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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Habich, Georg: Hans Kels als Konterfetter
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0023

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Hans Kels als Konterfetter.
Von Dr. Georg Habich.

Die beiden auf Tafel 7 veröffentlichten Reliefs:
Vorder- und Rückseite eines aus Birnbaumholz
geschnitzten Medaillons, sind, soviel ich sehe, von
der kunstgeschichtlichen Forschung bisher nicht
beachtet worden. Nicht als ob sich das kleine
Werk, das Beachtung sehr wohl verdient, an ent-
legener Stelle, in der Verborgenheit eines ängstlich
gehüteten Privatbesitzes etwa, der Kenntnisnahme
entzogen hätte. Auch jene keineswegs unberechtigte
Zurückhaltung, die man einer ganzen Reihe jüngst
aufgetauchter, ähnlicher kleiner Reliefporträts gegen-
über neuerdings zu beobachten für gut findet, wäre
hier übel am Platz. Gehört doch das Stück — es wird
in der allen Interessenten leicht zugänglichen und
wohl bekannten Sammlung des Fürsten Fugger in
Augsburg aufbewahrt — zum ältesten Familien-
besitz des altberühmten Hauses.
Der Grund seiner literarischen Unbekanntheit
liegt, wenn ich nicht irre, in einer gewissen
Isoliertheit seiner kunstgeschichtlichen Stellung.
Wer der Dargestellte sei, diese zunächst
liegende Frage beantwortet die Umschrift *§»
GEORGIVS • FUGGERVS ■ ETATIS • SVAE • XXIIII
• ANNO • M • D • XLI. Dem Datum nach kann es
sich nur um Georg, Sohn des berühmten Raimundus
Fugger handeln, der in der Genealogie des Hauses
als „der Zweite“ figuriert.
tAGeorg Graf Fugger, Baron von Kirchberg
und Weissenhorn, wie der volle Titel lautet, ist
geboren am 31. Dezember 1507. Hinter den
glänzenden Gestalten seines Vaters und seines
Oheims Anton Fugger tritt dieser jüngere Spross
des berühmten Geschlechtes erheblich zurück, wie er
auch von seinen Brüdern, dem künstlerisch inter-
essierten Ulrich und dem literarisch gebildeten
Jakob Fugger einigermassen in den Schatten gestellt
wird. Was von den alten Genealogen seines Hauses
an ihm gerühmt wird, sind zwei merkwürdig hete-
rogene Eigenschaften: einmal soll er ein grosser
Mathematikus gewesen sein, dann auch in der
ritterlichen Kunst des Rossetummelns sich hervor-
gethan haben. Auf eine mehr kontemplative, vielleicht
sogar grüblerisch in sich gekehrte als aktiv thätige
Persönlichkeit weist unser Reliefbildnis hin. Wie
fast immer bei den Medaillen und medaillen-
artigen Porträts des XVI. Jahrhunderts der Fall,
lässt unser Medaillon den Vierunddreissigjährigen
auffallend alt erscheinen. Die mageren, aber nicht
schlaffen Züge mit den eingefallenen Wangen, die

gross geöffneten Augen unter einer vorzeitig ge-
furchten Stirn geben, trotz der nach dem Vorbild
Kaiser Karls V. halblang gehaltenen, hofmännischen
Barttracht, eher das Bild eines Gelehrten als eines
adligen Hofkavaliers. Immerhin präsentiert sich
der vornehme Patriziersohn in dem reichen, halb
spanischen Hofkleid mit der schweren, doppelten
Gnadenkette stattlich genug, um auch die ritterlichen
Eigenschaften, welche an ihm gerühmt werden, nicht
unglaubhaft erscheinen zu lassen.
Im Jahre 1540 ging Georg Fugger mit Ursula
von Lichtenstein einen Ehebund ein, dem eine
Reihe von Kindern entspross. Georgius wurde
so der Gründer der Linie Kirchberg-Weissenhorn,
welche die Raimundus-Hauptlinie bis in die Gegen-
wart fortpflanzte. Am 25. August 1569 starb Georg
Fugger; Ursula im Jahre 1579. Beide Ehegatten
sind in der von ihnen erbauten Fuggerkapelle in
St. Ulrich zu Augsburg begraben.
Im ersten Jahr seiner Ehe entstand das kostbare
Medaillon — wohl ein Angebinde für die Ehe-
liebste. Flitterwochenstimmung spricht wenigstens
aus der Darstellung der Rückseite mit der, einen
Vergil-Vers (Aeneis III. 56) variierenden Apostrophe
des „arglistigen Amor“, deren emphatische Tonart
ganz im Geiste der vom italienischen Klassizismus
erfüllten Zeit gehalten ist.
Nicht zum Zweck der Vervielfältigung in Form
von Medaillen, sondern als selbständiges Schaustück
ist unser Medaillon entstanden und, äusser in
einigen rohen, einseitigen Bleiabgüssen, wie sie im
18. Jahrhundert wahrscheinlich durch den Augs-
burger J. G. Hertel verbreitet wurden, nicht weiter
vervielfältigt. Ein solcher Hertel’scher Guss findet
sich auch im Münchener Münzkabinet. Ein besserer
Blei-Abschlag scheint sich in der Sammlung Bretfeld-
Chlumczanski befunden zu haben.1)
Das Porträt in halber Figur, die eine Hand am
Dolchgriff, die andere in die Hüfte gestemmt, hält
sich durchaus in der repräsentativen Norm, wie
sie auch für die gleichzeitige Porträt-Malerei mass-
gebend war, und die in dem Augsburg des 16. Jahr-
hunderts am charakteristischsten Christoph Am-
berger vertritt. Das Porträt unseres' Fugger in
der Pinacotheca Fuggerorum, ein Kupferstich von
W. Kilian (Augsburg 1654), geht auf unser Holz-
i) Siehe Kull, Münzen des Hauses Fugger S. 50, Nr. 25. Bretfeld-
Chlumczanski, F. J. Freihr. von: Münzen und Medaillensamml. 8. Abt.
Wien 1841/42. No. 47 6S4.
 
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