeit stets dem interpre-
tierten Kunstwerk nachordnet. Und wie er
in dem öffentlichen Hervortreten bescheiden,
so ist er es auch im gewöhnlichen Leben, ein
allzeit liebenswerter Mensch. Welche großen
Werte hat nur die gütige Natur in diesen
Menschen gelegt! Erstaunliche Worte eines
transzendentalen Künstlertums, wie sie zu
den großen Seltenheiten gehören. Alle rein
mechanische Handhabung des Klaviers ergibt
sich bei ihm wie etwas ganz Selbstverständ-
liches, Währloses. Seine Technik ist so rund-
geschliffen wie nur je eine, und diese präzise
Technik wird von einem intelligenten Willen
geleitet, der Hand in Hand mit einem glück-
lichen Instinkt uns davon eine Kunstleistung
herrlichster Art schenkt. Daß dieses Resultat
schließlich gezeitigt werden mußte, ergibt der
Lebensgang des Künstlers. Josef Lhevinne ist
ein Wunderkind gewesen. Im Jahre 1874 in

Krug und Dose aus der Werkstatt Georg Jensens.
 
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