Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

DOI Heft:
22. Heft
DOI Artikel:
Dorret, M.: Ich lasse dich nicht, [1]: Roman
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0661
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.

273


Christian Krogh: Schwere See.


Ich lasse dich nicht.


Roman von M. Dorret.

jjU^^^^yjijfcinc Exzellenz zogen den feierlichen Überrock etwas straffer. Er
sah dabei sehr ernst und gerade in die Augen des „schönen
LvpX Harry“. Der stand vor ihm in streng dienstlicher Haltung, die

Hand am Säbelknauf, die Füße in den wundervoll geschnittenen Lack-
schuhen eng beisammen. Ab und zu klirrten ganz leise die kleinen silbernen
Sporen. Das war das einzige äußere Merkmal, was die Ungeduld des jungen
Offiziers bei der langen Aussprache Seiner Exzellenz verriet.
Wenn einer seine Tochter hergeben wollte, brauchte er doch weiß
Gott nicht solchen Klimbim drum zu machen. Entweder Ja oder Nein.
Basta. Der Mann redete ja andauernd um den Kern der Sache herum. Ihn
— Harry Tennow — interessierte es zunächst am meisten, wie sich dieser
„Kern" gestalten würde, auf dem man die Geschichte aufbauen wollte:
diese Ehe mit der weißblonden Exzellenzengöre, die dös „schönen Harry“
letzte Rettung war.
Der General wußte das. Daran zweifelte sein Schwiegersohn in spe
absolut nicht. Das „Drumrumreden“ war sonst nicht seine Sache. Warum
Seine Exzellenz nicht glatt „nein“ sagte, gar nie es sagen würde, glaubte
der Oberleutnant Heinrich von Tennow zu wissen. Das beinahe leidenschaft-
lich zärtliche Verhältnis zwischen Vater und Tochter war bekannt in dem
Nest. Er schlug ihr nichts ab. Und sie wollte ihn ....
Der „schöne Harry“ fuhr ein wenig zusammen. Nun hatte er die
ganzen letzten Redeblüten Seiner Exellenz überhört. Denn das hier schien
so eine Art Schluß zu sein:
„Ich habe sehr ehrlich mit Ihnen gesprochen, Herr von Tennow. Sie wissen
jetzt, was mir — was uns — Margret ist.“ Er machte eine kleine Pause, zog
wieder an dem Überrock: „Alles“, setzte er dann rasch und leise hinzu.
„Mir ist sie einfach alles gewesen. Ich weiß nicht, ob Sie verstehen können,
was das heißt. Noch nicht vielleicht. Aber ich könnte es nicht ertragen,
wenn sie nicht das Glück bei Ihnen fände, das sie zu finden hofft." . . .

[Copyright 1913 by Rieh. Bong.]
Harry Tennow blieb ganz ernst, er wartete, ob noch etwas erfolgen würde,
und als der alte Herr nur stumm, die Blicke über ihn weg ins Weite ge-
richtet, ganz geistesabwesend vor ihm stehen blieb, setzte er zu irgendeiner
hübschen Redewendung an.
Aber da hob der General mit einer ruckartigen, energischen Bewegung
den grauen Kopf:
„Bitte, nur jetzt keine unnützen Worte“, sagte er kurz. „Ich will
Margret und meine Frau rufen. Einen Augenblick."
An der Tür kehrte er noch einmal um, ging rasch auf den jüngeren zu:
„Und nun Gott mit Euch, lieber Junge."
In einem überströmenden, raschen Gefühl legte der General beide
Arme um seinen Hals und drückte ihn an sich. Dem Oberleutnant Tennow
ging es nur durch den Kopf: diese rührende kleine Szene ist mehr wert als
ein Dutzend der brillantesten Qualifikationen. Löscht aus, baut neu auf.
Harry Tennow war mit sich und seiner Umwelt zufrieden. Das lief ja
alles famos. Ein paar Unbequemlichkeiten während der kurzen Verlobungs-
zeit, die er sich vorhin — sehr respektvoll und bescheiden — gleich aus-
bedungen.
Alles andere fand sich. Das leise Mißbehagen schwand allmählich.
Er dachte nur etwas erstaunt: warum läuft er denn selbst weg und klingelt
sich nicht einen seiner „Livrierten“ heran, damit der die Damen rief. Roch
das etwa hier alles ein wenig nach Spießbürgertum ? Fehlte da die letzte,
selbstverständliche Vornehmheit des gut geführten, eleganten Hauses ?
Und er sah sich mit ein paar rasch orientierenden Blicken um. Er war
sehr enttäuscht. Herrgott, da sah es in seiner kleinen Junggesellenwohnung
schon anders aus. Wenn er diese Räume und das Geld hätte!
Auf einmal kam ihm wieder das leise Unbehagen: Wenn die Geschichte
hier am Ende gar nicht stimmte trotz aller genauen Informationen ? So etwas
kam vor. Die Frau besaß ja wohl alles. Wenn das irgendwie nun doch fest-

XXVIII. 69.
 
Annotationen