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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Rüttenauer, Benno: [Rezension von: Società editice nazionale zu Rom (Hrsg.), La vita di Benvenuto Cellini ]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0219

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183

Ein neuer Benvenuto Cellini.
Herausgegeben von der Societä editice nazionale zu Rom.

Diese grossartige Veröffentlichung verdient
auch in Deutschland höchste Beachtung. Sie ver-
dient sie umsomehr, als sie äusser der „Vita“ auch
die andern, die kunsttechnischen Schriften Cellinis,
die vollständig aus dem Buchhandel verschwunden
waren, mit in Kauf giebt. Um so mehr Grund
auch, in dieser Zeitschrift davon zu sprechen.
Eine illustrierte Cellini-Ausgabe liesse sich auf
zweierlei Weise denken. Man könnte das Leben
Benvenutos als Roman illustrieren, was es in ge-
wissem Sinn ja ist, indem man den erzählten
Abenteuern bildnerische Darstellungen derselben
zur Seite setzte. Die Aufgabe hätte einen Dore
locken können. Die andere Methode konnte nur
darin bestehen, alle Lokalitäten, Personen und
Kunstwerke, wovon in dem Buche die Rede ist,
neben dem Text abbildlich zur Anschauung zu
bringen. Ich glaube, das Publikum, das Cellini
liest, wird der Herausgeberin dafür dankbar sein,
dass sie diesen letzteren Weg eingeschlagen hat.
Er war schon der würdigere.
Die illustrierten Beigaben sind natürlich, schon
rein stofflich betrachtet, von ungleichem Wert. So
können uns die vorgeführten Häuser, das worin
Benvenuto geboren wurde, das worin er in Rom
lebte, das worin er seinen Perseus gegossen hat
und worin er gestorben ist, im Grunde nur wenig
interessieren. Was will eine Hauswand viel besagen?
Hineingehen in das Haus und uns darin umsehen
können wir doch nicht. Anders verhält es sich
mit den Persönlichkeiten. Die Reihe von Bildnissen,
einmal all der Künstler, die Cellini teils als seine
Lehrer und Meister, teils als Freunde und gute
Kameraden, teils als Gegner und Konkurrenten,
verehrte, liebte oder hasste, dann der berühmten
literarischen Persönlichkeiten, mit denen er Umgang
und Freundschaft pflegte oder auch Streithändel
anzettelte, und endlich die Reihe derer, für die er
arbeitete, deren Gunst oder Ungunst so oft sein
Schicksal bestimmte und seinem Leben immer
wieder eine unerwartete Wendung gab. Diese
Galerie von Künstlern, von Philologen und Dichtern,
von Päpsten, Königen, Herzögen, Kardinälen
macht schon das einfache Blättern in dem Werk
zu einer angenehmen und lehrreichen Sache. Dazu
kommen die Abbildungen von Kunstwerken, nicht
nur seiner eigenen, die ja so selten geworden sind,
sondern auch anderer, die lobend oder tadelnd
von ihm erwähnt werden. Des Interessanten genug.

Interessant auch die feinen Notizen und Anmerkungen
zweier bedeutender Celliniforscher, die es verstanden
haben, mit ihrer Wissenschaft nicht lästig zu fallen.
Man kann wohl sagen, dass Cellini bei uns in
Deutschland bekannter ist als bei andern Nationen.
Sein wunderbarer Lebensroman bildet durch Goethes
klassische Uebersetzung gewissermassen einen Be-
standteil unserer nationalen Literatur. Diese Ueber-
setzung hat überhaupt erst dem Original eine
europäische Berühmtheit verschafft.
Ich nannte sie klassisch, das Wort bedarf einer
Erläuterung. Sie ist klassisch durch ihren Stil.
Sie ist eine Goethische Sprachleistung ersten Ranges.
Sie aus den Gesamtausgaben seiner Werke fort-
zulassen, was, wie auch mit dem Neffen des
Rameau, vielfach geschieht, heisst eines der grössten
Sprachwerke Goethes der Nation unterschlagen.
Denn als sprachliche Gestaltung gehört Goethes
Cellini so gut wie Luthers Bibel zur deutschen
Nationalliteratur.
Rein als Uebersetzung betrachtet kann Goethes
Verdeutschung jedoch auch anders beurteilt werden.
Eigentlich ist sie gar keine Uebersetzung, sondern
eine Bearbeitung. Sie ist zwar von grösster Treue
im Hinblick auf Geist und Gehalt des Originals.
Sie schwächt nichts ab, sie mildert und beschönigt
nichts. Sie ist treu bis aufs einzelne Wort.
Und sie ist doch etwas ganz anderes. Die
Farbenskala ist dieselbe, die Grundmelodie ist
nicht alteriert, aber die Tonart ist eine andere.
Und ein anderer ist der Rhytmus.
Der Unterschied, mit einem Wort, liegt im Stil.
Den Cellinischen Stil zu übersetzen, dem ist Goethe
ausgewichen. Er hat seinen Autor nicht nur ins
Deutsche, sondern auch ins Goethische übersetzt.
In ein verhältnismässig spätes „Goethisch“. Und
wenn es wahr ist, dass der Mensch und sein Stil
indentisch sind, dann spiegelt sich Benvenuto
Cellini doch nur unvollkommen in der Goethe-
schen Bearbeitung.
Aber dem Goethe jener Periode zuzumuten,
im Cellinischen Stil zu schreiben! Der Goethe
des Götz und des Werther wäre einer solchen
Aufgabe näher gestanden, und es ist ein interessantes
Spiel, sich auszudenken, wie der Cellini unter den
Händen des Götz-Goethe etwa ausgefallen wäre.
Cellini ist, stilistisch betrachtet, ein Unikum.
Er ist das ja in jedem Betracht; aber seine stilistische
Einzigkeit ist bei uns weniger bekannt. Er scheint
 
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