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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Schmidt, Wilhelm: Ueber Corregio
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Landau, Paul: Emile Zola und die französische Kunstkritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0337

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267

— eine zaghafte, weibliche Natur — der Kraft und
Selbständigkeit entbehrt. Das genaue Zeichnen
war nicht Francesco Maria’s Sache, und wenn er
auch, vier Jahre älter als Correggio, ursprünglich
andere Elemente in sich aufgenommen hatte, so
ging er doch in dessen Bannkreis unter. Seine
Werke haben etwas Zartes, sind mangelhaft zu-
sammengestellt und leiden schliesslich an Verblasen-

heit. Anselmi, aus einer toskanischen Schule nach
Parma gekommen, wahrte sich auch dem strahlenden
Lichte des Allegri gegenüber eine gewisse Selb-
ständigkeit; er verstand besser als Rondani das
Zeichnen und Komponieren, und es ist nur zu
bedauern, dass ihn die Zeitstimmung, verbunden mit
seinem stürmischen Naturell, in das Uebertriebene
verfallen liess.


Emile Zola und die französische Kunstkritik.*)
Von Paul Landau.

Als Zola 1866 seinen „Salon" veröffentlichte,
beging er gleichsam das 100jährige Jubiläum der
französischen Kunstkritik. Und die schönste Weihe,
die man einem solchen Feste geben kann, die
Weihe eines krönenden Abschlusses, gab er unbe-
wusst in seinem Werke der 100jährigen Vergangen-
heit. Zola hat nicht daran gedacht, dass 1765—67
jene berühmten „Salons“ erschienen waren, in denen
Diderot zum erstenmale die herrliche Wucht einer
grossen Persönlichkeit eingesetzt hatte für eine
lebende ringende Kunst, er hat auch kaum den
verwandten Geist gespürt, der ihn mit dem grossen
Enzyklopädisten verband, und doch ist es uns, den
nachdenklich Rückblickenden, für die nun auch
Zolas Buch bereits Geschichte geworden ist, ein
freundlicher Zufall, dass über eine ganz anders ge-
artete Entwicklung hinweg diese zwei Männer sich
die Hand reichen.
Äusser diesen beiden berühmten „Salons“ von
1766 und 1866 hat ja die französische Kunstge-
schichte noch andere Jahre aufzuweisen, in denen
grosse Männer die nur kurz vereinte, schnell in
alle Winde verstreute Bilderernte durch ihre
Schilderungen festgehalten haben. Man denke an
die so wichtige Ausstellung 1831, der Heine den
ersten Band seines „Salons“ gewidmet, an die vielen
Berichte, in denen Theophile Gautier die Gemälde
mit den ruhigen Linien seiner Wortreliefkunst in
die Spalten der „Presse“ bannte; man denke an
die Salons von 1852 und 1855, so bedeutend und
merkwürdig durch die Kritiken, die die Goncourts
damals veröffentlichten und die als „Etudes d’Art“
von Roger Marx vereinigt worden sind, aber das
macht die Berichte Diderots und Zolas so einzig-
artig und eigengeartet, dass sie beide die zukunfts-
reichen Verkünder einer neuen Kunstepoche sind,

dass diese Bücher zugleich Marksteine bedeuten in
der französischen Kunstentwicklung. Wie Diderot am
Eingänge in die bürgerliche Kunst der Aufklärung
steht, so läutet Zola den Feiertag des Impressionismus
ein. Wie Diderot für Greuze kämpfte, so hebt Zola
Manet auf den Schild. Und was beide vor allem
zu einander fügt: sie sind beide nur Outsider der
Kunstkritik, kommen von ganz anderen Interessen-
sphären her und ersetzen den Mangel eines feinsten
Verstehens und Lebens in der Kunst durch eine
alles einigende, alles überstrahlende Persönlichkeit.
So ist in beiden ein leiser Zwiespalt. Diderot lobt
die Bilder nach inhaltlichen Prinzipien, er will
Predigten von den Malern, und trotz dieses anti-
künstlerischen Grundsatzes ist er leidenschaftlich
verliebt in Farbe und Leben, in Luft und Licht.
Zola wieder urteilt nach der Technik, findet feinste
Worte für die Kunst der Farben- und Fleckenver-
teilung, und doch spielt auch der Inhalt bei ihm
eine wichtige Rolle, eine Rolle, die seiner Dichtung
so verhängnisvoll geworden ist und ihn dazu führte,
nach 30 Jahren fast zu verbrennen, was er vorher
angebetet. Diderot war freilich bereits ein reifer Mann,
geläutert in Philosophie und Denken, da sein Freund
Grimm ihn um Kunstberichte bat. Zola war jung,
er nahm alles auf, was er in den Ateliers gehört,
und er fühlte nur zu wohl mit, was Misserfolg und
Hohn der Menge bedeutet. Wie in den Schilderungen
Diderots der Moralist atmet und der Besserer seines
Volkes, so atmet in den Worten Zolas der brennende
Ehrgeiz des noch nicht Anerkannten, der Hass
gegen den dummen Pöbel, die stolze Sicherheit
des Genies! Beide haben sie gegen die Manier und
die Unnatur gekämpft für Wahrheit und Echtheit.
Wütende Hasser der Akademieen sind sie, Verehrer
alles Freien, Wohlgewachsenen, Selbstgewordenen:

*) Malerei von Emile Zola. Mit einer Einleitung von Hermann Helferich. (Bibliothek hervorragender Kunstschriltsteller I.) Bruno
Cassirer. Berlin 1903,
 
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