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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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25. Heft
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Marilaun, Carl: Die andere Hofburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0758
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MODERNE KUNST.


der Wald- und Wiesenfröhlichkeit anderer
Wiener Gärten hat. Er ist nur feierlich. Nur
prächtig. Habsburgische Hofetikette, in den
Gartenstil Lenotres übersetzt. Auch in
Schönbrunn gibt es geschnittene Laubgänge,
auch dort mag die Natur nicht der Schere
des Gärtners entraten, und Apoll verfolgt
seine Daphne zwischen geschorenen Hecken.
Und doch ist dieses Schönbrunn mit seinen
weiten Fernblicken, seinen unendlichen
grünen Wiesen und dem anschließenden Wald
wienerisch und österreichisch wie nur je
ein theresianischer Garten. Und das Schloß
schmiegt sich bescheiden und heiter, ein rich-
tiges Lustschloß, zwischen die alten Bäume.
Über den Sand des Belvedereparks aber
sollten krinolinenrauschende Dämchen in
Stöckelschuhen laufen. Lakaien müßten da
ihre Sänften absetzen, Abbes mit gepuderten
Schönen promenieren gehen; es gespenstert
am hellen Tag in diesen sorglich gehegten,
frisierten Buchenalleen, und wenn die melan-
cholischen Glocken der Stadt in diesen
Gartenfrieden klingen und goldgeflügelte
Bienen durch eine verzauberte Mittagsstunde
läuten, könnte er jene Marmorstiege herunter-
steigen, an jener Säulenterrasse könnte er
lehnen und mit mißtrauisch gekniffenen,
zornig - melancholischen Augen zur Stadt
überm Wienflüßchen hinüberstarren: der
kleine Abbe, dem die Abbaye Saint Michel
de Cluse eine Pfründe auszahlte, der in
österreichische Dienste ging, Türkenköpfe
säbelte und ein großer Feldherr, Held und
unsterblich in diesem fremden Land wurde —
Eugenius von Savoyen, der Bauherr von.
Belvedere.
Belvedere, dies Schloß einer ruhmvollen
Vergangenheit, schien in den letzten Jahren
schon wie der Triumphbogen einer nah und näher rückenden Zukunft. Un-
zählige Pläne, Hoffnungen, Entwürfe, die nun anderweitige Erfüllung suchen

müssen, strömten hier zusammen. Wie ein
Manifest war der Name dieses Schlosses,
in dem Österreichs Thronfolger wahrhaft
thronte, nicht, wie der alte Kaiser in Schön-
brunn, bürgerlich behaglich in zwei ein-
fachen Gemächern wohnte. Und nun verödet
dies gebietende Schloß der österreichischen
Zukunft, graue Staubvorhänge legt man
über die hohen Fenster, die venezianischen
Kristallüster verhüllt man, der Glanz der
Parketten wird erblinden, und Gespenster
geistern wieder, neue Gespenster, durch den
Palast, der auf einem Hügel über Wiens
Häusermeer die letzte Sonne des Tags in
seinen goldgezierten Kuppeln widerspiegelt.
Noch weniger Spaziergänger als je werden
sich in den allzusonnigen, geschorenen Alleen
ergehen; die braven, behüteten, gutgeklei-
deten Kinder reicher Leute, die man mit
ihren Bonnen hierher zum Spielen schickt,
werden bedrückt von der großen Stille
schweigsam auf den Kieswegen spielen. Und
nie mehr wird der Spaziergänger hier drei
Kinder im Matrosenkleid treffen, zwei Knaben
und ein Mädchen, die sich still und ernst
mit ihrem geistlichen Erzieher im Park
ergingen. Wo sie erschienen, knixten die
Bonnen und lüfteten die Großen die Hüte,
der arbeitende Gärtner richtete den ge-
krümmten Rücken auf und stand stramm,
der Parkwächter aber flüsterte dem Fragen-
den erklärend zu: „Die Hoheiten!“
Es waren die Prinzessin und die beiden
Prinzen Maximilian und Frnst von Hohen-
berg, Kinder Franz Ferdinands und der
Herzogin Sofie. Seltsam gebannt sah man
diesen blassen, braven Kleinen nach. Eine
romantisch glänzende, unerhörte Zukunft
schien ihnen aufgespart — und heute nehmen
sie weinend Abschied von den kaiserlich prunkenden Gemächern, in denen sie jung
waren und in denen diese Jugend mit einem Schlag zu Ende ging . . . für immer.

Das Columbusdenkmal in Buenos Aires.




«J(n der Hauptstadt der argentinischen Republik, Buenos Aires, wird ein
>g7 Kollossaldenkmal für Christoph Columbus errichtet, das von der dortigen
italienischen Kolonie gestiftet ist. Die gewaltige Tat dieses Entdeckers wird
dabei in dem schwunghaften Stil der Plastik, wie ihn die italienische Kunst an
sich hat, zum Ausdruck gelangen. Das gewaltige Monument, das wir in der
Abbildung vor uns sehen, soll eine Höhe von 30 m erreichen und aus karra-
rischem Marmor hergestellt sein. Der pyramidisch ansteigende Sockel endigt
in einer Säule, welche oben
die riesige Figur des Columbus
zeigt, der seine Kartenpläne in
der Hand hat und weit auf
den zurückgelegten Weg hinaus-
schaut. Der pyramidische Auf-
bau zeigt die Landung von Aus-
wanderern, die mit kräftigen
Fäusten ihr Schiff auf den Sand
desjenigen Weltteils ziehen, der
ihnen ihre Zukunft bedeutet,
und zu dem Columbus den Weg
erschloß. Höher hinauf umgeben
die Figuren der Zivilisation, der
Wissenschaft und eines Genius
die ansteigende Säule. So wird
dies gewaltige Monument, das
sich in Buenos Aires erheben
soll, ein geistiges Verbindungs-
glied zwischen der alten und
der neuen Welt bilden. —d.

„Wasserfeste!" „Sahst
du je eine Gondel ? Laß sie dir
beschreiben...", beginnt eine

Byronsche Strophe und glücklicher als der englische hat der deutsche Dichter,
hat Strachwitz die Gondel geschildert: „Ein Ding, das kaum die Woge küßt,
wenn’s zierlich drüber fliegt." Was wäre der Canale grande mit all seinen köst-
lichen Palästen, was die Piazetta mit Dogenpalast und Markuslöwen, was diese
ganze „Glücksinsel Europas", Venedig, ohne die Gondel? Von all dem Zauber,
der von Venedig ausströmt, scheint sie dem Blicke das Unwirklichste, ein Traum,
der vorüberhuscht, ehe wir uns seiner bewußt sind, ein kleines, schwarzes Haus,
düster wie ein Sarg, und doch
auch Wiege zugleich süßester,
verschwiegener Liebe, ein Sym-
bol des ganzen Lebens: „Zwi-
schen der Wieg’ und dem Sarg
wir schwanken und schweben
auf dem großen Kanal sorglos
durchs Leben dahin.” Und
wenn das Silber auf den selt-
samen Schnäbeln, magischen
Zeichen gleich, im Sonnenstrahl
aufglänzt, wenn die grüne Flut
des Meers mit weißlichen
Wellenkämmen den Rumpf
säumt, wenn das Blau und Rot
und Weiß des Gondoliers im
rhythmischen Beugen des Leibes
wie Wimpelwehen wirkt, dann
ist ihr Anblick wie ein Fest.
Kein Wunder also, daß die
venezianische Gondel sich auch
außerhalb Venedigs der stärk-
sten Beliebtheit erfreut und auf
Wasserfesten niemals fehlen
darf, bringt sie doch ihre Poesie
unwillkürlich mit sich. Von

Das Columbusdenkmal in Buenos Aires. Landung der Auswanderer.
 
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