Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

DOI Artikel:
Schmid, Ulrich: Der St. Ulrichskelch und der St. Ursulaschrein zu Ottenbeuren bei Memmingen in Schwaben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0206

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
170

Der St. Ulrichskelch und der St. Ursulaschrein zu Ottenbeuren

bei Memmingen in Schwaben.
Von Dr. Ulrich Schmid.

Das wertvollste Stück des gegenwärtigen
Kirchenschatzes des Klosters Ottenbeuren (fälschlich
Ottobeuren) ist unstreitig wegen des hohen Alters und
der feinen Arbeit der sogenannte St. Ulrichskelch
(Abbildg. 16). Diese Bezeichnung ist all jenen Kelchen
gemein, welche der Sage zufolge der hl. Bischof Ulrich
von Augsburg (890—973) bei der Feier des hl. Mess-
opfers gebraucht haben soll. Nach einem noch vor-
handenen Inventare vom Jahre 1786 gab es in der
Ottenbeurer Klosterkirche drei solche Kelche, wovon
aber nur mehr der hier abgebildete vorhanden ist.
Die Masse desselben ist ganz aus Silber und sehr
stark vergoldet; seine Höhe beträgt 0,15 m, die
Kuppe hat eine Tiefe von 0,05 m und ist aussen
mit den Bildnissen der 12 Apostel geschmückt,
welche nur einige Millimeter vom oberen Rande
entfernt in halben Figuren zwischen romanischen
Bogen und Säulen eingraviert und mit schwarzem
Firnis eingelassen sind. Jeder der Apostel hält
ein Buch; nur Petrus allein ist sicher erkennbar
an dem ihm noch beigegebenen Schlüssel. Den
Knopf des Kelches zieren die in stark erhabener
Arbeit angebrachten vier apokalyptischen Zeichen
der vier Evangelisten. Unter dem Knopfe ist der
Fuss noch mit einigen Zierreifen versehen und
läuft dann in sieben Flächen auseinander, die um
den Kelchrand herum mit den Brustbildern der
sieben Söhne der heiligen Felicitas geschmückt
sind, ebenfalls in getriebener stark erhabener Arbeit.
Jede dieser Figuren befindet sich in einer aus Rund-
bogen und Säulen gebildeten Vertiefung; auf den
Bögen sind die Namen eines jeden eingraviert und
gleichfalls mit schwarzem Firnis eingelassen. Da
der Kelchfuss an mehreren Stellen schadhaft ist, so
sind manche Buchstaben der beigefügten Namen
dieser sieben Heiligen nicht mehr zu lesen, aber richtig
ergänzt lauten die Ueberschriften: ,,[S. MA]RCIALIS,
S. IANVARI[VS], S. [FJELIX, S. PHILIfPPVS],
S. SILVIAN, [S. A]LE[X]ANDE[R], S. VITALIS.“
Ueber diesen Brustbildern befindet sich zwischen
den erwähnten Flächen ein Kreuz eingraviert und
neben demselben zwei Figuren, eine männliche
ohne Kopfbedeckung und mit einem Schwerte, und
eine weibliche mit einer eingeflochtenen Krone,
auf die Schulter herabfallenden Haaren und mit
zum Gebete ausgebreiteten Händen. Dem Kreuze
gegenüber ist ein in vergoldetem Silber gefasster,
in dunkelgrünem Steine eingeschnittener Siegel-
ring befestigt, der einen Krieger mit Schild, Schwert

und Lanze darstellt, wahrscheinlich dem Kelche
nur als Zierde später beigefügt, denn dieser Ring
zeigt streng antikes Gepräge. Aus der Inschrift,
welche am Rande des Kelchfusses eingraviert
ist, geht hervor, dass die erwähnten Figuren die
Stifter des Kelches vorstellen. Unrichtig ist es
aber, in denselben die Gründer des Klosters Otten-
beuren, nämlich Sylach und seine Gemahlin Ermis-
wint (c. 750) erkennen zu wollen; denn der Kelch
ist jünger, sehr schön im romanischen Stile aus-
geführt und wahrscheinlich in der ersten Hälfte des
zwölften Jahrhunderts gefertigt worden. Die Wid-
mungsinschrift dieses Kelches lautet:
„VAS o OPERIS o CLARI ° DANTES « ORATE = BEARI +
LUMINA o SEPTENA <> DE □ VERO » SOLE ° SERENA“
d. h.: „Herrliches glänzendes Siebengestirn, der
wahren Sonne entsprossen,
Fleht, dass wir die Geber werden des Himmels
Genossen.“
* *
*
Zu dem Besitzstände des Klosters gehört auch
ein sogenannter Reliquiensarg oder Reliquienschrein,
in welchem die heiligen Reliquien aufbewahrt wurden.
Derselbe wird irrtümlich „Alexanderssarg“ be-
zeichnet, weil er auch Ueberreste des hl. Alexander
und des hl. Theodor bergen soll. Es existierte
nämlich bis zur Säkularisation ein kostbarer Sarko-
phag mit den Reliquien der erwähnten Heiligen,
welcher unter dem Abte Rupert I. (1104—1145) im
Jahre 1134 verfertigt wurde. Aber seit jenen
stürmischen Tagen ist dieses Denkmal mittelalter-
licher Goldschmiedekunst spurlos verschwunden.
Da nun dem Volke der Alexanderschrein bekannter
sein mochte, so übertrug es irrtümlicherweise diesen
Namen auf den Ursulasarg, der damals wahrschein-
lich in Ermanglung des Alexandersarkophages, wie
heute noch, am Alexanderfeste ausgesetzt wird.
Dieser Ursulaschrein (Abbildg. 17 u. 18) ist im
Frührenaissancestil ausgeführt und ganz in Silber ge-
trieben, wobei die Kleider der Figuren zum Teil ver-
goldet sind. Seine Länge beträgt 60 cm, die Breite
30 cm und die Höhe 47 cm. Die auf Säulenstühlen
ruhenden Säulen haben scheinbar den Zweck, das
oben angebrachte Gebälk zu tragen, dessen Abschluss
der schneidig zulaufende Schreindeckel das Dach
bildet. Auf allen vier Seiten erblickt man in stark er-
habener Arbeit Reliefs. An der Vorderseite ist die An-
kunft der hl. Ursula mit ihren Jungfrauen dargestellt.
 
Annotationen