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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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25. Heft
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MODERNE KUNST.





allen Blumenkorsos, die das gesellschaftliche Leben kennt,
haben diej enigen, die auf dem Wasser gefeiert werden,
ihre eigne Stimmung für sich: die Stimmung der
Ruhe. Fast lautlos gleiten die Barken dahin,
deren reicher Blumenschmuck seinem eignen
Spiegelbilde im Wasser zuzuwinken
scheint. Jede ahmt eine andere Form
nach, sucht mit ihrem Blumenaufputz
irgendeinen phantastischen Gedanken
in uns wachzurufen; und von Boot
zu Boot fliegen hin und wieder Blu-
men, die hier und dort einmal ihr Ziel
verfehlen und auf dem Wasser weiter-
treiben. Wenn dann der Abend kommt,
die Flut dunkel liegt, und die Farben
der Blumen nicht mehr erkenntlich sind,
spiegeln sich wiederum die Lichter der Kähne
und Barken in den leisen Wellen und Wasser-
kringeln, um durch ihre zuckenden Reflexe die Fläche
neu zu beleben. Wieder steigt unwillkürlich der Gedanke
an Venedig mit seinen Gondeln auf, in denen man der ein-
brechenden Nacht so schön entgegenträumt. P.

Venezianische Gondel,
dekoriert mit frischen Blumen.
Phot. R. Sennecke, Berlin.

Mr. Charles Johnson Dean, der jetzt wieder ein zweimonatliches Engage-
ment im Berliner Wintergarten absolvierte, in welchem Etablissement er
bereits achtmal gastierte, ist unzweifelhaft der eleganteste Mulattentänzer und
Sänger Amerikas. In New York und Sidney, in London und Paris gleicherweise
geschätzt, brachte Mr. Johnson mit seinem Ragtime-Sextett, an dessen Spitze
er zuletzt stand, die originellsten
Tänze nach Europa. Er war der
erste, der den Frackanzug beim
Cakewalk einführte und zuerst den
,,Ivinetoscope Dance“ nach Europa
brachte. Gerade den ,,Kuchentanz“
wie auch später den ,,Fish-Walk“
brachte der geschmeidige Mulatte
zur höchsten Vollendung. Jetzt,
wo er sich seiner Heimat, den
United Sta/tes, wieder zuwendet,
kommt Mr. Johnson Dean, nachdem
er sein Ragtime-Sextett aufgelöst
hat, mit einer Neuheit allerersten
Ranges heraus, die auch auf dem
Gebiet des „Song and Dance" liegt.
Seine frühere Partnerin hat sich von
Mr. Johnsons Unternehmen zurück-
gezogen; als Kreolin von überaus
stattlicher Erscheinung, dürfte sic
noch in guter Erinnerung bei allen
Varietebesuchern stehen. Mr. John-
son begeht jetzt in Minncapolis, wo-
selbst er das Licht der Welt
erblickte, sein zojähri
ges Künstler] ubiläum.
Er ist der richtige
Globetrotter un-
ter den Arti-
sten, der sich
mit seinem
liebenswürdigen sympathischen Wesen allerorten große
Zuneigung zu gewinnen wußte. Selbst in Amerika, wo
doch Feindschaft schärfster Art in bezug auf die Rassen-
unterschiede herrscht, ist Mr. Johnson bei Alt und Jung
eine sehr beliebte Erscheinung auf der Varietebühne.
Für Europa „entdeckte“ ihn der bekannte Varietedirektor
Steiner, der ihn für den Wintergarten empfahl und ihm
so den Weg durch die Hauptstädte Europas bahnte.
Seine klingenden Erfolge legte Mr. Johnson in Grund-
stücken in seiner Heimat Minneapolis an, wo ihm nicht
weniger als sechs völlig gleich gebaute Farmerhäuschen
eine Ruhestätte nach seinen Wanderfahrten durch die
Welt bieten. V. H.
* *
*
Elisabeth Kuyper. In neuerer Zeit hat eine in Berlin
lebende Komponistin sich einen guten Ruf als schöpferisch
begabte Musikerin geschaffen. Immerhin eine Seltenheit; denn
bekanntlich neigt das weibliche Geschlecht in seiner Gesamtheit
wenig der Komposition zu, obwohl seit einem Jahrzehnt die Frauen
sich diesem musikalischen Zweige mehr als sonst widmen. Neuerdings

haben sich Kompositionstalente nach dieser Richtung
hin besonders in England, Amerika und Rußland
gezeigt. Womit die Tatsache begründet werden
kann, daß so wenig Frauen eigne Schöpfer-
gaben in der Musik besitzen, das soll an
dieser Stelle nicht erörtert werden. Freuen
wir uns, daß wir in Elisabeth Kuyper
eine solche Ausnahme haben, die denn
auch weit über die üblichen Schranken
hinaus Aufsehen erregt hat. Erst vor
kurzer Zeit wurde durch Frau Professor
Lafont ein von ihr komponiertes Violin-
konzert mit gutem Erfolge gespielt,
und auch sonst hat sie kompositorisch
ihre Verdienste. Eine von ihr für Frauen-
chor gesetzte Anzahl von internationalen
Volksweisen darf sogar als hervorragend be-
zeichnet werden. Ihr Talent gipfelt nicht in dem
verführerischen Ehrgeiz, ungeahnte moderne Pro-
bleme zu lösen und sich in kühnen und kühnsten harmo-
nischen Wendungen zu ergehen, sondern die Weiterführung der
edelsten klassischen Gedanken ist ihre Domäne. Das Prinzip
der Schönheit in der musikalischen Kunst gilt ihr besonders
hoch. Deshalb werden alle die nicht auf ihre Kosten kommen, die in ihr eine
musikalische Suffragette wittern;
das ist sie eben ganz und gar nicht.
Ihre musikalischen Absichten, die
sie sich durch eine vortreffliche
Schulung anerzogen hat, sind
durchaus friedlich und dennoch
sehr angenehm. Sie repräsentiert
den Typus einer sehr begabten
Anhängerin des Klassizismus mit
einer Brahmschen Note. Elisabeth
Kuyper ist von Geburt Hollän-
derin, hat u. a. in Berlin studiert
und besitzt die Lehrbefugnis an
der Königlichen Musikhochschule
zu Berlin, wo sie Kraft ihres
pädagogischen Talents gute Er-
folge zu verzeichnen hat. Wieder-
holt hat sie sich auch als Diri-
gentin betätigt, z. B. beim Ton--
künstlerinnenorchester. In dieser
Stellung erntete sie jedoch Un-
dank. Zurzeit betätigt sie sich

einigung des Deutschen Lyceum-
klubs in Berlin. Dy. P. E.

Komponistin Elisabeth Kuyper.
Phot. Willinger, Berlin.

Mr. Johnson-Dean, Amerikas bedeutendster
Mulattenkomiker.

Erntebräuche. So lange die Menschheit Landbau treibt, hat sie auch
den glücklichen Beschluß der Ernte durch ein Fest gefeiert, das einmal
der Gottheit Dank abstatten sollte für den gespendeten Segen, so-
dann aber die Freude des Menschen über diesen Reichtum zum
Ausdruck bringen wollte. Eine große Opferfeierlichkeit beschloß
so die Erntezeit bereits im alten Ägypten. „Es kostet die
Gebieterin von der Hekatombe an Stieren, Rindern, Gänsen
und Hühnern. Der Fettdampf erreicht das Firmament. Ranut
(die Göttin des Erntesegens) verabscheut das Hungern und
Dürsten. Das Gefallen der Herrin ist Musik. Wohlan
denn, laßt uns ihr aufspielen" . . . heißt ein Hymnus bei
einem solchen Erntefest. Die Reliefs in den Tempeln, die
Gemälde in den Gräbern zeigen uns des öftern, wie der
Pharao selbst mit einer Sichel die ersten Ähren schneidet
und opfert. Man sieht, das war im großen und ganzen
damals schon so wie heute bei uns. Mancher unserer
Erntebräuche deutet auch unverkennbar noch auf eine
altheidnische Opferzeremonie hin; nur hat das Volk die
alte Bedeutung meist längst vergessen und den Brauch
nur als etwas Althergebrachtes und darum Ehrwürdiges
beibehalten, auch wohl ins Christliche umgedeutet. So
schneidet man z. B. in der Oberpfalz zuerst drei Ähren
vom Halme und legt sie kreuzweise auf den Acker, nach der
Ernte aber legt man sie in den Weihwasserkessel. Im Badischen
steckt man die letzten drei Ähren, das „Glückshämpfli“, über
das Kruzifix in der Wohnstube: dann schlägt der Blitz nicht
ein. Für „Wodan" oder „Petrus“ läßt man in vielen deutschen
Landschaften einige Ährenbüschel auf dem Felde stehen. Vielerorts
heißt das Erntebier noch heute nach Wodan „Wodelsbier“. Dy. A. Hn.

Erntemaske.
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