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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Schmidt, Wilhelm: Ueber Corregio
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0336

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266

Ueber Correggio.
Von Dr. Wilhelm Schmidt.

In den „Monatsberichten“ Jahrgang 1902, p. 426,
und Jahrgang 1903, p. 47, habe ich mich schon mit
dem Meister von Parma beschäftigt. Bei der
Wichtigkeit der Sache — handelt es sich doch um
den unverfälschten Eindruck eines grossen und
höchst einflussreichen Künstlers — lasse ich hier
noch ergänzende Tafeln sowie entsprechenden Text
folgen.
Das Gemälde des Francesco Maria Rondani
der Münchener Pinakothek (Nr.1095) stammt ur-
sprünglich aus Parma und wurde im Jahre 1807 durch
Bonnemaison in Paris von Holz auf Leinwand über-
tragen. Ohne Zweifel wegen seiner Schadhaftigkeit,
freilich wird die Uebertragung es noch übler zu-
gerichtet haben. Es ist jetzt geradezu in skandalösem
Zustande. Immerhin liesse es sich durch eine
gewissenhafte Restauration, welche die Ueber-
malungen abnimmt, die aufgestandenen Stellen fest-
legt und die ausgebrochenen Stücke sorgfältig er-
gänzt, noch in ein erträgliches Aussehen versetzen.
Dass die Nachbildung infolge dieser Verderbnis
ebenfalls kein gutes Bild liefern konnte, muss
natürlich bei der Beurteilung und dem Vergleiche
berücksichtigt werden. Fereol Chevalier de Bonne-
maison war von Haus aus Maler und Lithograph
und wurde „Directeur de la Restauration des Tableaux
du Musee Royal“. Schon zu Napoleonischer Zeit
„restaurierte“ er an den damals in Paris zusammen-
geschafften Gemälden. Im Jahre 1815 wurde ihm
das Pinakothekbild abgekauft und zwar als Correggio.
Dass es jedoch von Rondani herrührt, kann keinem
Zweifel unterliegen.
Das letztere gilt auch von der sogenannten
Madonna di Casalmaggiore in Frankfurt am Main.
Thode hat sich in dem Jahrbuch der k. preussischen
Kunstsammlungen, XII, 1891, bemüht, das Frank-
furter Bild als identisch mit der in dem Modeneser
Inventar genannten Madonna aus Casalmaggiore
nachzuweisen. Mit unverbrüchlicher Sicherheit ist
das freilich nicht dargetan, konnte auch der Sach-
lage nach nicht dargetan werden, doch kann man
das Ergebnis immerhin als wahrscheinlich be-
trachten. Aber was beweist das für die Herkunft
von Correggio selbst? Es beweist nur, dass man
das Werk eben für einen Correggio hielt. Gewisse
Bedenken scheinen auch früher bestanden zu haben.
Gian FilibertoPagani (1770) drückt sich darüber aus:
sembra una delle prime opere del Correggio, wobei

natürlich nicht an die heutige Ansicht der so-
genannten „Jugendbilder“ des Malers zu denken
ist, sondern das Werk kam dem Schreiber nicht
als ein Erzeugnis reifer künstlerischer Meisterschaft
vor; ferner schreibt der Conte della Pallude (1784):
Quadro .... da molti non senza ragione tenuto di
mano del Correggio, was auch von Zweifeln kund-
gibt. Doch sei es, wie es wolle: die Madonna
spricht von sich aus deutlich genug, um sie dem
Meister selbst zu nehmen und als Arbeit des Nach-
ahmers Rondani zu bezeichnen. Jedenfalls aber
ist sie eine Zierde des Museums. Dass an ein
modernes Pasticcio nicht zu denken ist, liegt auf
der Hand, wenn man sich nur die Mühe nimmt,
das Werk unbefangen zu betrachten. Der grosse
Name des Antonio hat ihm blos Eintrag getan,
weil man einseitig dessen Eigenschaften an ihm
mass. Allein schon die Sprünge weisen den
Gedanken an eine neuere Entstehung bestimmt ab.
Freilich sieht man die argen Schäden des Bildes,
die Lasuren und die Verputzungen, was die Formen
verblasener gemacht hat als sie waren — aber
dieses Geschick teilt das Bild mit unzähligen andern.
Die Farben sind von Hause aus leuchtend und klar
gewesen, ganz correggesk, und immer noch sieht
man eine sonnige Lichtwirkung und ein liebens-
würdiges Helldunkel; trefflich wirkt auch die diskrete
Landschaft mit dem schön beleuchteten Himmel.
Sogar bei den Pflanzen des Vordergrundes zeigen
sich trotz des schlechten Zustandes die Spuren der
Rondani’schen Auffassung und Malweise. Die Ver-
wandtschaft mit dem Münchener Bild ist ungeachtet
aller durch die Zeit entstandener Verschiedenheit
der äussern Erscheinung nicht zu verkennen und
wird zuverlässig dem tiefer Eindringenden auch in
den Nachbildungen nicht verborgen bleiben.
Ebensowenig als an der Herkunft dieser beiden
Gemälde von Rondani ist an der Urheberschaft des
Michelangelo Anselmi bei der herrlichen Madonna
auf Wolken (Nr. 1096) der Pinakothek zu zweifeln.
Diese Tatsache springt sogar noch mehr in die
Augen, da die Tafel infolge besserer Erhaltung ihre
Eigenschaften deutlicher zu erkennen gibt. Bonne-
maison, dem sie gleichfalls im Jahre 1815 um
18000 Franks abgekauft worden war, scheint sie
ziemlich in Ruhe gelassen zu haben. Anselmi, der
tatsächlich etwas Michelangeleskes im Busen trug,
war ein bedeutenderer Künstler als Rondani, der
 
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