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Mojzer, Miklós
Werke deutscher Künstler in Ungarn — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 329: Baden-Baden: Heitz, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.73091#0023
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III

Auch Hildebrandt, der die einheimischen Zunftmeister, besonders die in Pest und vor allen
Mayerhoffer am stärksten beeinflußte, begann wie seine Zeitgenossen seinen Werdegang als
Fortifikationsbauingenieur. Sein erstes Werk in Ungarn, das Schloß Räckeve bewahrt sich in
der ersten Epoche des österreichischen und damit des ungarländischen Spätbarocks als be-
merkenswertes Baudenkmal der italienischen Richtung. Vom historischen Standpunkt aus
ist dieses Werk verfrüht und alleinstehend und entbehrt einer unmittelbaren Fortsetzung.
Umsomehr beeinflussend wirkt das vermutlich auch von ihm erbaute kurzlebige Schloß in
Promontor (Budafok), das zu den vom Prinzen Eugen gestifteten Bauten mit Ehrenhöfen
gehörte. Nur das Baujahr 1717 und das des vernichtenden Brandes 1725 ist gesichert, sogar
eine Abbildung ist vorläufig unbekannt; nur zwei Torflügel und die völlig umgebauten
Seitenflügel sind noch erhalten. Das Bauwerk scheint wegen der Nähe von Pest und seiner
Ausstattung - trotz seines beschädigten Zustandes - wie die benachbarten Schlösser eine
bedeutende Rolle gespielt zu haben, möglicherweise eine bedeutendere als jenes im nahen
Räckeve. Auch Schloß Fdltorony ist in sein Lebenswerk einzuordnen. Hildebrandts Talent
im Schloßbau findet später in Ungarn charakteristischen Widerhall. Es ist bemerkenswert,
wie gerade Hildebrandts und nicht Fischer von Erlachs Baugedanke im ungarischen Schloß-
bau zum Ausdruck kam, da der unmittelbare Wirkungsniederschlag des letzteren sich in
dieser Periode, ja auch später, so ziemlich ganz vermissen läßt. Dieser Umstand findet
seinen Ursprung im Wesen der 1720/30 eingeleiteten Bauaufgaben, und auch darin, daß
Fischer von Erlachs Tätigkeit sich wegen der Anforderungen in Österreich nicht nach Ungarn
ausdehnen konnte. Seine Kunstart ist daher in ihrem Geist der ungarischen Architektur auch
später fremd geblieben; die Krise in seiner Kunst am Jahrhundertbeginn wendet sich in eine
andere Richtung, während Hildebrandts fein anschmiegende Kunst (Sedlmayr) erfolgreich
an Boden gewinnt.
Eben auf dem Gebiet des Schloßbaus, und in gewissem Sinne in der ländlichen Architektur,
wo Fischer von Erlach später auch in Österreich in den Hintergrund gedrängt wurde, siegen
Hildebrandts Bauideen endgültig für die ungarischen Meister. Statt im Meister der Karlskirche
und der Hofbibliothek sieht man hierorts im Erbauer des Belvedere, des Sommerpalais Schön-
born, der Schlösser Schönborn in Göllersdorf und Harrach in Fdltorony und Wien den beispiel-
gebenden Architekten. Vom Wiener Belvedere beeindruckt läßt der Erlauer Bischof Barkoczy
durch Mätyäs Gerl in Felsötärkäny das zu seiner Zeit weitberühmte Sommerschloß errichten,
dessen belvederemäßige Baulösung mit den Eckpavillons eine beträchtliche Hinterlassenschaft
ungarischer ecktürmiger Schloßbauten hat. Hildebrandts unmittelbarer Verwahrer ist durch
Gerl eben die Stadt Eger (Erlau), wo die Minoritenkirche in der Fassadenbildung enge Ver-
wandtschaft mit der Maria-Treu-Kirche verrät, in der sich ein klassizistisches Bestreben in
Hildebrandts verschärfter Gestaltung versteckt bemerkbar macht. Auch die einstige und von
einem früheren unbekannten Meister (Petrus Ross?) erbaute Jesuitenkirche in Esztergom (Gran)
kann eine Stilverwandtschaft mit Hildebrandts Vorbild aufweisen.
Neben Gerls "importmäßiger" Bautätigkeit trug Andräs Mayerhoffer viel dazu bei, die Resul-
tate Hildebrandts vorwiegend im Schloßbau zu verwerten. Gerade die "ländliche" Eigenart
und ihrer Kultivierung in der ungarischen Baukunst erklärt ja diesen Verlauf. Bis in die sech-
ziger Jahre des Jahrhunderts und sogar noch etwas später beherrscht der Schloßbau die welt-
liche Baukunst in Ungarn, der Palaisbau in unseren Städten spielt eine sehr geringe und un-
bedeutende Rolle. Residenzen für den Hochadel werden durchweg als Sommerpaläste errichtet,
ihre Gestaltung wird eine Sonderaufgabe der lokalen Architektur. Um so viel weniger sind
Stadtpalais und andere Bauten von Belang. Der in ihrer Auffassung unmittelbareren und ver-
ständlicheren Gesinnung Hildebrandts bietet sich also im Schloßbau für eine eigenartige As-
similierung ein weit größeres Gebiet. Der Schloßtyp Gödöllö löst das konvex-konkave Gie-
 
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