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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Habich, Georg: Hans Kels als Konterfetter
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0024
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medaillon zurück. Von sonstigen Bildnissen Georgs
ist mir nur ein Steinmodell zu einer Medaille, früher
in der Sammlung Spitzer, bekannt.
An den Arbeiten der hervorragenden Medailleure
des 16. Jahrhunderts gemessen, steht das Holz-
medaillon, hinsichtlich der geistigen Auffassung,
hinter keinem „Hagenauer“ oder „Hans Daucher“
zurück, ja es übertrifft die besten Porträtstücke der
kleinmeisterlichen Holz- und Speckstein-Schneide-
kunst an Reichtum des Details und Schönheit der
plastischen Gestaltung. An plastischer Gestaltungs-
kraft überragt der Künstler dieses Bildwerks die
schüchternen, bisweilen auch in dieser Zeit noch
etwas befangene, ja trockene Formensprache zeit-
genössischer Holzschnitzer. Welcher Reichtum in
der Behandlung des Kostüms! Jede Einzelheit
kommt zu dem Recht, auf das in dieser Epoche
der grossartigen Kostümpracht, der „Kleidernarre-
they“, die Mode Anspruch erhebt. Mit welcher
Delikatesse geht der Künstler den Blumen-
mustern des Brokats oder gepressten Seiden-
plüsches nach. Wie versteht er es mit Hilfe leichter
Polituren den Glanz des Atlas an den geschlitzten
Aermeln oder — vermittelst feiner Punzen-
arbeit — das Korn des geschorenen Sammts, die
Granulierung der Goldborduren zu charakterisieren.
Im Gegensatz zu dieser technischen Finesse, die
an’s Raffinierte streift, hält sich der Künstler in der
Wiedergabe der Gesichtspartien, wie auch der
Hände streng in den Stilgrenzen der herben und
exakten Kunst des Holzschnitzers. Knapp und
scharf sind da die Formen umrissen, schlicht und
bestimmt das dünne Haupt- und Barthaar angegeben.
Meisterlich wie der Schnitt des individuellen Mundes,
die Zeichnung des charakteristischen Ohres, ist auch
die Modellierung der leicht auf die Hüfte gestützten
linken Hand zu nennen. Nicht weniger verdient
die hübsche Rückseite mit dem bogenschiessenden
Cupido Beachtung.
Dieser kleine Bogenschütze in der strengen
Flächenhaftigkeit seiner Erscheinung — man beachte,
mit welchem Geschick der völlig in Vorderansicht
erscheinende Körper mit den Flügelchen und dem
überschneidenden Arm zusamt dem Bogen, der
flatternden Augenbinde und dem Köcher in das
Relieffeld gerückt sind — verrät ein aussergewöhn-
liches, bei dem deutschen Kleinmeister auffallendes
Stilgefühl. Italienische Einflüsse — man denkt etwa
an Duccios Putten — werden wohl kaum zu leugnen
sein. Zu solchen Vorzügen künstlerischer Art kommt
schliesslich ein Erhaltungszustand von ganz einziger
Unberührtheit.
Wer ist der Künstler? — das ist die Frage.
In den Kreisen der Numismatiker und Medaillen-
Liebhaber, wo das kleine Bildwerk nicht unbekannt
geblieben ist, war man mit der Antwort schnell
bereit. „Friedrich Hagenauer“ — was läge
auch näher, als den berühmtesten Augsburger
Medaillenkünstler zu nennen: ist doch der Dar-
gestellte Augsburger von Geburt, und der Künstler
auch sonst für das Haus Fugger nachweislich thätig
gewesen.
Zweifellos trifft diese traditionelle Bestimmung
insoweit das Richtige, als es sich offenbar um

einen, dem Augsburger Meister nahestehenden,
schwäbischen Künstler und zwar einen Holzschnitzer
handelt. Indess sind auch die Unterschiede nicht
zu übersehen.
Zu Hagenauers herberer Eigenart, dem knappen
Zuschnitt seiner bisweilen noch in archaischer
Strenge befangenen Konterfette — als Probe
bringen wir hier ein exquisit gearbeitetes Holz-
modell von seiner Hand aus dem Bayr. National-
museum1) (Abbildg. 1) — steht der Stil dieses
Künstlers in dem Gegensatz des Entwickelteren,


Abbildg. 1.
Lukas Furtenagel.
Schriftloses Medaillen-Modell aus Buchsbaumholz
von Friedrich Hagenauer.
Bayr. Nationalmuseum, München.

Fortgeschritteneren. Es ist nicht ausgeschlossen,
dass der Künstler von Hagenauer gelernt hat, allein
er ist nicht bei ihm stehen geblieben.
Seine Formensprache ist nicht minder be-
stimmt, aber rundlicher, reifer und reicher als die
strenge Flächigkeit des Augsburger Medailleurs, sein
Vortrag geschmeidiger und gefälliger als die saubere
Drechselarbeit jenes. Nie geht Hagenauer der-
art auf das Detail ein, niemals bedient er sich
solcher raffinierter Mittel zur Erzielung stofflicher
Wirkungen. Wohl wagt auch er sich an Brust-
bilder en face, aber gerade hier lässt seine nicht
selten flach und leer wirkende Zurückhaltung den
Gegensatz erkennen. Diese reich ausstaffierten
Halbfiguren mit Armen und Händen sind ihm
fremd. Was wir hier vor uns haben, ist vielmehr
eine neue, erst Ende der dreissiger Jahre des XVI.
Jahrhunderts einsetzende Auffassung, die um die
Mitte des Jahrhunderts sodann durch Künstler wie

') Modell aus Buchsbaumholz vor der Schrift. Die entsprechende,
mit Umschrift und Meistersignatur versehene Medaille ist in einem Blei-
abguss im Cabinet de medailles in Paris (abgeb. Tresor numismatique
PI. VI) erhalten, und ihr zufolge stellt das vorliegende Modell den
Augsburger Porträtmaler Lukas Furtenagel dar. Ein Exemplar in
Bronze im Wiener Kabinet. Laux Furtenagel wird 1515 von Leonhard
Hammer als Lernknabe angenommen. Erst 1546 erhält er in Augsburg
die Gerechtigkeit als Maler (s. Rob. Vischer, Studien zur Kunstgesch.
S. 528). Darnach die — von Fiissli übernommene — Notiz bei Nagler
art. „Fortenagel“ zu revidieren. Auch zwei andere Furtenagel, beide mit
Vornamen Jörg, wohl Vater und Bruder des Lukas, kommen in den
Akten vor (1487 und 1531).
 
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